von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 15.01.2019
Die Ideenmaschine
Neues Soloprogramm, neues Kinderstück, Jubiläum Schlossfestspiele Hagenwil, Regie bei der Amriswiler Bundesfeier in diesem Jahr: Der Kalender von Florian Rexer ist auch 2019 wieder voll. Die Frage ist: Wie schafft der das alles? Besuch bei einem Rastlosen.
Eigentlich war der Plan für sein Leben ganz anders. Florian Rexer wollte raus aufs Meer, er wollte Kapitän werden. Dafür verpflichtete er sich freiwillig vier Jahre der Deutschen Bundeswehr. Und blieb doch nur kurz: „Als ich gemerkt habe, dass der Weg aufs Schiff viel länger dauert, als ich dachte, habe ich das hingeschmissen“, sagt Rexer. Über Umwege landete er auf einer Schauspielschule. Dort blieb er und das Theater sollte fortan sein Leben bestimmen. Heute ist Florian Rexer einer der präsentesten und fleissigsten Schauspieler und Regisseure des Kantons.
Auch in diesem Jahr ist sein Terminkalender gut gefüllt: Aktuell feilt er an seinem neuen Soloprogramm „Fettnäpfchen“ (Premiere: 21. Februar in Herisau), ist mit seinem selbst geschriebenen Kinderstück „Freddy Drachenzahn“ unterwegs, im August inszeniert er mit Schauspielern, Kindern, Chor und Stadtharmonie Musik in Amriswil die Bundesfeier als Wilhelm-Tell-Show, am 7. August starten zum 10. Mal die Schlossfestspiele Hagenwil (mit „Arsen und Spitzenhäubchen“, Rexer führt Regie) und im Herbst will er dann noch den „Oliver Twist“ inszenieren. Zwischendrin gastiert er mit seinen Dinnerevents an verschiedenen Orten und, ach ja, zum zweiten Mal Vater wird er im Frühjahr auch noch.
Auf dem Schiff geht es in fremde Länder, auf der Bühne in fremde Leben
Da drängt sich die Frage auf: Wie macht der das alles? „Naja“, sagt Florian Rexer, „zum einen mache ich das aus der Notwendigkeit heraus, Geld zu verdienen. Aber der Hauptantrieb ist eigentlich, dass es mir Spass macht.“ Ein Donnerstagnachmittag in Romanshorn. Wir treffen Florian Rexer auf eine Apfelschorle in einem Thai-Restaurant. Sein Bus parkt vor der Tür, drinnen wird geraucht. Rexer trägt Jogginghose, Kapuzenpulli, die verbliebenen Haare stehen ein bisschen wild durcheinander. Keine Frage: Der 42-Jährige ist jemand, der einen eher lässigen Blick aufs Leben hat. Die Schauspielerei habe ihn schon immer fasziniert, erzählt er: „Seit ich ein kleiner Junge war, bin ich vor der Familie aufgeregt rumgehüpft, ich habe immer die Verwandtschaft unterhalten“, sagt Rexer. Schauspielerei und Regie - für ihn ist das die grosse „Entdeckungsreise aller menschlichen Möglichkeiten“. Hier trifft sich sein jetziger Beruf vielleicht dann wieder mit seinen früheren Kapitäns-Plänen: Auf dem Schiff geht es in fremde Länder, auf der Bühne in fremde Leben. Eine abenteuerliche Expedition kann beides sein.
Nachdem die Pläne beim Militär platzten, besuchte er vier Jahre lang die Freiburger Schauspielschule. Danach spielte und inszenierte der gebürtige Villinger unter anderem in Stuttgart und Berlin. 2004 wechselte er fest als Regie-Assistent ans Theater St. Gallen, 2015 erhielt er den Swiss Comedy Award für sein Programm „Der Götti“. Dass er mal in der Schweiz landen würde, habe er schon früh geahnt, erzählt Florian Rexer: „Ich bin an der Grenze aufgewachsen und habe mich schon als Kind in die Schweiz verliebt. Da wollte ich später mal leben.“ Und so kam es dann auch. Erst in St. Gallen, mittlerweile in Romanshorn. „Ich fühle mich wohl hier, ich mag die Menschen“, sagt der Schauspieler. Und so weit man das sagen kann, mögen viele Menschen auch ihn: Im vergangenen Jahr hat er den Amriswiler Kulturpreis erhalten und dass er als Deutscher in diesem Jahr die Bundesfeier in Amriswil inszenieren darf, sagt auch etwas über seinen Ruf in der Gegend.
„Sprich mit den Leuten“, haben ihm seine Eltern immer gesagt
Ihm hilft dabei sicher, dass er ein glänzender Netzwerker ist. Florian Rexer versteht es, Leute zusammenzubringen und sie auch bei Laune zu halten. Dass es ihm dabei auch immer wieder gelingt, einflussreiche Leute wie Jakob Stark, den Chef des kantonalen Finanzdepartements, in seine Projekte einzubinden, ist ein Beleg dieser klugen Netzwerkpflege. „Kommunikation“ zählt Rexer ohnehin zu seinen grössten Stärken. Vielleicht ein Ergebnis seiner Erziehung: „Meine Eltern haben mir immer gesagt: ‚Sprich mit den Leuten, dann wird es eine Lösung geben‘ Daran habe ich mich immer gehalten“, so Rexer.
