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von Andrin Uetz, 22.05.2023

Bitte auch das Kleingedruckte lesen

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"Alles wird gut" - der Name ist Programm bei Michael Elsener | © Philippe Hubler

Kulturförderung wird häufig für Polemik missbraucht, wie im Fall Peach Weber vs. Michael Elsener. Es gilt allerdings genauer hinzuschauen und die Fakten zu prüfen. (Lesezeit: ca. Minuten)

Corona-Ausfallentschädigungen sowie Fördergelder für ein Transformationsprojekt an die Pointenbauer GmbH, der Firma des Comedians Michael Elsener, sorgen in den Medien seit einigen Wochen für hitzige Debatten. Nun holt im Tagblatt auch das Comedy-Urgestein Peach Weber zum Rundumschlag gegen die Kulturförderung aus.

Anlässlich des anstehenden Auftritts von Michael Elsener am Dienstag, den 16. Mai 2023 im KiK Kreuzlingen versucht thurgaukultur.ch etwas Klarheit in eine ziemlich unsachlich geführte Debatte zu bringen.

Der Algorithmus gibt den Takt an

Den Anfang machte ein Artikel vom 25. April 2023 im Online-Magazin zentralplus. Dieser sich als Investigativ-Journalismus ausgebende Text versammelt eine wirre und unsortierte Ansammlung von Informationen und Zahlen unter dem Titel “Michael Elsener erhielt über eine halbe Million Corona-Gelder”.

Wer sich die Mühe macht, den Text genau zu lesen, merkt schon, dass diese Schlagzeile so nicht stimmt. Doch für solche Menschen ist der Artikel gar nicht geschrieben. Er zielt auf die Empörung als motivierende Kraft, sich in den Kommentarspalten und in den Social Media über die vermeintlichen Steuergeschenke an Kulturschaffende auszulassen.

Die eine Seite wird sich aufregen, die andere wird zur Verteidigung herbeieilen; alle verbringen viel Zeit im Netz, das gefällt dem Algorithmus sehr. Sofort springen auch andere Medien wie 20Minuten, Bluewin News, Nau.ch und das Tagblatt auf. Es beginnt eine regelrechte Hexenjagd gegen Elsener.

Auch für Peach Weber interessant: Michael Elsener erklärt den Unterschied zwischen AHV und Pensionskassen.

Schlagzeilen, alles andere scheint sekundär

Die Medien versuchen sich nun mit Schlagzeilen zu überbieten. Nahezu schizophren gibt sich das Tagblatt, dass zuerst mit “Ein schlechter Scherz? Comedian Michael Elsener soll eine halbe Million Corona-Gelder erhalten haben” auf Elsener losgeht, nur um ihn dann mit “Corona-Hilfe: Warum Michael Elsener die halbe Million Franken verdient hat” in Schutz zu nehmen.

Umso absurder, dass nun das Tagblatt im Interview Peach Weber eine Plattform bietet seinem Unmut über die Zahlungen an seinen Kollegen Ausdruck zu verleihen. Glück im Unglück aber bieten die Aussagen des Schlagzeilen-Leser Weber ideales Anschauungsmaterial für die Richtigstellung einiger Punkte, die in dieser Diskussion bisher sträflich vernachlässigt wurden.

“Öberall heds Pilzli draa” von Peach Weber ist wohl einer seiner bekanntesten Hits.

Erst Zwitschern, dann denken

Ausschlag für das Interview gab ein Tweet von Peach Weber, in dem er sich über die hohen Corona-Zahlungen an Michael Elsener auslässt:

Tweet von Peach Weber

 

“Wenn ich höre, was da gewisse Kollegen aus der Comedy-Branche an Corona-Geldern abgezügelt haben, denke ich mir bei einigen: Was muss man … für einen jämmerlichen Charakter haben, die Abzocker bei den Banken zu kritisieren und dann aber, sobald sich eine Gelegenheit bietet, selber alles abzuschöpfen, was möglich ist. Exgüsi, muss mich schnell ein bisschen übergeben …”

Peach Weber

Im Interview gibt Weber dann zwar zu, dass er den Fall Elsener nicht genau kenne, findet aber, diese Summe sei – wenn sie denn stimme – völlig überrissen. Hier outet sich Weber als typischer Schlagzeilen-Leser: Die Info, die er von den Schlagzeilen bekommen hat; Michael Elsener soll über eine halbe Million Corona Hilfsgelder bekommen haben.

Da weht es dem pensionierten Selfmade-Millionär natürlich gleich sein Häppy Chäppy vom Kopf. Verständlich, denn für eine einzelne Person wäre das auch ziemlich viel Geld. Es gibt hier aber zwei wichtige Denkfehler.

Michael Elsener versammelt anhand des Beispiels Hühnermast Facts zur Massentierhaltungs-Initiative.

Erstens: Erwerbsausfalls Entschädigungen sind keine Kulturfördergelder

Während der Pandemie hatten alle Unternehmen, Arbeitnehmenden und Selbstständigen Anrecht auf Corona-Erwerbsausfallsentschädigungen. Die Veranstaltungsbranche ist nur eine von vielen, welche zum Schutz der Allgemeinheit ihre Arbeit einstellen mussten.

