von Kirsten Astor, 15.04.2019
Blütenblätter auf schwerem Samt
Blumenmuster auf Klamotten – eine jahrhundertealte Verbindung, wie die neue Sonderausstellung des Napolenmuseums Thurgau zeigt. Unter dem Titel „Vernäht! Mode & Gärten – Ein Wechselspiel vom Mittelalter bis zur Belle Epoque“ sind prachtvolle Roben einer Pariser Kostümhistorikerin zu sehen. Doch im letzten Moment mussten die Ausstellungsmacher nochmal richtig zittern.
Regeln und Gesetze machen auch vor den schönen Künsten nicht Halt. Das mussten Nathalie Harran und Christina Egli jüngst leidvoll erfahren. Die französische Kostümhistorikerin Harran wollte vergangene Woche ihre 21 historischen Kleider auf den Arenenberg bringen, damit genug Zeit für deren Arrangement bleibt, bevor die Gäste kommen. Vier Tage waren dafür eigentlich angesetzt. „Wir mussten nun auf einen Tag verzichten“, wie Ausstellungsmacherin Christina Egli erzählt. Denn Nathalie Harran stand mit ihrer wertvollen Fracht zwar schon am Zoll, durfte die Grenze zur Schweiz aber nicht passieren. „Wir müssen zurück nach Strassburg“, mailte die Kostümhistorikerin in die Schweiz. „Es fehlen ein Stempel und eine Unterschrift.“
Trotz der knappen Zeit und der widrigen Umstände gelang es, die Sonderausstellung „Vernäht! Mode & Gärten – Ein Wechselspiel vom Mittelalter bis zur Belle Epoque“ rechtzeitig zu eröffnen. 21 blumige Kostüme nach historischem Vorbild, eigens für das Napoleonmuseum kreiert, sind nun im Cinéma des Museums sowie in den Salons von Schloss Arenenberg zu bewundern. „19 für die besser gestellte Klasse, zwei für ein Gärtnerehepaar“, erläutert Christina Egli. Nathalie Harran nähte lauter florale Unikate, brachte aufwändige Stickereien an und stellte auch Knöpfe selbst her. Die Kleider zeigen die Mode vom Mittelalter über Renaissance, Barock und Rokoko bis hin zur Belle Epoque um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Bilderstrecke: Diese Kostüme zeigt die Ausstellung
Eine verwobene Geschichte
Warum aber die Verbindung von Gärten und Kleidung? „Gärten beeinflussten immer schon stark die Mode“, sagt Christina Egli und ergänzt: „Auch heute noch findet sich kein Laden ohne florale Muster in den Regalen.“ Sogar in der Modehauptstadt Paris ist dies nicht anders: „Modeschöpfer Dior zeigte viele Blumenmotive auf seiner letzten Modenschau in Paris“, so Nathalie Harran. Die Mode schuf sogar ganz neue Berufe. „In grossen Ateliers arbeiteten vom 18. Jahrhundert bis in die 1930er-Jahre hinein Frauen, die Blumen aus Stoff zur Verzierung von Kleidung herstellten“, weiss die Pariserin. Und die Sticker beeinflussten den Stil: Während Blumen auf Kleidung im 17. Jahrhundert naturalistisch dargestellt waren, wurden sie im 19. Jahrhundert stilisiert. Anfang des 20. Jahrhunderts wiederum waren Rosen und Schwertlilien als Motive beliebt.
Die Besucher lernen so einiges über historische Kleider, während Harran und Egli durch die Räume führen. So zum Beispiel, dass manch Robe aus dickem Stoff nicht schwerer ist als 300 Gramm – alles für den Zoll gewogen. Und dass die Frauen früher unter ihren Kleidern leiden mussten, ist auch hinlänglich bekannt: „Alle trugen ein Korsett darunter, das über Stunden mehrfach enger geschnürt wurde“, erzählt Christina Egli. Nicht selten fielen die Damen deshalb in Ohnmacht oder starben sogar an ihrer Schönheit, wenn durch die enge Schnürung eine Rippe brach und Lunge oder Herz durchbohrte. Sich trotz der ausladenden Stoffbahnen zu erleichtern, war dagegen wohl dank Schüsseln und dienstbeflissener Zofen überraschend einfach. Modisch mussten die Frauen von früher allerdings einiges mitmachen: Mal war es schick, ein künstlich grosses Hinterteil zu kreieren, mal wurden die Reifröcke unter dem Stoff so breit gearbeitet, dass die Damen nur seitlich durch die Tür kamen. Praktisch waren eingenähte Schlitze, so dass Frau ein Taschentuch oder andere nützliche Dinge mitführen konnte, ohne eine Handtasche zu benötigen.