Spricht man mit den Leuten, die mit Florian Rexer gearbeitet haben, dann kann man viel Gutes hören. Zum Beispiel von Walter Andreas Müller. Kennengelernt haben sich die beiden am Theater St. Gallen, danach haben sie sich nie aus den Augen verloren. Im vergangenen Jahr spielte Müller die Hauptrolle bei den Schlossfestspielen Hagenwil, er ist auch Teil des Festival-Patronats. „Florian sprudelt vor Ideen - manchmal auch skurrile und nicht immer umsetzbare. Mittlerweile tanzt er ja auf verschiedensten Hochzeiten, und ich frage mich manchmal, wie er diese permanente Umtriebigkeit unter seinen übervollen Theaterhut bringt“ sagt Walter Andreas Müller. Was Rexer auszeichne, sei seine Vielseitigkeit: „Er verfügt über eine komödiantische und auch eine wirklich ernsthafte Seite. Sprich: Von Gruselgeschichten über Comedy-Programme bis Kleist oder Shakespeare. Das alles füllt er mit unbändiger Fantasie und seinem eigenen, speziellen Humor“, lobt Müller. Grundsätzlich sei Florian Rexer „ein wirklich grundgütiger Mensch, er kann aber manchmal auch ordentlich nerven mit seiner Handy-Abhängigkeit. Doch seine Spitzbübigkeit und seine Begeisterung für unsern Beruf verzeihen auch das“, so Walter Andreas Müller.
«Florian verfügt über eine komödiantische und auch eine wirklich ernsthafte Seite. Beides füllt er mit unbändiger Fantasie.»
Walter Andreas Müller, Schauspieler, über Florian Rexer
Der Spagat zwischen Kunst und Kommerz
Tatsächlich ist das, was der Kollege anspricht, etwas, das auch Rexer beschäftigt: Wie schafft man den Spagat zwischen Kunst und Kommerz, wenn man so viel macht, wie der 42-Jährige? Schauspieler und Regisseur, Kabarettist und Comedian, Veranstaltungsregisseur, Kommunikationstrainer, Sprecher und Moderator - all das macht Rexer. Ob man sich da nicht manchmal verzettelt? Rexer winkt ab. Er gehe alle Aufgaben mit demselben Respekt an. „Ich möchte mein Publikum immer abholen, auf eine Art berühren und unterhalten. Für mich spielt es keine Rolle in welchem Rahmen das stattfindet“, so Rexer. Vielleicht ist das die beste Lösung in dem Fall: Nicht über die Gratwanderung zwischen Kunst und Kommerz nachzudenken, sondern einfach beides zu machen. Wie der Drahtseilartist über unseren Köpfen, der nicht in den Abgrund blickt, sondern nur nach vorne, seinem Weg folgend.
Sein Beruf ist für ihn Berufung und ein kleines bisschen auch eine Ausrede dafür „nicht erwachsen werden zu müssen“, wie der Schauspieler mit einem Grinsen sagt. Die Ideen dazu werden ihm wohl auch in den nächsten Jahren nicht ausgehen. Ob er da vielleicht noch einen Tipp hat für Menschen, die nicht so Ideenssprudler sind wie er? „Wenn in mir eine Idee entsteht, dann muss man ihr Zeit geben und sie kommen lassen. Nichts erzwingen. Sondern lieber den kindlichen Glauben daran bewahren, dass es was werden wird. Meine Erfahrung ist: Dann wird es auch was.“
Video: arttv.ch über die Schlossfestspiele Hagenwil 2018
Video: Studenten-Doku über Florian Rexer (2016)
Video: Trailer zum Programm "Der Götti"
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter
- Alte Mauern, neue Gedanken (11.11.2024)
- Auf Kinderaugenhöhe (21.10.2024)
- Was hält uns zusammen? (16.10.2024)
- «Falsch gespart»: Kritik am Sanierungs-Stopp (15.10.2024)
- Die Entdeckung des Raums (11.10.2024)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Bühne
Kommt vor in diesen Interessen
- Porträt
- Schauspiel
- Kabarett
Ähnliche Beiträge
Herr Fässler besiegt die Angst
Therapeutin trifft auf Zyniker: In der Theaterwerkstatt Gleis 5 in Frauenfeld ist mit „Herr Fässler und die Stürme der Liebe“ zu erleben, wie sich eine Puppe von ihrer Puppenspielerin emanzipiert. mehr
Problemfamilie mit Wiedererkennungswert
Die Eigenproduktion „Familienidylle“ des theagovia theater zeigt eine Familie im Ausnahmezustand, der vielleicht gar nicht so ungewöhnlich ist. mehr
«Ich will auch nicht immer in den Abgrund schauen.»
Die Schauspielerin und Produzentin Susanne Odermatt hat sich in den vergangenen Jahren als Spezialistin für Dramen einen Namen gemacht. Jetzt bringt sie eine Komödie auf die Bühne. mehr