Insgesamt wurden vom Bund zwischen dem März 2020 und dem Oktober 2021 rund 3,5 Milliarden Franken an verschiedenste Unternehmen ausbezahlt. Die Kulturbranche stellt dabei nur einen kleinen Teil dar (vgl. Bundesamt für Sozialversicherung BSV).

Ob Kulturbetrieb, Baustelle oder Restaurant konnten alle ihre Erwerbsausfälle geltend machen. Einem Unternehmen wie der Pointenbauer GmbH erlaubte das, seine Mitarbeitenden weiter zu beschäftigen, obschon die Gagen für abgesagte Auftritte entfielen.

Entschädigung, nicht Förderung

Im Fall der Pointenbauer GmbH dürften das für zwei Jahre Pandemie rund 350 000 Franken gewesen sein (vgl. Coronafonds Zug). Dieses Geld aber ist nicht Kulturfördergeld, sondern ganz einfach eine Entschädigung für die ausfallenden Gagen-Zahlungen.

Da sich die Pointenbauer GmbH für Transformationsbeiträge bewarb, bekam sie zusätzlich 189 064 Franken aus dem Lotteriefonds von Stadt und Kanton Zug. Dieser Betrag war aber insbesondere für kostenintensive Videos gedacht, gingen also auch nicht einfach so an die Person Michael Elsener. Dennoch: Wenn man über die Höhe von Kulturfördergeldern streiten will, wäre das der entscheidend Betrag, auf den weiter unten auch nochmals eingegangen wird.

KMU brauchen Geld, sagt Michael Elsener während der Pandemie. Sein KMU ging immerhin nicht leer aus.

Zweitens: Das Geld wird auf mehrere Arbeitnehmende verteilt

Verteilt auf drei Festangestellte und rund zwanzig Freischaffende bleibt da nicht mehr soviel bei Michael Elsener selbst hängen. Zugegebenermassen kennt auch thurgaukultur.ch die genauen Zahlen nicht. Die Pointenbauer GmbH ist kein gemeinnütziger Verein und daher nicht verpflichtet die detaillierte Verwendung der Gelder publik zu machen.

Wird hypothetisch mit einem Stellenprozent von 300 Prozent gerechnet, wobei Michael Elsener selbst 100 Prozent, seine zwei Angestellten je zu 50 Prozenz und die freien Mitarbeitenden gesamthaft ein Pensum von 100 Prozent ausmachen würden, so blieben bei 350 000 Franken auf zwei Jahre verteilt rund 58 000 Franken brutto für eine 100 Prozent-Stelle im Jahr, d.h. 4833 Franken pro Monat (ohne 13. Monatslohn).

Das entspräche ungefähr dem Lohnniveau von Hilfsarbeitskräften, wobei dort die Frauen mit 4348 Franken pro Monat unter und die Männer mit 5356 Franken über dem Wert lägen (vgl. Bundesamt für Statistik 2020). Der von Peach Weber im Interview angesprochene Lehrerlohn, an dem er sich selbst orientierte, wäre noch weit unterschritten.

Auch Peach Weber machte während der Pandemie Videos. Natürlich gewohnt DIY und Low Budget.

Peach Weber und Michael Elsener in ganz anderer Lebenssituation

Da Peach Weber bereits pensioniert ist, kann er leicht von sich behaupten, er wäre sich “blöd dabei vorgekommen” Corona-Entschädigungen zu beantragen. Hätte er eine Firma mit Angestellten über Wasser zu halten, sähe das wahrscheinlich anders aus.

Peach Weber befindet sich als autonome One-Man Show, der sogar selbst zu seinen Auftritten fährt und alles möglichst einfach gestaltet, in einer ganz anderen Situation als eine aufwändigere Produktion mit mehreren Angestellten.

“Nachem Räägne” bringt den idiosynkratischen Humor von Peach Weber auf den Punkt. Mit einfachen Mitteln erzeugt er maximale Wirkung.

Über die Fördergelder in der Höhe von 189 064 Franken darf gestritten werden

Was Fragen aufwirft sind die Kulturfördergelder in der Höhe von 189 064 Franken für eine Comedy-Produktion. Dieser Bereich müsste eigentlich kommerziell genug erfolgreich sein, um nicht auf derart hohe Fördersummen angewiesen zu sein. (Sonst wären die Ausfallentschädigungen an die Pointenbauer GmbH auch nicht so hoch.)

Klar ging es bei den Transformationsgeldern darum, als Antwort auf die Pandemie digitale Formate zu stärken, und so hat die Pointenbauer GmbH mehrere Videos fürs Netz produziert. Die Produktionskosten waren bestimmt auch gross, das Geld floss nicht einfach in die Taschen von Elsener.

Zudem verfolgen die Videos einen gemeinnützigen Auftrag, nämlich auf humorvolle Weise zu informieren und Leute für politische Fragen zu begeistern.

Dennoch baut Michael Elsener mit diesen Videos seine Karriere aus. Wie er selbst in seinem Post auf Facebook als Antwort auf die Kritik schreibt, steht er oft alleine im Scheinwerferlicht, währenddessen das Team im Hintergrund wirkt.

Hier wäre es wohl doch gerechter und effizienter, stattdessen Kulturinstitutionen grosszügiger zu fördern, damit diese mit fairen Gagen und Honoraren eine breitere Anzahl Künstler:innen unterstützen können.

 

 

 

 

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