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von Brigitte Elsner-Heller, 30.10.2017

Geh’n ma halt a bisserl unter

Geh’n ma halt a bisserl unter
Untergang leicht gemacht: Das Theagovia Theater zeigt, wie lustig das Weltende sein kann. | © Markus Bauer

Stellen wir kritischen Geister uns mal vor, die ultimative Gaudi sei der Weltuntergang. Gut geht das allemal mit dem Theagovia Theater.

Von Brigitte Elsner-Heller

Wenn das nur so einfach wäre mit der Weltformel! Ein bisschen Pi-Quadrat, die Formel etwas verlängert um Zeit und Raum – und schon wäre alles in Ordnung. Das Weltall ginge unter der Ägide des großen Weltenlenkers weiter getrost seiner Wege, und die Erde bliebe der wunderschöne blaue Planet, als den ihn die ersten Raumfahrer zu sehen bekamen. Bilder, von denen der österreichische Autor Jura Soyfer (1912-1939) allerdings noch nichts ahnen konnte, als er 1936 sein Stück „Der Weltuntergang“ auf die Bühne brachte. Ansonsten ahnte der politisch links stehende jüdische Kabarettist aber wohl allerhand, als er die Erdenbürger mit Wiener Schmäh ins Visier nahm.

Weltuntergang heute

Das Theagovia Theater griff nun zu, bediente sich in „gangunterwelt“ unter der Regie von Michaela Bauer der durchaus merkwürdigen Handlung des Stückes, reicherte es mit Balladen, Lyrik und allerlei munterer, vorzugsweise volkstümlicher Musik an, um daraus einen Theaterabend zu gestalten, der bei allem Ernst der Lage doch alles andere als ernsthaft ausfällt. Viel hilft hier tatsächlich viel, denn im lauten und lebhaften Spiel des bunten Ensembles geht es in erster Linie darum, durch Überzeichnung ins Lächerliche zu ziehen. Wobei der sogenannte „kleine Mann“, der natürlich erstens auch Frau sein kann (die Mehrzahl der Darstellenden sind im Übrigen Frauen), zweitens gar nicht unbedingt so klein, weil auch masslos und gefährlich sein kann, am Ende noch einmal mit einem blauen Auge davonkommt.

In Reih und Glied Richtung Ende.

In Reih und Glied Richtung Ende. Bild: Markus Bauer

Doch langsam. Wir bekommen es bei „gangunterwelt“ gleich mit einem ganzen Universum zu tun, das auf die Bühne des Theaterhauses Weinfelden passen muss. Acht Segel ragen aus dem Boden wie die Spitzen von Eisbergen, in der Mitte eine Leiter, die man – ein kindliches Staunen vorausgesetzt – als Himmelsleiter interpretieren kann. Auf jeden Fall steht auf ihr ein Wesen, das wohl irgendwie verantwortlich zeichnet für den Lauf der Dinge. Und hier trifft, inmitten der Sternengemeinschaft, die Meldung ein, dass jetzt seit etwa zehntausend Jahren etwas mit der Sternenharmonie nicht stimme. Der Verursacher ist auch schon ausgemacht, es ist die Erde mit ihren Menschen. Die Massnahme fällt klar und unterbittlich aus: Ein Komet wird beauftragt, sich auf den Weg zu machen und die Menschheit auszulöschen.

Dann regen wir uns mal gar nicht auf

Auf der Erde herrscht unterdessen geschäftiges Treiben, oder sagen wir: Jeder wuselt vor sich hin, zumeist auf den eigenen Vorteil bedacht. Doch sogar hier wird der Lauf der Dinge von der Nachricht unterbrochen, dass ein Komet sich nähere. Sehr erheiternd, wie Kommentatoren die Nachrichten in den unterschiedlichen Ländern verbreiten. Souverän reagieren die USA, die ohnehin alles im Griff haben; aufgeregt hört sich der italienische Kommentar an, betont sachlich der deutsche. Dann vielleicht ein bisschen Rätoromanisch (?), schliesslich die bodenständige Schweizer Reaktion in einer volkstümlichen und einer noch volkstümlicheren Variante, bei der es im Wesentlichen darum geht, wie sich das auf das Eierlegen bei Hühnern auswirkt.

Spätestens hier ist das Publikum von Stück und Inszenierung gefangen genommen. Doch es kommt noch besser, denn mit Dr. Licht, dem Wissenschaftler, der das ganze Ausmass der sich anbahnenden Katastrophe sieht und eine Maschine erfunden hat, die mit dem Kometen fertigwerden soll (und die sehr einem alten Staubsauger gleicht), geht die Reise zu unterschiedlichen Potentaten, die als Geldgeber infrage kämen. Die Queen mag die Dringlichkeit des Anliegens nicht so recht verstehen, verabschiedet sich das Land doch ohnehin gerade von allem. Und der Diktator, dessen Garde so wunderbar bellt wie er selbst, ist zwar vom Atomantrieb der Maschine begeistert, mag sich fremden Ideen aber nicht beugen. Dann noch ein Herrscher westlicher Couleur, der gerne Reden hält und sich durchaus auch in der Gegenwart zunordnen liesse. Wunderbares humoristisches Highlight des Abends ist allerdings der Grosse Nuru, dieser orange angehauchte Guru mit seiner ihn anbetenden Gemeinde. Auch das Publikum kauft willig einige „Tullis“, die mit Nachdruck für „nuru einen Franken“ angeboten werden: „Ich appeliere an Ihre Grossstadtintelligenz“.

Humoristischer Höhepunkt: Der Grosse Nuru und seine ihm ergebene Gemeinde. Bild: Markus Bauer 

Ende gut. Alles gut?

Das Volk versucht sich durchzuschlagen, etwa das Haus rechtzeitig zu verkaufen und noch eine letzte Schönheits-OP durchzuziehen, um eine schöne Leiche abzugeben. Mit Liedern wie „Geh'n ma halt a bisserl unter“, die live dargeboten werden. Doch die Ereignisse überschlagen sich, das Internet geht nicht mehr (!), und die Mächtigen dieser Erde verabschieden sich, um die Erde via Raumschiff zu verlassen – aus Verantwortung, versteht sich. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Ein erheitertes Publikum verlässt schliesslich den Saal. Dass die Erde in letzter Sekunde vor dem Untergang gerettet wurde, hier ist es folgerichtig. Ob sich der Komet gedacht haben mag, dass wir Irdischen es eines Tages vielleicht doch mal besser hinkriegen? Naja.

Spieler: Cornelia Blask, Walli Graulich, Corina Keller, Manfred Küttel, Babs Lüthi, Andi Metzger, Evelyn Nager, Bassi Schneider, Christine Steiger, Walter Strasser, Patricia Venturini, Desirée Wenger; Musik: Gaby Wunderlich, Thomi Erb.

Termine: Weitere Aufführungen bis 2. Dezember. www.theaterhausthurgau.ch 

Geh’n ma halt a bisserl unter,
Mit tsching-tsching in Viererreihn.
Immer lustig, fesch und munter,
Gar so arg kann’s ja net sein.
Erstens kann uns eh nix g’schehn,
Zweitens ist das Untergehen
’s einzige, was der kleine Mann
Heutzutag sich leisten kann.
Drum geh’n ma halt a bisserl unter,
’s is riskant, aber fein!
Jura Soyfer: Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang, 1936

 

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