von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 27.03.2025
Der Meister der Langsamkeit

Der mit 20'000 Franken dotierte Kulturpreis des Kantons Thurgau geht an den bildenden Künstler Othmar Eder aus Stettfurt. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Othmar Eder ist ein Multitalent: Er zeichnet, malt, fotografiert, filmt und installiert. „Für mich gehören alle diese Spielarten zusammen. Ich wollte mich nicht entscheiden müssen“, sagte Eder, als wir uns vor einigen Jahren mal in seiner Heimatgemeinde Stettfurt trafen. Am Anfang stand jedoch das Zeichnen, der Rest kam später dazu. Überhaupt, sagt Eder, sei er in diese ganze Kunstsache nur langsam reingewachsen. In ihm drin spürte er schon früh, dass da ein Künstler schlummert.
Dass er nun im Alter von 70 Jahren mit dem Thurgauer Kulturpreis ausgezeichnet wird, mag ein Indiz dafür sein, dass sich langer Atem manchmal eben doch lohnt. „Othmar Eders Bilder zeigen oft wiederkehrende Motive, leicht variiert oder verfremdet. Die Zeitlichkeit spielt eine wichtige Rolle in seinem Werk. Er verfügt als Künstler über eine unverkennbare Handschrift, dennoch zeigt sich in seinem Werk eine stete Weiterentwicklung. Künstlerisch überragend und einzigartig sind seine oft grossformatigen subtilen Zeichnungen“, heisst es in einer Medienmitteilung des Kantons.
Die Triebfedern seiner Kunst
Was ihn als Künstler interessiert, ist in all den Jahren sehr beständig geblieben: „Es sind vor allem die kleinen Dinge, die Nebenschauplätze. Was für andere langweilig ist, finde ich spannend“, sagt Eder, wenn man ihn nach den Triebfedern seiner Kunst fragt. Er kann sich für Spuren, Strukturen, Bewegungen und Perspektiven begeistern, für achtlos weggeworfene Papierschnipsel, die er aufhebt und dann kleine Geschichten darauf findet.
Wie auf jenem Zettel, den er in Lissabon fand und auf dessen Rückseite jemand zigfach den Namen „Jorge“ geschrieben hat. In diesen Momenten findet Othmar Eder die Themen, die ihn inspirieren. „Wer weiss schon, warum jemand da so oft diesen einen Namen notiert hat? War jemand verliebt? Wollte er eine Unterschrift fälschen und übte? Es gibt zig mögliche Geschichten zu diesem Fund, so etwas reizt mich“, erzählt der 63-Jährige. Darin liegt auch ein Motiv seines Kunstschaffens: Er will Dinge herausheben, die sonst unbeachtet blieben. Er will den Scheinwerfer dort hin lenken, wo er normalerweise nie hinkäme.

Künstlerische Arbeit braucht Geduld
Für Othmar Eder ist diese Haltung durchaus zeitkritisch. Denn: Er verachtet kaum etwas mehr als die heute übliche Terminhatz. In einer Zeit, in der immer alles schneller gehen soll, will er Zeit und die Mühen der künstlerischen Arbeit sowie die Geduld, die es dafür manchmal eben auch braucht, wieder sichtbar machen.
Wenn man so will, ist Othmar Eder ein moderner Entdecker der Langsamkeit. Das erkennt man auch in seiner Arbeitsweise. Er malt ausschliesslich mit Tempera, die er selbst im Atelier aus Ei, Leinöl und Wasser herstellt. Manchmal mischt er Pigmente wie Asche, Kaffee, Löwenzahnblüten oder Heidelbeersaft ein. Immer auf der Suche nach dem Ton, den er bei seinen Beobachtungen von Dingen wahrgenommen hat. Das kann dauern. Aber die Zeit nimmt sich Othmar Eder, weil diese präzise Sorgfältigkeit unabdingbar zu seinem Schaffen dazu gehört.
Über Kunst und Zeit in Eders Werk
Alex Bänninger, einer der Förderer von Othmar Eder, hat für dieses Streben einen schönen Satz gefunden: „Die Kunst ist die Zeit, die Othmar Eder der Vergangenheit zurückgibt, damit sie wie eine wertvolle schwere Uhr wieder läuft und uns als ein Kontinuum bewusst wird. Zeit vergeht nicht“, schreibt Bänninger in der 2015 erschienen Publikation „Fremde Nähe“ über Eders Arbeiten aus Lissabon.
Was ist nun die Kunst in der Arbeit von Othmar Eder? Am wohl eindrücklichsten hat es bislang die Kunsthistorikerin Katja Baumhoff in einem Beitrag in der 2018 erschienen Monographie „Bilderfinder“ beschrieben: „Seine Werke zeigen letztendlich weder Gegenstände noch Personen, sondern die sich fortwährend neu zusammensetzende Erinnerung.“

Öffentliche Feier am 20. August in Arbon
Der mit 20'000 Franken dotierte Thurgauer Kulturpreis wird am Mittwoch, 20. August 2025, um 19.30 Uhr im Rahmen einer öffentlichen Feier im Werk2 in Arbon durch Regierungsrätin Denise Neuweiler, Chefin des Departementes für Erziehung und Kultur, überreicht.
Mit dem Preis, der seit 1986 vergeben wird, spricht der Regierungsrat seinen Dank und seine Anerkennung aus für ausserordentliche kulturelle Leistungen von Privaten und Institutionen, die das kulturelle Leben im Kanton in besonderer Weise bereichern. Eine Auswahl möglicher Trägerinnen und Träger des Kulturpreises wird dem Regierungsrat jeweils von der Kulturkommission des Kantons Thurgau vorgeschlagen.

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