von Brigitta Hochuli, 05.06.2013
25 Jahre Frohsinn in Weinfelden
Am Wochenende werden Genossenschaftsbeiz und Kulturverein gebührend gefeiert. Mit Pauken und Trompeten, mit „Traktorkestar“, mit Gabriel Vetter, mit einem Brunch und einer Tischaktion. Die Kombination von Kultur und Beiz sei eine Symbiose mit viel Potenzial, sagt Vereinspräsidentin Katharina Alder. „Sowohl für grandiose Abende, als auch für Reibereien.“
Interview: Brigitta Hochuli
Frau Alder, Sie sind mit 28 Jahren noch zu jung, um die Anfänge des „Frohsinns“ vor 25 Jahren aktiv miterlebt zu haben. Können Sie die Entwicklung von der Idee bis heute trotzdem charakterisieren?
Katharina Alder: Aus der einstigen linksalternativen „Chnele“, in der durchaus auch mal mit Zigarettenstummeln im Mundwinkel serviert wurde, ist ein warmes, professionell geführtes Speiserestaurant geworden. Dabei besticht dieses durch hochwertige, biologische Lebensmittel, die übrigens strengsten Kriterien gerecht werden, durch sehr faire Preise, einen lauschigen Garten und einen Platz für Kinder.
Der „Frohsinn“ wird von einer Genossenschaft und einem Kulturverein aber auch als Kulturbeiz betrieben. Bewährt sich diese Form? Wie funktioniert das eigentlich?
Katharina Alder: Es ist eine Symbiose mit viel Potential, sowohl für grandiose Abende, als auch für Reibereien. Das Hauptproblem ist, dass Kultur und Gastronomie aneinander vorbeikommen müssen. Situationen, in denen die Kulturvereinler wegen einer knatternden Kaffeemaschine während des tiefgründigsten Moments des Künstlers aus ihren Stühlen schrecken, gibt es immer wieder. Zudem macht uns ab und an die sehr beschränkte Zahl von 80 Plätzen zu schaffen. Trotzdem überwiegen die Vorteile für beide Seiten klar.
Inwiefern?
Katharina Alder: Wir vom Kulturverein können den Künstlern eine ungewöhnliche Lokalität mit hervorragender Akustik bieten. Der unmittelbare Austausch zwischen Bühne und Publikum ist einmalig. Ich meine: Wann sind Sie schon mal Simon Enzler während seines Programms praktisch auf dem Schoss gesessen? Das Restaurant profitiert insofern, als dass die Veranstaltungen gute Werbung sind und, wenn alles wie geplant läuft, die Hütte zum Bersten voll ist. Was sich wiederum in der Zahl der Getränke- und Essenskonsumationen niederschlägt.
Sie sind für das Kulturprogramm des Vereins seit drei Jahren zuständig und seit diesem Jahr auch Präsidentin. Wo setzen Sie die Schwerpunkte?
Katharina Alder: Wir wollen eine Durchmischung von lokalen und nationalen Künstlern, dies vor allem in den Sparten Musik und Theater/Cabaret. Dabei haben wir immer den Anspruch, erstklassige Leute zu engagieren. Glücklicherweise kommen fast alle einer Anfrage nach, meistens zu frohsinntauglichen Konditionen. Das freut uns unheimlich. Andererseits mache ich mich aber auch furchtbar unbeliebt. Wir kriegen zahllose Spontanbewerbungen, von denen ich bisher wahrscheinlich etwa zwei berücksichtigt habe. Ich bin da ziemlich garstig.
Der „Frohsinn“ dient auch als Ausstellungsraum. Unter dem Stichwort „Kunst“ fordern Sie die Nutzer Ihrer Webseite auf, über die Bedeutung von Kunst mitzudiskutieren. Was bedeutet Kunst für Sie persönlich?
Katharina Alder: Kunst - und damit meine ich nicht nur bildende Kunst, denn davon habe ich leider nicht so viel Ahnung wie von Theater und Musik - ist für mich einer der wichtigsten Aspekte im gesellschaftlichen Leben, auch wenn diese Ansicht leider von vielen Menschen so nicht geteilt wird. Sie bietet in so vielen Genres wie Musik, Theater, Literatur, Malerei einen Raum, um mit sozialen, gesellschaftlichen und politischen Themen umzugehen, sie zu verarbeiten und auf abstrakte Weise zu diskutieren. Ganz wichtig dabei ist, dass man der Kunst nicht einfach nur Unterhaltungswert abverlangen kann. Sie soll auch anstrengend sein, denn nur so erhalten wir uns die Fähigkeit zu beobachten, zu analysieren, zu kritisieren und somit auch Neues zu entdecken und Bestehendes weiterzutreiben. Gerade im Thurgau bräuchte es dafür einen neuen Kulturdiskurs, sonst läuft man Gefahr, dass irgendwann alle vor sich hin eiern und auf der Stelle treten.
Das Jubiläum „25 Jahre Frohsinn“ feiern Sie drei Tage lang „mit Pauken und Trompeten“, wie es auf dem fröhlich gestalteten Programmflyer heisst. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Katharina Alder: Jaja, ich hab da meine ganze Fröhlichkeit hineingepustet... Ich freue mich auf festfreudige Menschen, auf die brillant gespielte Musik von „Traktorkestar“ und die bestimmt wahnsinnig lustigen Texte von Gabriel Vetter. Zudem blicke ich meinem eigenen Auftritt in der Band T-Squad mit Aufregung und zugegebenermassen auch mit ein bisschen Bauchweh entgegen. Mit meiner Geige und einem Suboktavierer ersetze ich den ausgefallenen Sousaphonisten. Ein fast schon zum Scheitern verurteiltes Experiment.
Das wollen wir doch nicht hoffen! Das Programm ist insgesamt nämlich sehr attraktiv! Gibt es überhaupt noch Karten fürs Veranstaltungszelt und Plätze im Restaurant?
Katharina Alder: Ja, die gibt es. Wir hatten mal wieder mehr Glück als Verstand und feiern dank eines grossen Missverständnisses nicht am vergangenen, sondern am nächsten Wochenende. Wir geniessen somit schönstes Sommerwetter. Wir öffnen die Seitenwände des Zelts und haben daher ganz viel zusätzlichen Platz für interessierte Zuhörer, denn Gabriel Vetter war schon beinahe ausverkauft!
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