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von Sascha Erni, 29.05.2019

Auf der Suche nach dem Bücher-Groove

Auf der Suche nach dem Bücher-Groove
Tom Zai, Stephan Sigg und Alice Gabathuler am 24. April 2019 in Buchs | © Sascha Erni

Die Startphase ist schon bald um: Seit vier Jahren verlegen die Ostschweizer von «da bux» Jugendbücher, die einfach, aber nicht simpel sind.

Man trifft das Verlagsteam von da bux oft im Restaurant «Galerie am See» in Buchs an, so auch an diesem stürmischen Aprilnachmittag. «Das ist unser Aussenbüro», sagt Stephan Sigg. «Wir haben keine Verlagsräumlichkeiten, wir arbeiten in einem virtuellen Büro.» Die Verleger würden sich schon regelmässig treffen, betont er, aber praktisch kommunizierten sie fast nur schriftlich miteinander. «Das ist dann wie ein Dauerchat», ergänzt Alice Gabathuler, «oder eine Jam-Session.»

Autorinnen als Instrumental-Solisten

Alice Gabathuler, Stephan Sigg und Tom Zai sind «da bux». Vor vier Jahren gründeten sie den Jugendbuchverlag, «schleichend», wie Gabathuler sagt. Sie hätten immer mal wieder bilateral miteinander gesprochen, die Idee eines eigenen Verlags herumgereicht. Als es im Herbst 2015 konkreter wurde, setzten sie sich zusammen. «Wir haben das dann durchkalkuliert. Welche Kosten werden anfallen, welche Verkaufspreise können wir realistisch verlangen. Dann ist es sehr schnell sehr still geworden», lacht Gabathuler. Aber ihnen war als altgediente Büchermenschen auch klar: Auf uns wartet niemand. Also gingen sie die Sache an, da bux war gegründet. Der Name ist erklärungsbedürftig: da bux lehnt sich in einem Wortspiel ans englische «Books», aber auch an den St.Gallischen Verlagssitz «Buchs» an.

Die drei haben seit vielen Jahren mit Literatur zu tun. Alle sind sie erfolgreiche Jugendbuchautoren, Stephan Sigg arbeitet nebenbei als Redakteur, Tom Zai als Primarlehrer. Alice Gabathuler ergänzt ihr Einkommen mit Lesetouren und Schreibkursen. Die unterschiedlichen beruflichen Hintergründe ergänzen sich wie bei einem Rockkonzert. «Wir sind eine Buch-Band. Jeder spielt sein Instrument, aber zusammen grooven wir», fasst es Sigg zusammen. In diesem Sinne sind die Autorinnen und Autoren ihre Gastmusiker, die Instrumental-Solisten auf der Bühne. «Jeder kommt mal ins Rampenlicht», wie Sigg sagt.

Tom Zai und Stephan Sigg besprechen das Erscheinungsbild ihrer Bücher. Bild: Sascha Erni

«Inhaltlich müssen die Geschichten Jugendlichen auch etwas bieten können, keine Kindergeschichten erzählen»

Stephan Sigg, Mit-Gründer des Verlags da bux 

Auf der Terrasse halten Gäste ihre Sonnenhüte fest. Sand vom nahegelegenen Parkplatz weht über den Werdenberger See. Ein Föhnsturm zieht auf, der erste von vielen diese Saison. Auch bei da bux beginnt die Saison. Der Ostschweizer Kleinverlag gibt pro Jahr je eine Edition à vier Büchern heraus, keines umfangreicher als 60 Seiten. 60 Seiten Buch passen gut in einen Briefumschlag, vier Bücher akzeptiert die Post noch als Grossbrief. «Das ist praktisch, aber ein Zufall», grinst Tom Zai. Das Format ist dann auch tatsächlich etwas anderem als der Logistik geschuldet. Die Jugendbücher von da bux möchten leicht lesbar sein und wenden sich sowohl an Jugendliche mit einer Leseschwäche als auch Menschen, die Deutsch als Zweitsprache lernen.

Dabei sollen die Texte auch für intellektuell starke Jugendliche interessant bleiben. Das ist der Kern der Verlagsphilosophie von da bux: Oft sind Bücher, die für Menschen mit einer Leseschwäche verfasst werden, nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich simpel gehalten. Damit animiert man junge Erwachsene kaum zum Lesen. «Inhaltlich müssen die Geschichten Jugendlichen auch etwas bieten können, keine Kindergeschichten erzählen», sagt Stephan Sigg. «Einfache Bücher, die nicht einfach einfach sind.» Die drei lachen.

