von Brigitte Elsner-Heller, 02.08.2022
«Wir mögen gut erzählte Geschichten.»
„Der Graf von Monte Christo“ kommt in den Greuterhof in Islikon. Als Sommerproduktion der Theaterwerkstatt Gleis 5 bringt Regisseur Noce Noseda den unschuldig Verurteilten, der zum Rächer wird, auf die Bühne. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
Das Château d'If liegt auf einer Felseninsel vor Marseille. Wenn das Meer dann in der Sonne glitzert und Schiffe auslaufen, kann schon Fernweh aufkommen. „Normales“ Fernweh von Touristen. Denn die Festung wurde ab dem 16. Jahrhundert als Gefängnis genutzt und galt – wie Alcatraz vor San Francisco – als ausbruchsicher. Wer zu Festungshaft verurteilt wurde, für den hatte „Fernweh“ eine andere Bedeutung. Beides sind emotionsgeladene Orte, die immer wieder dazu inspirierten, Geschichten zu erzählen.
Zum Klassiker der französischen Literatur wurde „Der Graf von Monte Christo“ von Alexandre Dumas. Geschrieben wurde der „Pageturner“ 1844 – 1846 als Fortsetzungsroman, der in der Zeitschrift „Le journal des débats“ erschien.
Durch den sich einstellenden Erfolg kam es bald zu Nachdrucken, und der Roman um den unschuldig verurteilten Seemann Edmont Dantès, dem spektakulär die Flucht vom Château d'If gelingt und der als Graf von Monte Christo zum Rächer an den Männern wird, die ihn verleumdet haben, wurde immer länger.
„Ich bin auch nicht schlauer als die anderen, ich habe keine Botschaft.“
Noce Noseda zu seiner Rolle als Dramaturg und Regisseur. (Bild: Brigitte Elsner-Heller)
„Er nimmt kein Ende, dieser Roman“, sagt Noce Noseda, der sich als Dramaturg der jetzigen Theaterfassung intensiv mit den (je nach Fassung und Übersetzung) etwa 1500 Seiten auseinander gesetzt hat, und zwar in italienischer wie deutscher Übersetzung.
Mehrmals hatte er den Roman in seinem Leben schon gelesen, und der Reiz, ihn für die Bühne zu adaptieren, war über die Jahre gewachsen. „Es ist eine gute, spannende Geschichte, und wir mögen gut erzählte Geschichten“, erklärt er zu der Faszination am Stoff, die ihn auf diese „Schnapsidee“ brachte.
Noseda hat sich dann offenbar selbst überrumpeln müssen, denn zu Beginn des Projekts wurden schon einmal fünf Schauspieler:innen engagiert, erst dann nahm die Theaterfassung konkret Gestalt an. „Sonst kann man das nicht machen“, schmunzelt Noseda rückblickend.
Den Roman lesen? Lieber nicht, rät der Regisseur
Den Schauspieler:innen hat er von vornherein geraten, den Roman nicht zu lesen. Nicht nur wegen der grossen Zahl an Figuren und Handlungssträngen. Es gebe zudem dramaturgische Fehler, und nicht alle Handlungsstränge würden miteinander verflochten. „Und die Dialoge sind unmöglich“, sagt der Theatermacher, der auch Regie führt.
So hat er gestrichen „wie noch nie“, wie er sagt. Und das, obwohl ein Teil der Schönheit der Geschichte gerade auch in ihrer Komplexität liege. Die wird aber wohl nicht verloren gehen.
Denn ca. 40 Figuren des Romans werden von den lediglich fünf Schauspieler:innen dargestellt, was ausreichend Leerstellen setzt für eigene Imagination – zumal die Darsteller ihre Figuren auch noch ständig wechseln. Alle sind so nicht nur in der Rolle von Erzähler oder Darsteller, sondern quasi immer Teil von allem.
Das Stück in 11,5 Minuten: Darum geht es
Aktuelle Bezüge? Muss nicht immer sein
Ohne dabei explizit historisierend zu arbeiten, werden dabei doch Kostümteile weitergegeben, ebenso werden Körpersprache und Sprachrhythmus angepasst.
Das verspricht „schnelle Schnitte“ und damit Tempo und Spannung. Eine Herausforderung für die Darstellenden, die anfangs schon auch mit dem „who is who?“ bei Dumas zu kämpfen hatten, wie Noseda berichtet.
Während die Schauspieler und Schauspielerinnen gerade eine Auszeit haben, bevor es im Greuterhof mit der Übung in Liebe, Hass, Verrat und Mord weitergeht, gerät Noce Noseda im Gespräch ins Philosophieren, was seine Arbeit beim Theater ausmacht.
Ein Stück ohne Hautptrolle
Dass in dieser Inszenierung keiner eine Hauptrolle hat – auch die Figur des Grafen wechselt ständig – , ist ihm angenehm, denn für ihn ist der Ensemble-Gedanke zentral. Zudem ist er der Auffassung, dass Theater nicht immer mit aktuellen Bezügen arbeiten müsse. Geschichten zu erzählen sei etwas, das dem Menschen grundsätzlich eigen sei, und das allein genüge schon, eine gut erzählte Geschichte auf die Bühne zu bringen.
Zu seiner Rolle als Regisseur erklärt er:„Ich bin auch nicht schlauer als die anderen, ich habe keine Botschaft.“ Was heute mehr denn je zähle, sei die kollektive Erfahrung, wieder mit dem Publikum zusammen zu sein. Wenn das mal nicht doch eine Botschaft ist.
Musik wird live zur Aufführung gespielt
Am Donnerstag, 11. August 2022, ist im Greuterhof Premiere. Dann wird Edmond Dantès verraten, eingekerkert, flüchtet, wird reich. Sein ist die Rache. Das Spiel wird ganz auf die Schauspieler:innen konzentriert, das Bühnenbild ist reduziert auf einen einfachen Bretterboden.
Als emotionaler Spannungsträger fungiert im Hintergrund die Musik, die Morten Qvenild wie Filmmusik angelegt hat und live performt. Es spielen Suramira Vos, Christina Spaar, Florian Steiner, Josef Mohamed und Joe Fenner. Eine „Schnapsidee“ wird das dann wohl nicht gewesen sein.
Alle Aufführungstermine & Ticketvorverkauf
Die Premiere findet am Donnerstag, 11. August, statt. Weitere Aufführungen:
Freitag, 12. August
Samstag, 13. August
Dienstag, 16. August
Mittwoch, 17. August
Donnerstag, 18. August
Freitag, 19. August
Samstag, 20. August
Dienstag, 23. August
Mittwoch, 24. August
Donnerstag, 25. August
Freitag, 26. August
Samstag, 27. August
Beginn, jeweils 20:15 Uhr
Tickets (48 Franken) gibt es über die Website der Theaterwerkstatt Gleis 5
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