von Sascha Erni, 09.06.2016
Eisen im Paradies
Unter dem Motto „Magische Maschinen“ zeigte das Team um die Leiterin Franziska Eggimann im Klostergut Paradies Schätze aus dem Konzernarchiv der Georg Fischer AG und der Sammlung der Eisenbibliothek. Ein Gespräch mit Florian Ruhland, dem Bibliothekar der Eisenbibliothek.
Sascha Erni
Die Eisenbibliothek im Klostergut Paradies (Schlatt) ist ausserhalb von Fachkreisen nur wenig bekannt. Dabei bietet die Stiftung Eisenbibliothek zusammen mit dem Konzernarchiv der Georg Fischer AG auch einem weiteren Publikum verschiedenste Angebote: Seit 1948 sammelt die Bibliothek neue und alte Literatur zu Technik, Werkstoffkunde, Industrie, Wissenschaft und Praxis, total gegen 45’000 Bücher und 800 Periodika - aber die Eisenbibliothek unterstützt ebenso die Pflege des kulturellen und historischen Erbes unserer Gesellschaft. Zum Beispiel am 5. Juni 2016 mit einem Tag der offenen Tür. Thurgaukultur sprach mit Florian Ruhland, seit 2013 wissenschaftlicher Bibliothekar der Eisenbibliothek. Oder wie er es beschreibt: „Ein Schreibtisch im Paradies. So einfach ist das.“
Engagiert: Florian Ruhland, wissenschaftlicher Bibliothekar der Eisenbibliothek. Bild: Sascha Erni
Herr Ruhland, wie war Ihr Sonntag?
Florian Ruhland: Grossartig. Pünktlich um 5 Minuten vor 13 Uhr fanden sich die ersten Besucher vor der Tür der Eisenbibliothek ein. Sowohl für die Gäste als auch für uns Mitarbeiter war es ein Vorteil, dass sich der Besucherstrom über die gesamte Öffnungsdauer verteilte und nicht auf einmal eine riesige Gruppe in der Tür stand. Denn um einen ungestörten Blick auf die ausgestellten Bücher und Archivdokumente werfen zu können, sollte die Anzahl der Besucher, die sich gleichzeitig in den Ausstellungsräumen aufhalten, nicht übermässig gross sein.
Wie entstand überhaupt die Idee, einen Tag der offenen Tür zu veranstalten?
Tage der Offenen Tür sind ja ein klassisches Angebot mit dem Ziel, auch ein Publikum anzusprechen, das sonst nicht unbedingt in eine Bibliothek kommen würde. Die Schwelle sollte so niedrig sein, dass sich zum Beispiel auch Familien mit kleineren Kindern angesprochen fühlen. Also Menschen, die sonst nicht zu unseren Zielgruppen im engeren Sinn gehören. Das Publikum war dann am Sonntag auch schön durchmischt - vom zweijährigen Kind bis zum pensionierten ETH-Professor. Zu sehen, dass Kinder Freude an unserer Bibliothek haben, war ein besonders toller Moment. Und den Besuchern beim Herumtüfteln an unserem Tag-der-Offenen-Tür-Quiz zuzusehen und Ihnen bei der Suche nach den richtigen Lösungswörtern helfen zu können? Das machte auch mir sehr viel Freude.
Sie erwähnten die Zielgruppe - die Eisenbibliothek hat in Fachkreisen einen ausgezeichneten Ruf, aber ist eigentlich keine klassische Publikums-Bibliothek oder gar ein Museum.
In erster Linie ist die Eisenbibliothek eine lebendige Arbeits-Bibliothek mit langer Tradition und grossartigen historischen Beständen. Diese Bestände wachsen laufend, die Dienstleistungen werden weiterentwickelt. Die Bibliotheksbenutzung richtet sich damit in erster Linie an ein akademisches Fachpublikum, an Hobbyforscher und an Kolleginnen und Kollegen im Georg-Fischer-Konzern. Wir können und wollen nicht einer Stadtbibliothek Konkurrenz machen. Auch sind wir in der Eisenbibliothek keine Museumsleute oder Kuratoren, sondern Archivarinnen, Bibliothekare, studentische Mitarbeiterinnen und Praktikanten.
Aber: Dadurch, dass wir einen sehr reichen Bestand an alten, wertvollen und schönen Büchern besitzen, bietet sich die Möglichkeit, auch einem Nicht-Fachpublikum diese Schätze näherzubringen und für den einen oder anderen „Wow!“-Moment zu sorgen. Wir bieten das ganze Jahr über Führungen für jedermann an. Und nicht zuletzt befinden wir uns in einem sehr attraktiven Gebäude. Das ehemalige Klarissenkloster Paradies ist auch historisch und architektonisch interessant.
Unter den Augen der ehemaligen Präsidentin des SBVV Marianne Sax (erste von links) zeigt Florian Ruhland eines seiner Exponate. Bild: Sascha Erni
Neben den Ausstellungsstücken zeigten Sie aufwendige, virtuelle Rekonstruktionen der Maschinen des Ingenieurs Salomon de Caus: die Gäste konnten zum Beispiel Feuerspritze, Horizontalbohrer, aber auch die Vogel-Kauz-Maschine über ein Tablet zum Leben erwecken.
Wir wollten unseren Besucherinnen und Besuchern Appetit auf die einfallsreichen, zum Teil auch verwunderlichen Maschinen machen, die sich in der Eisenbibliothek und im Konzernarchiv finden lassen. Wir rezyklierten Teile von Ausstellungen, die 2008 in Heidelberg und 2010 in Bad Dürkheim stattgefunden haben. Schon damals standen die Maschinen von Salomon de Caus aus dem frühen 17. Jahrhundert im Mittelpunkt. Der aus der Normandie stammende Ingenieur hatte solche Maschinen in seinem Buch „Les Raisons des Forces Mouvantes“ beschrieben. Aber in Bild und Text bleibt die Funktionsweise zumindest Nicht-Technikern in vielen Fällen verborgen. Der Karlsruher Ingenieur Rüdiger Mach hatte entsprechend die 3D-Animationen für die Ausstellung in Heidelberg entwickelt und jetzt für die Eisenbibliothek noch einmal überarbeitet - wir haben diese Präsentationen erworben, um sie auch in Zukunft auf Führungen durch die Bibliothek zeigen zu können.
Trailer zur Ausstellung „Magische Maschinen“ in Heidelberg, 2008. (www.salomondecaus.de)
Dann wird es neben den Führungen, die Sie auf Voranmeldung durchführen, auch weitere Publikumsanlässe geben?
Absolut - die Eisenbibliothek ist ja keine geschlossene Gesellschaft sondern öffentlich zugänglich. Wir richten laufend Veranstaltungen aus. Die „Technikgeschichtliche Tagung“, die sich jedes Jahr im November an ein Fachpublikum richtet, spielt zwar eine Hauptrolle in unserem Arbeitsjahr; 2016 findet die Tagung immerhin bereits zum 39. Mal statt. Daneben gibt es aber immer auch andere Aktionen wie die Lesungen im Rahmen des Literaturfestivals „Erzählzeit“. Und, eben: der Tag der Offenen Tür. Wir versuchen, ihn jeweils unter ein ansprechendes und eher ungewöhnliches Motto zu stellen. Dieses Jahr mit „Magische Maschinen“, beim letzten Mal fand er am Muttertag statt und musste daher fast zwangsläufig „Iron Ladies“ heissen. Das Motto soll neugierig machen, aber auch einen ganz seriösen Bezug zu unseren Beständen herstellen. Ich denke, das wird uns auch das nächste Mal gelingen.
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