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von Brigitta Hochuli, 22.04.2016

Thurgau im Börsenhoch - die Bilanz

Thurgau im Börsenhoch - die Bilanz
Das Thurgauer Arbeitsteam an der Künstlerbörse Thun v.l.: Simon Hungerbühler, Sarah Lüthy, Rina Jost, Martha Monstein und Anschi Inauen | © Caro Gammenthaler

Nach dem Gastauftritt des Kantons Thurgau an der Schweizer Künstlerbörse (KTV) in Thun ziehen die Verantwortlichen eine positive, ja enthusiastische Bilanz. Wir haben sie dazu befragt. Eine besondere Herausforderung war übrigens die Beschaffung von Äpfeln, und etwas Kritik aus dem Oberthurgau wird hoffentlich leicht zu verdauen sein.

Brigitta Hochuli

Simon Hungerbühler: Voller Erfolg

Simon Hungerbühler, Sie sind Kulturvermittler mit eigener „Projektbude“ und waren Projektleiter Gastkanton Thurgau. Wie haben Sie die Vorbereitungszeit und die Durchführung der Künstlerbörse in Thun erlebt?

Die ersten Vorbereitungen, bei denen ich involviert war, begannen Ende Juni 2015. Die Planungsarbeiten verliefen ohne grössere Probleme und intensivierten sich ab Anfang Jahr deutlich. Die Durchführung des Gastkanton-Auftrittes an der KTV-Börse verlief aus meiner Sicht reibungslos und war nach meinem Empfinden ein voller Erfolg. Erste Reaktionen des Publikums bestätigen mich in dieser Wahrnehmung.

Welche Wirkung hat der Gastkanton Thurgau erzielen wollen?

Erstes Ziel war, Thurgauer Künstlerinnen und Künstlern eine beachtete Plattform für ihre Präsentation zu bieten. Der Wunsch dabei: Sie sollten möglichst viele und interessante Engagements erspielen. Zweites Ziel war, die Breite und Qualität des Thurgauer Schaffens im Kleinkunstbereich zu zeigen.

Dabei war natürlich auch die Auswahl der Jury ausschlaggebend, der Sie zusammen mit Martha Monstein und Klaus Hersche anghörten.

Ich bin zufrieden mit der Auswahl der Jury. Es ist uns gelungen, ein sehr breites Programm auf die Beine zu stellen, das verschiedenste Genres umfasste. Die Qualität der Auftritte war hoch, die Publikumsreaktionen sind positiv. Verschiedene Produktionen wurden sofort im Anschluss an die Aufführung gebucht. Das bestätigt mich im Glauben, dass die richtigen Produktionen ausgewählt worden sind.

Gab es auch Kritik an dieser Auswahl?

Kritik an der Auswahl habe ich nur von einer Person gehört, die nicht für einen Auftritt in Thun berücksichtigt worden ist. Dabei habe ich Verständnis für die Enttäuschung. Bei elf Auftrittsmöglichkeiten war es uns aber leider nicht möglich, alle Thurgauer Künstler zu berücksichtigen.

Was bleibt Ihnen nach der Börse in besonders guter Erinnerung?

Höhepunkte gab es in diesen drei Tagen einige. In besonders guter Erinnerung wird mir der Musikblock auf der Roulotte-Bühne vom Samstag Mittag bleiben. Dies nicht, weil die anderen Auftritte weniger gut gewesen wären, sondern einfach, weil es am Vormittag noch ziemlich stark geregnet hatte und wir bereits fürchteten, dass kein Publikum zu den Open-Air-Produktionen erscheinen würde. Eine halbe Stunde vor dem ersten Auftritt erschien dann aber die Sonne und mit ihr so viele Besucherinnen und Besucher, wie ich sie an diesem Ort noch nie gesehen hatte. Und die Musik, die ging in Bein und Herz.

Gab es auch Schwierigkeiten?