«Reine Jugendautoren sind in der Schweiz sehr rar»

Tom Zai, Mit-Gründer des Verlags da bux 

Die Themenwahl bei da bux ist dann auch tatsächlich aktuell. «Biohacker» des Thurgauer Autoren Severin Schwendener etwa beschäftigt sich mit Genmanipulation (siehe Rezension, unten). Mobbing, Internetsucht, aber auch Themen wie Sozialhilfe, Cyberkriminalität und natürlich auch Sex und Liebe spielen wichtige Rollen im Verlagsprogramm. «Genre- oder Themengrenzen stecken wir keine», sagt Alice Gabathuler, «aber die Qualität muss stimmen.» Modethemen oder Slang haben bei da bux einen schweren Stand, die Bücher sollen nachhaltig sein und Langfristigkeit ermöglichen. Dieses Jahr wird der Verlag 16 Bücher im Programm haben, alle genau so lieferbar, wie sie es beim Erscheinen waren. Auflagen einzelner Bücher zählt da bux nicht, alle Werke sollen wie die Musik in der persönlichen Mediathek ständig verfügbar sein. Aus Autorensicht sei die Buchwelt enorm schnelllebig. «Und das wollen wir nicht», ergänzt Gabathuler.

Die Nachwuchsförderung ist den drei Jungverlegern ein grosses Anliegen. Denn da die Bücher den Lesenden nicht nur thematisch, sondern auch geografisch und sprachlich nahe stehen sollen, kommen die meisten Jugendbuchautoren im deutschsprachigen Raum nicht in Frage. «Und reine Jugendautoren sind in der Schweiz sehr rar», erklärt Tom Zai. da bux fragt entsprechend aktiv Erwachsenenautoren an und hält die Augen nach Jungautoren offen, deren Stil den Verlegern gefällt. Blindbewerbungen könne der Verlag allerdings nicht akzeptieren, sind sich die drei einig. Dazu fehlt schlicht die Zeit, und das Verschicken von Standard-Absagen und Formbriefen sehen sie als unfair an. Solche haben sie wohl alle als Autorinnen und Autoren oft genug selbst erhalten.

Autorin Alice Gabathuler ist Gründungsmitglied, Verlegerin und Lektorin bei da bux. Bild: Sascha Erni

2019 als Meilen- und Prüfstein

Fühlt man sich nun mehr als Verlegerin oder mehr als Autor? «Leute fragen mich mittlerweile häufiger nach dem Verlag als nach meinen Büchern», schmunzelt Alice Gabathuler. Die drei zeigen sich freudig überrascht darüber, wie bekannt da bux mittlerweile geworden ist. Im Februar nahm da bux beim Jungunternehmerpreis der St. Galler Kantonalbank teil – und erreichte Platz 2 beim Publikumspreis. 1665 Personen gaben dem Kleinverlag ihre Stimme, nicht einmal 300 Stimmen trennten sie vom Sieger. «Das trägt uns», freut sich Stephan Sigg. «Die grosse Unterstützung und Neugierde auch ausserhalb unserer eigentlichen Zielgruppe? Das ist einfach nur toll.»

Das Timing hätte nicht besser sein können. Die drei Jungverleger führen jedes Jahr eine Standortbestimmung durch, aber jetzt, 2019, wird die Startphase des Verlags wie geplant abgeschlossen. Die Frage ist nun, wie man darauf aufbauen kann. «Wir sehen das Business nicht durch die rosarote Brille, sondern knallhart», sagt Alice Gabathuler, «aber auch mit viel Optimismus.»Der Optimismus scheint angemessen: «Erwischt» der da bux-Autorin Katja Alves ist eben erst für den Schweizerischen Jugendbuchpreis Bookstar 2019 nominiert worden. Und auch hier trifft da bux den Jugendnerv der Zeit: Es geht um Influencer im Web.

«Erwischt» von Katja Alves ist für den Bookstar 2019 nominiert. Bild: Sascha Erni

 

Rezension zu «Biohacker» von Severin Schwendener

Der Geschichtslehrer ist ganz verdutzt, als auf dem Whiteboard ein Nacktfoto aufblitzt. Bald stellt sich heraus, dass alle Rechner der Schule gehackt wurden. Ein Verdächtiger steht schnell fest: Božidar Arsić, genannt Bobo. Aber der will gar keine Computer hacken. Nein, mit den Biobüchern seines grossen Bruders, der an der ETH studiert, und einem CRISPR-Bausatz für 200 Franken hat Bobo ganz andere Ambitionen.