Spitzenkleid mit Brennnesselfasern
Christina Egli und Museumsdirektor Dominik Gügel schufen eine schöne Ausstellung mit vielen Höhepunkten für das modebegeisterte Auge – eingebettet in passende Möbelstücke mit Blumenmustern aus dem Museumsdepot. „Ich habe versucht, das Inventar von 1866 so gut wie möglich nachzustellen“, sagt Egli. Und wer nicht nur die Wendeltreppe im Schloss hochsteigt, sondern auch noch die letzte steile Stiege ins Obergeschoss, kann einen Blick auf blumig verzierten Schmuck werfen. Eine Besonderheit der Ausstellung ist zudem ein historisches Kleid mit Spitze aus Brennnesselfasern: Das originale Nachthemd von Hortense Eugénie de Beauharnais, der Mutter von Napoleon III.
Nathalie Harran, selbst in einem historischen Kleid beim Pressetermin anwesend, erbte ihre Leidenschaft fürs Nähen von ihrer Grossmutter. Nach ihrem Geschichtsstudium entdeckte sie auf einem Flohmarkt historische Kleider und fand Gefallen daran. Sie vereinte Geschichte und Kunsthandwerk und nähte bislang 400 Gewänder. Soweit möglich, verwendet sie dabei alte Stoffe. Dieser Besuch auf dem Arenenberg wird vielleicht nicht ihr letzter sein; schon vor zwei Jahren stellte die 49-Jährige dort aus. Das nächste Mal aber wird sie einen Fehler nicht mehr begehen: „Als Nathalie zuletzt hier war, hatte sie sich gerade eine neue Nähmaschine gekauft“, sagt Christina Egli und schmunzelt. „Sie wusste nicht, dass direkt um die Ecke ein grosser Nähmaschinenhersteller sitzt.“
Termine & Aktionen
Die Sonderausstellung ist bis Sonntag, 13. Oktober, zu sehen. Öffentliche Führungen gibt es am 14. Mai, 6. Juni, 4. Juli, 8. August und 5. September. Apéro ab 18.30 Uhr, Führung um 19 Uhr. Im Cinéma neben dem Museumsshop sind acht historische Kleider sowie chronologisch aufgebaute Informationen rund um Gärten zu finden. 13 weitere Kostüme auf drei Stockwerken befinden sich im Schloss Arenenberg. Übrigens wird der freie Rundgang durch das Napoleonmuseum seit 1. April generell durch Führungen ersetzt, die im Eintrittspreis enthalten sind. Für Kinder von 6 bis 12 Jahren gibt es die interaktive Führung „Dienstbare Geister“ rund um den anstrengenden Alltag der Dienerschaft auf Schloss Arenenberg sowie eine Kostümführung, bei der die Kinder sich in historische Gewänder kleiden dürfen. Anmeldung erforderlich, Eintritt je 18 Franken.
Die Arenenberger Gärten: Neben einem mittelalterlichen Patriziergarten und einem englischen Landschaftspark mit Elementen aus Barock und Renaissance sind rund um das Schloss auch Felder, auf denen Kräuter- oder Gemüseanbau gelehrt wird. Schriftstücke belegen nach Aussagen des Museums bereits um 1400 einen mittelalterlichen Lust- und Weingarten auf dem Arenenberg. Zu jener Zeit hiess er noch Narrenberg, an Stelle des Schlosses stand ein landwirtschaftliches Gut.
Weitere Anlässe: 26. Mai Arenenbergertag (Traditionsfest mit Slowfood-Markt und Landtechnik-Ausstellung); 14. Juni Serenadenkonzert der Stiftung Napoleon III. im Schloss; 22. Juni Fête de la Musique; 24./25. Juni Kaiserliches Wein- und Gartenfest. (kis)
Von Kirsten Astor
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