von Philipp Bürkler, 05.02.2016
«Die Swing Kids sind wie Familie»

Der Romanshorner Jazz-Musiker Dai Kimoto ist Bandleader des Swing Kids-Orchesters. Er ist zurzeit ziemlich beschäftigt. Er fliegt spontan nach Japan. Und dann kommt er bald auch noch ins Kino in einem Film, den sein Sohn über ihn gemacht hat.
Eigentlich hat er fast keine Zeit. Er nimmt sie sich aber für den Besuch von thurgaukultur. Dai Kimoto fliegt morgen nach Japan. Jetzt muss noch alles gepackt und erledigt werden, was es eben noch zu erledigen gibt. Zu erledigen gebe es auch in Japan einiges, sagt er. Deshalb fliege er hin, in seine Heimat Japan. Nach Kurashiki, zwischen Hiroshima und Osaka, wo er geboren wurde.
Fast wäre er in Japan Profi-Baseballspieler geworden. Dann hat er sich aber doch für die Musik entschieden. Für den Jazz und seine Trompete. Mit 25 verlässt er seine Heimat und zieht nach London. Klar, welcher Jazzmusiker mit Profiambitionen hätte damals nicht nach London wollen? Swinging London war für Musiker und Jugendliche in den Sechziger- und Siebzigerjahren «the place to be».In der britischen Hauptstadt spielte er in verschiedenen Bands, unter anderem beim berühmten Bandleader Tony Evans. 1979 machte Kimoto rein zufällig Ferien in der Schweiz. Er war damals 30 Jahre alt. Die Ferien haben ihm offenbar so gut gefallen, dass er bis heute in der Schweiz geblieben ist.
"Wir sind wie eine Familie"
Der Musikpädagoge, Trompeter und Komponist aus Romanshorn ist international vor allem durch seine Verdienste als Bandleader der Swing Kids bekannt. 14 Kinder und Teenager stehen zusammen auf der Bühne. Das jüngste Mitglied ist knapp zehn Jahre alt, das älteste 18.
Wer 18 ist, muss die Band verlassen. «Die Jugendlichen müssen nicht ewig bei uns sein, sie sollten irgendwann ihren eigenen Weg gehen», sagt Kimoto. Seine Swing Kids sind nicht nur Thurgauer Lokalgrössen, sondern internationale «Stars». Regelmässig spielen sie vor grossem Publikum in Weltstädten wie New York, Tokio oder auch in Ländern wie Taiwan, Argentinien oder Deutschland.
Offizieller Trailer des Dok-Films "Swing it Kids!" (Quelle: YouTube)
Die Kinder seien sich teilweise gar nicht so richtig bewusst, dass sie mit der Band in der halben Weltgeschichte herumkommen, sagt Kimoto. «Meistens realisieren es die Jugendlichen erst, wenn sie um die 20 sind, wie speziell diese Reisen waren.» Klar gebe es einige, ihrer ganzen Schulklasse herumerzählen, dass sie nach New York fliegen würden. Aber wie wertvoll so eine Reise sei, das würden sie als Teenager oft nicht realisieren.
"Keiner darf die anderen im Stich lassen"
Einer seiner Söhne, der Filmemacher Fabian Kimoto, bringt Dai Kimoto nun sogar auf die Leinwand. Fabian Kimoto hat die Swing Kinds über die vergangenen Jahre mehrmals auch ins Ausland begleitet und so ist ein Film entstanden, der vor wenigen Tagen an den Solothurner Filmtagen Premiere feierte. «Ich habe meinem Sohn gesagt, wenn er doch schon so viel Material habe, könne er doch eigentlich mal einen Film über die Swing Kids machen», so die Idee, sagt Dai Kimoto.
Der Film zeigt den Entwicklungsprozess, den die Kinder im Laufe der Zeit durchmachen. Man sieht, wie sie sich auch persönlich entwickeln und zu eigenständigen Personen heranwachsen. Nicht immer geht alles reibungslos. Die menschlichen Eigenschaften zeigt der Streifen auch schön anhand eines Konflikts innerhalb der Big Band. «Das ist normal, wenn Menschen eng zusammen sind, da gibt es Konflikte.»
Mit auf der Playlist: Sozialkompetenz und Konfliktfähigkeit
Er selber wisse aber gar nicht mehr im Detail, um was es gegangen sei, sagt Dai Kimoto. Die Kinder und Jugendlichen würden enorm voneinander profitieren in Sachen Sozialkompetenz. «Wenn wir vier Trompeter in der Band haben, liegt die Verantwortung bei jedem der vier.» Keiner dürfe die anderen im Stich lassen, so Kimoto. «Wir sind aber wie eine Familie», das sei normal, wenn man jahrelang gemeinsam toure und probe.
Der Film macht ihn derzeit zu einem gefragten Mann. «Zurzeit gibt es regelmässige Berichte in den Medien über uns, das ist gute Werbung für die Swing Kids», freut sich der Jazz-Musiker über die mediale Aufmerksamkeit. Ein bisschen streng sei es momentan schon, «aber das geht wieder vorbei, ich nehme es wie es kommt».
Die kommenden Tage kann er sich in Japan noch etwas auf den kommenden Rummel vorbereiten. Kurz nach seiner Rückkehr aus Japan startet der Film nämlich in den Schweizer Kinos. Schweiz-Premiere ist am 12. Februar im Kino Roxy in Romanshorn. «Neben dem Film erwartet die Besucher an diesem Abend ein kleines Konzert der Swing Kids», sagt Kimoto stolz.
Premiere am 12. Februar 2016 im Kino Roxy Romanshorn, Live mit den Swing Kids.
Der Trompeter Dai Kimoto ist ein leidenschaftlicher Sammler alter Phonographen. (Bild: Philipp Bürkler)
Was bleibt...
Fast hätte ich das Haus von Dai Kimoto in Romanshorn gar nicht gefunden. Auf meinem neuen Handy hatte ich nämlich Google Map noch nicht installiert. Ziemlich hilflos bin ich die Strassen abgefahren. Nachdem ich dass Ziel dann doch noch erreicht habe, hat mich eine sehr freundlicher Dai Kimoto empfangen. Während sein Wohnzimmer eher spartanisch eingerichtet ist, ist sein «Studio» voll gepackt mit Instrumenten, Trompete, Saxophon und Synthesizer. Hier schreibt und arrangiert Kimoto seine Stücke für die Swing Kids. Kimoto muss ein Schellack-Fan sein. Zwei alte Grammophone stehen im Raum. Die ganze Wand ist voll mit hunderten Jazz-Schellackplatten. «Im Keller habe ich noch mehr Platten», sagt er. Gerne hätte ich die eine oder andere Platte gehört. Kimoto könnte bestimmt einiges Interessantes zu seinen Platten und zum Jazz erzählen.
Philipp Bürkler
*** In unserer neuen Reihe "Was bleibt..." sammeln wir alle Eindrücke, Lehren, Gedankenschätze und auch kritische Beobachtungen, die unsere KorrespontentInnen von den Veranstaltugnen zurück mit in die Redaktion bringen.
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Von Philipp Bürkler
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