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von Brigitta Hochuli, 29.04.2014

Ebenso schön wie Zürich

Ebenso schön wie Zürich
Der vom Tessiner Architekten entworfene und von "Hochparterre" ausgezeichnete Kreuzlinger Hafenplatz | © Brigitta Hochuli

Der neue Sechseläutenplatz ist nicht nur wegen der Bööggverbrennung in aller Munde. Er wird auch von Fachleuten hoch gelobt. Wir finden, Kreuzlingens Hafenplatz verdiene genau so viel Aufhebens und fragen den Spezialisten Bernard Roth.

Interview: Brigitta Hochuli

Herr Roth, zurzeit findet der neu gestaltete Sechseläutenplatz in Zürich internationale Beachtung. In Kreuzlingen gibt es mit dem Hafenplatz einen ebenso schönen und im Baujahr 2003 mit einem Designerpreis ausgezeichneten Platz, der noch dazu den Bezug zum See schafft. Welcher Platz gefällt Ihnen als Architekt, Städtebauspezialist und Mitglied der städtischen Kunstkommission besser?

Ich kenne den neu gestalteteten Sechseläutenplatz in Zürich leider nur von Publikationen. Jetzt, da er fertiggestellt ist, werde ich ihn aber so bald als möglich besuchen, wenn er wieder frei von Festhütten ist. Ich bin sehr gespannt, wie diese grosse Freifläche im Stadtraum wirkt. Ein Vergleich mit dem Kreuzlinger Hafenplatz ist daher für mich noch verfrüht. Generell ist jedoch festzuhalten, dass der Kreuzlinger Hafenplatz bedeutend kleiner dimensioniert ist und keinen direkten Bezug zur urbanen Bebauung hat.

Was zeichnet ihn in Ihren Augen aus?

Der Kreuzlinger Hafenplatz hat den sehr weiträumigen Seeanlagen eine neue Mitte gegeben. Mir gefällt die klare Orientierung zum Hafenbecken und zum See. Der grosszügige Gestus und der Mut zur Leere geben den Kreuzlinger Seeanlagen eine Stück Stadtambiente. Im Jahre 2003 waren wir der Stadt Zürich in dieser Beziehung voraus. Meiner Meinung nach wurde der Hafenplatz damals zu recht mit dem «Bronzenen Hasen»* ausgezeichnet und er verdient dieses Prädikat auch noch nach elf Jahren. Es wäre schön, wenn die Stadt Kreuzlingen mit derselben kreativen Haltung die aktuellen städtebaulichen Themen im Stadtzentrum angehen würde!

Den Horror vacui scheinen die urbanen Menschen in Zürich nicht zu kennen. Auf dem ganzen Platz verteilt setzen sie sich in kleinen Grüppchen zusammen. In Kreuzlingen scheint das nicht zu funktionieren. Hier gehen die Menschen den Rändern entlang. Warum ist das so?

Ich würde die Angst vor der Leere in diesem Fall nicht überbewerten. Der Kreuzlinger Hafenplatz hat rundherum viele attraktive Sitzgelegenheiten und ist schlicht zu klein, als dass die Notwendigkeit bestünde, auch noch in der Mitte Aktivitäten zu initiieren. Die Mitte wird im Übrigen von einem Brunnen gut besetzt und ist zumindest für Kinder eine beliebte Spielgelegenheit.

In Zürich wird der Sechseläutenplatz zu fast der Hälfte des Jahres mit Events bespielt, sodass man dann nicht mehr viel von ihm als Freifläche hat. In Kreuzlingen passiert auf dem Hafenplatz eigentlich gar nichts. Und die Menschen scheinen lieber ins Gewühl der Konstanzer Hafenmeile zu fliehen. Würde ein bisschen Belebung dem Kreuzlinger Platz nicht gut tun?

Man kann einen schönen Platz durch zu viele Aktivitäten und durch Übernutzung auch kaputt machen. Das Problem des Kreuzlinger Hafenplatzes liegt meiner Meinung nicht in der Mitte, sondern eher an den Rändern. Es wäre zu wünschen, dass sich die anschliessenden Gastronomiebetriebe - also das Hafenrestaurant und die Minigolfanlage - vom grosszügigen Ambiente des Hafenplatzes anstecken liessen und sich nicht immer mehr zu provinziellen Hüttendörfern entwickelten.

Keine Besserung in Sicht?

Doch. Mit der Umgestaltung der Promenade nach Konstanz und des grossen Kiesplatzes nördlich des Hafenbeckens kann auch die Stadt Kreuzlingen etwas dazu betragen, dass sich die Kreuzlinger Seeanlagen gut weiter entwickeln. Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, dass für das ganze Seeareal grossräumige Konzepte zum Thema Licht und Skulpturenpark entwickelt werden könnten. Wir haben in der Kunstkommission schon darüber gesprochen. Hier hätte die Stadt Kreuzlingen zumindest flächenmässig das Potential Zeichen zu setzen, die weit über den Bodenseeraum ausstrahlen könnten. Solche Chancen gilt es zu nutzen!

 

* Der Kreuzlinger Hafenplatz wurde vom Tessiner Landschaftsarchitekten Paolo Bürgi entworfen und 2003 vom Schweizer Fernsehen und von der Fachzeitschrift für Architektur und Design „Hochparterre“ mit dem „ Bronzenen Hasen“ ausgezeichnet.

 

Bernard Roth

Bernard Roth (1955) ist in Arbon aufgewachsen und betreibt seit 1987 zusammen mit Andreas Imhof das Kreuzlinger Architekturbüro air architekten. Roth war von 1989 bis 2005 Vorstandsmitglied der Thurgauischen Kunstgesellschaft und ist seit 1998 Mitglied der Kunstkommission der Stadt Kreuzlingen. (ho)

 

KOMMENTAR *

 

Katharina Alder ・vor 3 Jahren

 

Hm, da muss ich widersprechen. Ganz generell haut mich der Kreuzlinger Hafenplatz nicht aus den Socken, ich finde ihn eher trostlos. Aber vielmehr als das muss ich sagen, dass der Sechseläuten-Platz gigantisch ist, ein Vergleich zu ersterem geradezu absurd.

 

Ich bin vor zwei Wochen über Mittag dort gewesen, die Sonne strahlte vom Himmel, hunderte von Menschen sassen direkt auf den Platten in Kreisen, auch Business-Leute in Anzügen. Die Atmosphäre, die von diesem Ort ausgeht, fährt einem durch alle Knochen und es hat mir beim Anblick des ganzen Platzes mit dem Opernhaus im Hintergrund vor Rührung die Tränen in die Augen getrieben. Ich wusste nicht, dass mich ein Platz dermassen berühren kann. Ein absoluter Wahnsinn, wirklich!

 

* Seit März 2017 haben wir eine neue Kommentarfunktion. Die alten Kommentare aus DISQUS wurden manuell gezügelt. Bei Fragen dazu melden Sie sich bitte bei sarah.luehty@thurgaukultur.ch.

 

 

 

 

 

 

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