von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 25.05.2022
«Wenn wir gemeinsam arbeiten, wird viel und laut gelacht.»
Die Thurgauer Autorin Andrea Gerster und die St. Galler Künstlerin Lika Nüssli waren für den Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis 2022 nominiert. Gewonnen haben sie nicht. Aber viel gelernt. Ein Interview (fand vor der Bekanntgabe der Presiträger:innen statt) über Nervosität, Kreativität und wie man Spoken Word verschriftlicht. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Frau Gerster, am Wochenende wird der Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis vergeben. Sie sind gemeinsam mit Lika Nüssli für ihr Buch „Moni heisst mein Pony“ nominiert worden. Wie nervös sind Sie so kurz vor der Bekanntgabe der Gewinner:innen?
Nervös bin ich nicht, das ist nicht meine erste Nomination für einen Literaturpreis. Natürlich wäre es schön zu gewinnen.
Ihr Buch versucht Spoken Word, also eigentlich gesprochene Sprache, in Schriftform zu giessen - wie ist diese Idee entstanden?
Tatsächlich ist es umgekehrt. Ich texte und Lika zeichnet gleichzeitig und zwar rasend schnell und in nur fünf Minuten. Dann zeigen wir uns gegenseitig das Resultat. Durch das hohe Tempo und die Vorstellung im Hinterkopf, dass ich den Text danach Lika vorlese, entstehen automatisch Texte quasi für die Bühne.
«Unser Ziel war nicht Spoken Word zu verschriftlichen, sondern wir haben einen anderen Zugang zur Entstehung von Geschichten gesucht und gefunden.»
Andrea Gerster, Autorin
Warum sollte man überhaupt Spoken Word verschriftlichen? Ist das nicht eigentlich ein Gegensatz?
Unser Ziel war nicht Spoken Word zu verschriftlichen, sondern wir haben einen anderen Zugang zur Entstehung von Geschichten gesucht und gefunden. Dies in Wort und Bild.
Sie haben das Buch gemeinsam mit der St. Galler Künstlerin Lika Nüssli konzipiert - wie lief die Zusammenarbeit zwischen Wort und Illustration?
Wir treffen uns seit vielen Jahren in unregelmässigen Abständen und an unterschiedlichen Orten. Wir werfen ein Stichwort in den Raum und schreiben oder zeichnen fünf Minuten dazu. Mittlerweile haben wir eine ungeheure Routine, im positiven Sinn, entwickelt. Wir treten seit Jahren auch damit auf. Gezeichnet wird meistens live, manchmal entstehen auch Texte live vor Publikum. So richtig eingeschlagen hat diese literarische und künstlerische Spielart nun vor allem im Bereich Kinder und Jugend.
«Gezeichnet wird meistens live, manchmal entstehen auch Texte live vor Publikum.»
Andrea Gerster, Autorin
Die Jury des Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreises lobte bei der Nominierung: „Die Freude am Spiel mit der Sprache ist in jeder Zeile spürbar, die Illustrationen setzen treffende Akzente. Entstanden ist eine erfrischende und originelle Literaturform.“ Was hat Ihnen am besten gefallen bei der Arbeit an dem Werk?
Wenn wir gemeinsam arbeiten, wird viel und laut gelacht, trotz der Ernsthaftigkeit, die wir beim Tun empfinden. Wichtig und schön ist für mich, dass wir uns und unsere Arbeit gegenseitig respektieren, ja, sogar bewundern.
Wenn Sie den Preis gewinnen, dann machen Sie als erstes…
...ich bin ja leider nicht vor Ort in Solothurn, sondern reisend im hohen Norden und kann vielleicht via live Stream dabei sein. Grosse Freude auf jeden Fall!
Und wenn Sie den Preis nicht gewinnen, dann…
...betrachte ich nach wie vor die Nomination als einen Höhepunkt unseres bisherigen gemeinsamen Schaffens.
Die Preisvergabe
Neben den beiden Nominierten aus der Ostschweiz stehen ebenfalls auf der Shortlist: Laura D’Arcangelo („Herr Bert und Alfonso jagen einen Dieb“, Atlantis 2021), Tito Moccia („Astor“, Antipodes 2021), Johanna Schaible („Es war einmal und wird noch lange sein“, Hanser 2021) und Walid Serageldine („Le voisin“, La Joie de lire 2021).
Preisvergabe bei den Solothurner Literaturtagen: Die Jury konnte aus über 100 Titeln von Schweizer Autor:innen und Illustrator:innen auswählen, die von 75 Verlagen eingereicht wurden. Getragen wird die mit 10'000 Franken dotierte nationale Auszeichnung für Kinder- und Jugendbuchschaffende, die dieses Jahr zum dritten Mal vergeben wird, vom Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV, von den Solothurner Literaturtagen und vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM.
Am Samstag, 28. Mai 2022 um 15 Uhr, werden an der Preisverleihung im Rahmen der Solothurner Literaturtage alle fünf Titel der Shortlist vorgestellt und das Siegerbuch bekanntgegeben.
Weitere Beiträge von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter
- „Der Thurgauer ist kein Meister der Streitkultur!“ (02.12.2024)
- Raus aus der Bubble, rein ins Leben (26.11.2024)
- Wo sind die Wege aus der Raum-Krise? (25.11.2024)
- In acht Schritten zum eigenen Kunstraum (21.11.2024)
- Alte Mauern, neue Gedanken (11.11.2024)
Kommt vor in diesen Ressorts
- Literatur
Kommt vor in diesen Interessen
- Interview
- Belletristik
Ähnliche Beiträge
Wirklichkeit ist, was du daraus machst!
Michèle Minelli hat ein neues Buch vorgelegt, das schwer aus der Hand zu legen ist. Man will einfach wissen, wie es endet. Wer das noch nicht wissen will, der lese diesen Text nicht bis zum Schluss. mehr
Sanfte Radikalität
Die Aargauer Autorin Barbara Schibli stellt ihr zweites Buch vor: «Flimmern im Ohr» erzählt von einer Frau, die mitten im Leben steht und dennoch einen Blick zurück auf ihre wilden Jahre wirft. mehr
Familiengeschichte im Zeichen des Kolonialismus
Mit „The White Rasta“ erforschte die Autorin Dominique Haensell ihre Herkunft. Ein Teil des Buches entstand während eines Stipendiums im Literaturhaus Thurgau. Dort liest sie am 24.Oktober daraus. mehr