von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 15.03.2024
Die Museumseröffnung rückt in weite Ferne
Ursprünglich sollte das neue Historische Museum in Arbon 2028 eröffnen. Weil der Staatshaushalt klamm ist, hat der Regierungsrat das Projekt verschoben - auf 2037. (Lesedauer: ca. 5 Minuten)
Es hatte sich in den vergangenen Wochen angedeutet: Im Januar hatte der Regierungsrat angesichts einer „massiv eingetrübten“ Finanzlage Sparmassnahmen auf den Weg gebracht. Vergangene Woche deutete Dominik Diezi, Thurgauer Regierungsrat für Bau und Umwelt, in einem Interview mit der Thurgauer Zeitung Kürzungen bei den geplanten Sanierungen und Erweiterungen der kantonalen Museen an, und nun ist auch klar, was die angespannte Finanzlage des Kantons für das - nach ersten vorsichtigen Schätzungen rund 40 bis 45 Millionen Franken teure - Bauprojekt eines neuen Museums in Arbon bedeutet: Es wird verschoben.
Im Mai 2022 war die Eröffnung noch für 2028 anvisiert, jetzt soll es erst neun Jahre später, also 2037, so weit sein. „Es fehlen gut 200 Millionen im Haushalt. Auf diese Situation mussten wir reagieren. Wir haben alle Projekte auf das Notwendigste geprüft und danach priorisiert“, sagte Diezi an einer Medienkonferenz in Arbon. Aufgeschoben sei aber nicht aufgehoben: „Trotz der Finanzlage sind wir nach wie vor von dem Projekt überzeugt und wollen es unbedingt realisieren“, so Diezi. Man müsse es nur zeitlich etwas nach hinten schieben.
In der neuen Finanzstrategie schreibt der Kanton: „Die Schieflage des Staatshaushalts entsteht primär infolge wegbrechender Einnahmen, der Steuerfusssenkung aus dem Jahr 2022 und überdurchschnittlich hoher Investitionsvorhaben. Die Abschaffung der Liegenschaftensteuer und die Reduktion der Gebühren bei den Grundbuchämtern verstärken den negativen Trend und tragen zusätzlich zur Verschlechterung der Finanzlage bei.“ Vor allem die ausbleibenden Ausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sorgen für Verunsicherung. In den Jahren 2021 und 2022 konnte der Kanton hier jeweils mehr als 130 Millionen Franken verbuchen. In den Jahren davor lag die Summe zwischen 90 und 40 Millionen Franken pro Jahr. Das Problem für den Kanton: Macht die SNB Verluste, so wie in den vergangenen beiden Jahren, dann gibt es keine Ausschüttung. Als Reaktion auf die ausbleibenden Gelder und weitere Probleme im Haushalt werden nun nicht nur die künftigen Investitionen gedeckelt, sondern es sind auch Steuererhöhungen geplant. Für alle Bauprojekte bedeutet das: „Es erfolgt lediglich noch eine Substanzerhaltung. Grossprojekte wie die Bauvorhaben der Schulen, der Museen aber auch das Polizeigebäude und das Kantonalgefängnis sind nicht, in Teilen oder nur etappenweise realisierbar. Ebenfalls von der Kürzung betroffen sind neue Strassenbauprojekte und Informatikvorhaben“, schreibt der Regierungsrat.
Mehr als ein gewöhnliches Historisches Museum
Das bestätigte auch Monika Knill, Regierungsrätin im Departement für Erziehung und Kultur: „Die Idee ist weiterhin, hier etwas ganz Besonderes, eine Attraktion zu realisieren, die über den Kanton und den Bodenseeraum hinaus ausstrahlt.“
Sie hatte schliesslich neben der Verschiebung des Projektes auch noch eine andere Botschaft im Gepäck: Das neue Haus soll die Bühne für alle kantonalen Museen werden. Es geht also nicht mehr nur um den Neubau einer Dependance des Historischen Museums, in dem neuen Museum, der Arbeitstitel lautet nun „Themenhaus Museum Werk Zwei“, soll vielmehr interdisziplinär gedacht und gearbeitet werden.
Was das genau bedeutet, konkretisierte Philipp Kuhn, Leiter des kantonalen Kulturamts: „Ein Themenhaus wird aktuelle, gesellschaftsrelevante Themen aufgreifen. Themen, die bewegen, sollen im Fokus stehen. Ausstellungen sind im Sinne von Gesamterlebnissen und auf verschiedene Vermittlungsarten inszeniert - auch mit Bezug zur Thurgauer Geschichte, aber nicht nur“, so Kuhn.