Der Jugendroman «Biohacker» des Thurgauers Severin Schwendener startet rasant. Gekonnt, in wenigen Worten und Szenen, zeichnet er seine Figuren und schickt sie auf eine dicht erzählte Reise irgendwo zwischen Kriminalroman, Entwicklungsgeschichte und Science-Fiction – und das alles in einem dünnen, handlichen Band, das geradezu danach verlangt, in der Hosentasche mitgenommen zu werden.

 

Das ist Teil des da bux-Konzepts – unhandliche Bücher bleiben liegen, statt gelesen zu werden. Auch in Sachen Layout setzt der Verlag alles daran, Lese-Hindernisse abzubauen. Über die vergangenen vier Jahren hat sich das Verlagsteam an eine visuelle Form herangetastet, die geübten Lesern ungewohnt erscheint: Flattersatz statt Blocksatz etwa, sehr viele Absätze, alle ohne Einzüge. «Das sieht vielleicht auf den ersten Blick nicht wie ein professionelles Buch aus», erklärt Verlegerin und Lektorin Alica Gabathuler unserer Redaktion, «aber es erhöht die Lesbarkeit für Jugendliche, die nicht oft lesen, enorm.»

 

Was alles Schwendener in die verlagstypischen 60 Seiten presst ist dann auch bemerkenswert. Der studierte Biologe spricht aus dem Nähkästchen der Gentechnologie, ohne dabei die Lesenden mit Jargon zu erschlagen. Er bleibt durchwegs plausibel – so möchte Bobo nicht gleich Supermutanten züchten und die Weltherrschaft an sich reissen, sondern hält sich an Biolumineszenz und Algen. So bleibt das Buch gleichzeitig leicht zugänglich und realistisch, lässt der Leserschaft aber auch genug Raum, die Fantasie spielen zu lassen.

 

«Biohacker» folgt dabei nur oberflächlich dem Horror-Topos des verrückten Wissenschaftlers. Das Buch spricht nicht wie so oft die Warnung aus: Sei nicht überheblich, kleiner Mensch! Schwendener geht es viel mehr um eine sich erst entwickelnde, noch formbare Persönlichkeit und die Frage nach der eigenen Identität und dem Platz in der Gesellschaft. Bobo ist dabei zwar formell der Protagonist, wir erleben die Geschichte aber öfter durch die Augen seiner Freunde Luca und Elea. Mit diesem Trick schlägt Schwenderer die Brücke zwischen Individuum und Allgemeinheit: Die Phase des Erwachsenwerdens ist für viele Jugendliche verstörend, manchmal gar verängstigend. Um «Biohacker» nachvollziehen zu können, muss man gar keine verrückten Experimente machen wollen. Es reicht, wenn der eigene Körper selbst Experimentierkasten spielt.

 

 Biohacker.Severin Schwendener. Buchs: da bux, 2018. ISBN 978-3-906876-10-8

Weiterlesen: Die weiteren Teile unserer Verlagsserie

In loser Reihenfolge porträtiert Sascha Erni für thurgaukultur.ch Kleinverlage aus der Ostschweiz. Bislang in dieser Reihe erschienen sind:

 

Vexer Verlag: Seit 1985 betreibt Josef Felix Müller den Vexer-Verlag – und sieht ihn auch als Kunstprojekt. Thurgaukultur besuchte ihn in St. Gallen. Zum Text.

 

Libelle Verlag: Zickzackflug und ein langsamer Abschied. Seit 39 Jahren führt das Ehepaar Ekkehard Faude und Elisabeth Tschiemer den Libelle-Verlag zwischen Lengwil und Konstanz. Nun ziehen sie sich aus dem Geschäft zurück. Zum Text

 

Triest-Verlag: «Ein klares Profil ist entscheidend»: Am 13. Dezember erschien die 18. Publikation bei Triest, dem jungen Ostschweizer Fachverlag für Design, Typographie und Architektur. Thurgaukultur war in St. Gallen zu Besuch. Zum Text

 

Signathur-Verlag: Sprachkunst vom Bodensee: Der Nischenverlag Signathur aus Dozwil fällt durch seine Vielseitigkeit auf. Er konzentriert sich nicht auf ein spezielles Thema, die Nische liegt in der Sprache an und für

sich. Zum Text

 

Die Reihe wird fortgesetzt. 

 

 

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