von Brigitte Elsner-Heller, 30.08.2019
Wildkräuter im Kunstraum
Angenehm unaufgeregt zeigen sich die „Garten“-Arbeiten von Ursula Palla im Kunstraum Kreuzlingen. Zsuzsanna Gahse zeigt dazu handschriftliche Notate, die sie zu Kunst konvertiert hat.
Waldbaden: Noch so eine zeitgenössische Aufgeregtheit, die sich rasant verbreitet – wo es Wald doch schon immer gegeben hat. Eine neue Variante der Romantik, die angesichts weltweiter Umweltprobleme geradezu elitär wirkt. Aber was ist denn eigentlich Natur, was Kulturlandschaft beziehungsweise Kultur an sich, also das Menschengemachte, das heute (im engeren Sinn) auch immer ein Nachdenken über den status quo meint?
Die Künstlerin Ursula Palla hat sich schon seit geraumer Zeit mit dem Verhältnis zwischen Natur und Kultur beschäftigt, hat romantische Naturauffassungen hinterfragt. Zwischen dem 30. August und dem 13. Oktober sind ihre „Überlegungen“ dazu im Kunstraum Kreuzlingen zu sehen, und zwar unter dem Titel „empty garden“. Was bereits impliziert, dass es sich hierbei nicht um einen Garten Eden handelt – oder im Gegenteil, dass der Mensch ihn verlassen hat. Dadurch, dass seine Eingriffe in die Natur zu dominant, zu selbstgefällig waren und sind?
„Die Karden waren am stabilsten“
Ursula Palla zur Technik der Bronzeabgüsse
Diese Frage lässt sich nicht direkt beantworten, auch wenn Ursula Palla durchaus ein feines Gespür für das Thema beweist. So lenkt sie im Gespräch etwa die Aufmerksamkeit darauf, dass der Begriff „Unkraut“ zunehmend hinterfragt werde und dem Begriff „Wildkräuter“ weicht. Doch welcher Garten soll nun leer oder verlassen sein?
Beton und Bronze: Natur für die Ewigkeit
Im Kunstraum Kreuzlingen wuchern Wildkräuter, und zwar unmittelbar aus dem Betonboden, in den extra zu diesem Zweck Löcher gebohrt wurden. Einzeln (oder vereinzelt) streben mehr oder weniger kahle Stängel in die Höhe, ragen bis zu etwa eineinhalb Meter hoch. Die robustesten sind dabei die Karden mit ihren stacheligen Blütenständen. Und robust will hier schon etwas heissen: Ursula Palla hat die Natur nämlich nicht etwa Natur sein lassen, sondern die Idee gehabt, diese Wildpflanzen für die Ewigkeit zu erhalten. Was allerdings deren schnellen Tod voraussetzte: Was so „echt“ und unmittelbar wirkt, sind nämlich Bronzeabgüsse, für die die Pflanzenstiele zunächst in Schamott eingebettet und im Ofen gebrannt wurden. „Die Karden waren am stabilsten“, sagt Ursula Palla, nimmt einen der Bronzeabgüsse in die Hand und spürt den gut nachgebildeten stacheligen Spitzen nach.
In der Installation geht der „Verfremdungseffekt“ indes noch eine Stufe weiter. Über einen Projektor wird bodennah Licht durch diesen leeren Garten geleitet, so dass sich die Bronze-gedörrte Wildpflanzenwiese auch als Schattenwurf an der Wand abbildet. Ein Untergangsszenario mit der einzigartigen Ästhetik eines filigranen Scherenschnitts – wobei die Romantik wiederum neu ins Spiel kommt.
Zu Gast bei Claude Monet
Dass dem so ist, liegt auch daran, dass sich Ursula Palla in der Kunstgeschichte zu Hause fühlt und sich entsprechende Reverenzen leistet. Die Idee zu ihrem Garten bekam sie, als sie sich mit Claude Monet beschäftigte und seinen kunstvoll angelegten Garten im französischen Giverny besuchte. Ein Garten, in dem Wildkräuter nicht erwünscht sondern Unkräuter waren.
Direkt an Monet knüpft dann auch Pallas Installation im Tiefparterre an. Dort befindet sich nun eine Erinnerung an Monets berühmte Seerosen-Teiche – hier allerdings ebenso „empty“ wie der Bronze-Garten im Erdgeschoss. Lediglich Spiegelfliesen imitieren die Wasserflächen zweier Teiche mit amöbenartigen Konturen. Überraschend, welche Tiefe auf diese Weise virtuell erzeugt wird, wie der Kellerraum plötzlich die Anmutung einer Zisterne erhält.
Gastauftritt: Zsuzsanna Gahse
Pallas verlassener Garten Eden wird im Erdgeschoss flankiert von Vitrinen, in denen die Autorin Zsuzsanna Gahse Zeichen gesetzt hat. Schriftbilder und Skizzen sind hier zu sehen, in denen Gahse zeigt, wie sich für sie Sprachrhythmen entwickeln und als mehrschichtige Zeichen deuten lassen. Skizzenbücher zu Buchprojekten sind ausgestellt, auch ist der Prozess bildlich festgehalten, in dem Zsuzsanna Gahse einen eigenen Text zu einem Theaterstück umgearbeitet hat. Bildhafte Skizzen begleiten die Autorin auch beim Schreibprozess: „Während ich damit spiele, kommen die ersten Sätze“, sagt sie.
Das Original in Zeiten des Buchdrucks
Am Anfang dieser grafischen Vorgehensweise stehen in den 1980er Jahren zwei kleine Anmerkungen zu Johannes Gutenberg, wobei der Gedanke prägend ist, dass von da an in der Schrift neben einem „Original“ immer potenziell auch ein Druck stand. Als im Verlauf der vergangenen Jahre der Computer als Schreibmedium in den Vordergrund trat, fing Gahse verstärkt an, das Handschriftliche daneben explizit zu pflegen. Dass ihr Mann Christoph Rütimann Künstler ist, spielt da durchaus auch eine Rolle. Ohnehin gehören für Zsuzsanna Gahse Kunst und Sprache zusammen – was sich schon in ihren Texten selbst ausmachen lasse, da sie mit Genregrenzen spiele. Ihre handschriftlichen Notate und Skizzen finden dann auch in ihre Bücher als Faksimiles Eingang. Auch dies lässt sich in den Vitrinen nachvollziehen.
Termine: Die Ausstellung wird am Freitag, 30. August, 19.30 Uhr, eröffnet. Sie ist bis zum 13. Oktober zu sehen. Die Öffnungszeiten: Fr 15 – 20 Uhr, Sa / So13 – 17 Uhr. Im Internet: www.kunstraum-kreuzlingen.ch
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