Die Erwartungen wurden gedämpft
In intensiven inhaltlichen Diskussionen habe man sich in der Arbeitsgruppe auf dieses Konzept verständigt. Der 37-seitige ausführliche Abschlussbericht dazu ist öffentlich. Er zeigt auch, dass sich die Erwartungen an das neue Haus reduziert haben: Statt der 2021 noch prognostizierten Jahresbesucher:innenzahl von 100’000, geht man inzwischen nur noch von bis zu 50’000 Besucher:innen im Jahr aus.
Eine Kopie des Stapferhauses?
Inhaltlich liegt der Fokus aber weiterhin auf gesellschaftlich relevanten Themen, die laut Kuhn „sensationell inszeniert“ sind und sich an aktuellen Diskursen orientieren. Was klingt wie eine Kopie des sehr erfolgreichen Stapferhauses in Lenzburg, soll laut Kulturamtsleiter Philipp Kuhn aber doch etwas Eigenständiges werden: „Das Stapferhaus ist ein gutes Vorbild, aber im Unterschied zu dem Haus dort, sollen die Ausstellungen im Museum Werk Zwei auf den Sammlungen und der Expertise unserer eigenen Museen beruhen und auch immer einen regionalen Bezug herstellen.“
Die Themen des Hauses sollen emotionalisieren, aber fachlich fundiert sein und darüber hinaus verständlich erklärt. Als Beispiele nennt der Abschlussbericht der Expert:innengruppe unter anderem Auseinandersetzungen zu Themen rund um Klimakrise, den Kampf ums Wasser oder das Älterwerden in der Gesellschaft.
2029: Architekturwettbewerb
2030 - 2033: Projektierung und Volksabstimmung
2034 - 2037: Realisierung
2037: Inbetriebnahme und Eröffnung
Auch Ateliers sollen entstehen
Neben den Ausstellungen sollen in dem grossen Haus auch Flächen für Ateliers, Labors und Kulturvermittlung entstehen. „Das Themenhaus ist ein Ort der Zusammenarbeit für unsere kantonalen Museen, es soll aber auch ein offenes Haus für externe Partner werden. Kooperationen sind sehr erwünscht“, betont Kulturamtsleiter Kuhn. Diese Ateliers sind aber nicht explizit als Künstler:innen-Ateliers geplant, sondern eher als Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung, für Besucher:innen oder Schulgruppen.
Zudem können sich Kooperationspartner in die vorhandenen Ateliers und Labore einmieten. Dort können sie zu themen- und museumsnahen Gebieten forschen und arbeiten. Idealerweise entsteht so laut Konzept eine Verbindung zum Haus: «Die Arbeiten, deren Erkenntnisse und verknüpften Analysen/Diskurse fliessen als Beiträge/Wissen zu den Ausstellungen oder zum Rahmenprogramm sowie in anderer flexibel gestaltbarer Form ins Angebot des «Museum Werk2» ein», heisst es in dem Abschlussbericht der Arbeitsgruppe.
Damit die 115 Jahre alte Webmaschinenhalle, die der Kanton vor zwei Jahren für 1 Million Franken gekauft hat, nicht ungenutzt bleibt bis zur geplanten Eröffnung in 13 Jahren, strebt der Kanton vielfältige Zwischennutzungen in dem Gebäude an. Nicht auf der kompletten Fläche, sondern vor allem auf einem rund 400 Quadratmeter grossen Raum im ersten Obergeschoss der Halle.
Kulturelle Zwischennutzungen sollen den Ort bekannt machen
Den Auftakt macht ab Dezember das internationale Kunst-Ausstellungsprojekt „Heimspiel“, das erstmals im Thurgau gastiert. In den folgenden Jahren bis zu einem möglichen Baubeginn 2034, soll dieser Raum für interdisziplinäre Sonderausstellungen der kantonalen Museen und möglicher Partner genutzt werden. #
Im Frühling, Sommer und Herbst soll der Ort nicht täglich, aber doch zu fixen Öffnungszeiten zugänglich sein. Das sei auch eine grosse Chance, den Ort überhaupt erst einmal als Kulturort zu etablieren und bekannt zu machen, findet Bauchef Dominik Diezi. Neben Ausstellungen seien zudem auch andere kulturelle Nutzungen denkbar, ergänzte Kantonsbaumeister Roland Ledergerber.
Um das zu ermöglichen, wird der Raum in den kommenden Monaten entsprechend nutzbar gemacht. Dafür hatte das Kantonsparlament im Dezember Gelder in Höhe von 900'000 Franken bewilligt. Beheizt wird der Ausstellungsraum aber nicht, das wäre offenbar zu teuer. Deshalb wird er (abgesehen vom Heimspiel) auch nicht in den Wintermonaten bespielt. „Mit den Investitionen erfüllen wir alle Vorschriften für den Publikumsverkehr und erreichen mit einfachsten Mitteln eine möglichst flexible Nutzung der Fläche“, sagte Roland Ledergerber.
Was möglich ist und was nicht
Auf die Frage, was in den Räumen mit den schwierigen klimatischen Bedingungen überhaupt möglich sei, antwortete Philipp Kuhn: „Es wird nicht alles möglich sein, die musealen Bedingungen sind nicht ideal. Aber dies hier ist ein toller Ort, in dem man viel gestalten kann.“
Um diesen Ort auch nach aussen als Kulturort sichtbar werden zu lassen, lanciert das kantonale Hochbauamt noch diesen Sommer einen Ideenwettbewerb zur Aufwertung des Saurerplatzes. Der Kanton strebt hier eine künstlerische Gestaltung an. „Der Platz westlich auf der Stirnseite der Webmaschinenhalle liegt heute brach. Das möchten wir in dieser zentralen Lage ändern und das ganze Areal aufwerten“, kündigte Kantonsbaumeister Roland Ledergerber an.
Weiterlesen: Was die kantonalen Sparmassnahmen für die anderen Museumsprojekte bedeuten, kannst du hier nachlesen.
Die Debatte um den Neubau eines Historischen Museums dauert schon lange an. In unserem Dossier haben wir sämtliche Beiträge rund um das Thema für dich gebündelt. Du findest es hier.
Hier entsteht das Themenhaus Museum Werk Zwei: Die Webmaschinenhalle in Arbon
Die Webmaschinenhalle ist der Standort für das neue Historische Museum in Arbon. Die Halle selbst wurde ab 1909 errichtet. Aber schon vorher, seit 1869, stellte Saurer -- zunächst im Werk 1 am See -- Stickmaschinen für die damals blühende Textilindustrie her, später Lastwagen, Autobusse und Motoren unter anderem für die Schweizer Armee sowie in wachsendem Ausmass Webmaschinen für den Weltmarkt. Der Kanton hat die Immobilie für rund 1 Million Franken von der HRS Real Estate AG übernommen
Die ersten Konzepte: Schon 2016 hat die damalige Eigentümerin HRS ein Konzeptpapier (liegt thurgaukultur.ch vor) erstellt und eine mögliche museale Nutzung der Halle geprüft. Darin heisst es unter anderem, die Halle eigne sich „in idealer Weise für die Nutzung als historisches Museum des Kantons Thurgau“. Ein „modernes, modularer Ausstellungskonzept“ sei möglich. Und: Innerhalb des Gebäudes seien neben dem Museum weitere Nutzungen denkbar.
Die Geschichte: Die Webmaschinenhalle wurde ab 1909 nach Plänen des Baugeschäfts Wendelin Heene (St. Gallen) für die Adolph Saurer AG erbaut. Die erste Bauphase umfasste die zwölf nördlichen Achsen der Halle, vollendet bis 1911. Von 1910 datieren die Pläne für den nördlichen Treppenhausanbau. 1912 wurde die Halle um acht weitere Achsen nach Süden verlängert. 1940 wurde nördlich des Treppenhausanbaus das Laboratorium angebaut. 1941 wurde die Halle um einen eingeschossigen Hallenteil, westlich des Laboratoriums von 1940 und des Treppenhausanbaus sowie nördlich der bisherigen Nordfassade des westseitigen, eingeschossigen Hallenteils erweitert. Das Backsteingebäude gehört zum Kernbestand des ehemaligen Giessereihofes und des heutigen Saurer WerkZwei.
Denkmalpflegerische Aspekte: Die Webmaschinenhalle ist im Hinweisinventar der kantonalen Denkmalpflege als „wertvoll“ eingestuft. Im Schweizerischen Inventar der Kulturgüter von regionaler Bedeutung ist das Objekt eingetragen. Der Bau ist im Inventar der schätzenswerten Ortsbilder Schweiz (ISOS) als Einzelobjekt mit Erhaltungsziel A („Erhalten der Substanz“) eingetragen. Nach Auffassung von HRS ist die gesamte Trauffassade nach Osten mit Treppenhausanbau und 20 Fensterachsen der Halle schutzwürdig: „Die Fassade in Sichtbackstein samt verputzter Sockelzone, (…), die bauzeitlichen Fensteröffnungen und die Dreiteilung der Fenster sind zu erhalten. Wünschenswert wäre zudem der Erhalt wenigstens von Teilen der ursprünglichen Verglasung.“ Als schutzwürdig wird in dem Konzeptpapier der HRS auch das gesamte Stahlskelett der ersten Bauetappe bezeichnet.
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