Schwierigkeiten gab es keine nennenswerten. Um das zu illustrieren: Eine der grössten Herausforderungen für mich bestand im Beschaffen von Äpfeln in ausreichender Menge. Zum Thurgauer Auftritt in Thun gehörten nämlich drei Stationen, an denen das Publikum gratis Thurgauer Äpfel holen konnte. Die 130 Kilogramm, die wir aus der Ostschweiz mitgebracht hatten, waren schon am ersten Nachmittag verspeist.

Abgesehen von den Äpfeln - was bleibt vom Thurgau in Thun?

Die Stimmung war wie jedes Jahr ausgezeichnet. Diesmal mitverursacht durch einen sehr gut besuchten, leckeren Thurgauer Apéro, hervorragende Thurgauer Künstlerauftritte und einen Thurgauer Messestand, der sich von anderen abhob. Das Gefühl danach ist gut. Meines Erachtens haben wir unsere Ziele erreicht und dabei einen äusserst positiven und sympathischen Eindruck vom Thurgau vermittelt.

 

Anne Jäggi: Neugier geweckt

Anne Jäggi, Geschäftsführerin Vereinigung KünstlerInnen - Theater - VeranstalterInnen, Schweiz (KTV ATP) und Gesamtleiterin der Schweizer Künstlerbörse, zieht eine erfreuliche Bilanz: „Der Kanton Thurgau hat sich an der Schweizer Künstlerbörse mit einem rundum erfrischenden und lebendigen Auftritt als sympathischer Gastkanton präsentiert. Mit kleinen, wirksamen Interventionen setzte er Akzente überall auf dem Börsengelände und erhielt auf diese Weise grosse Aufmerksamkeit.“

 

Sie habe zahlreiche gute und begeisterte Rückmeldungen zu den Auftritten der Thurgauer Künstlerinnen und Künstler erhalten. Durchwegs sympathisch und einladend sei auch der Apéro am Freitagabend gewesen, in dessen Rahmen der Thurgau auch seine kulinarische Kultur von ihrer besten Seite präsentiert habe. „Die Ansprache von Regierungsrätin Monika Knill hat die Neugierde geweckt, den westlich der Reuss wenig bekannten Kanton zu entdecken - der Besuch des Kantons Thurgau steht fest auf meiner Jahresagenda!"


Auch der Messestand des Gastkantons hatte für Anne Jäggi „eine erfrischende Ausstrahlung und lud zum Verweilen und zum Austausch ein“. „Die Thurgauerinnen und Thurgauer erlebte ich als sehr kommunikative und gut gelaunte Menschen, mit denen man rasch in Kontakt kommt. Besonders gefreut hat mich das grosse Interesse auch der verschiedenen kantonalen Behörden, die den Weg nach Thun auf sich genommen haben und die Künstlerbörse besucht haben.“ (ho)

 

Martha Monstein: hervorragend und nachhaltig

Martha Montstein, Sie gehörten als Chefin des Thurgauer Kulturamtes zum Kernteam des Projekts Gastkanton Thurgau. Hat sich der organisatorische Aufwand gelohnt?

Der organisatorische Aufwand hielt sich in Grenzen, da wir von der
Infrastruktur und den Erfahrungen der KTV profitieren konnten. Mit Simon
Hungerbühler hatten wir einen erfahrenen Projektleiter, der effizient
und mit guter Kenntnis der Kleinkunstbörse den Anlass organisierte.

Wie viel wurde finanziell in das Projekt investiert?

Das Projekt Gastkanton Thurgau an der 57. Künstlerbörse in Thun wird
circa 75'000 Franken kosten. Darin enthalten sind die Abgeltungen an die
KTV für Technik, Werbung, Projektleitung, Gagen, Spesen oder für den Thurgauer Apéro für 150 bis 200 Personen.

Einen überdurchschnittlichen Einsatz hat auch das ad hoc-Team von thurgaukultur.ch geleistet. Hat auch er sich gelohnt?

Das hat sich meiner Meinung nach sehr gelohnt, denn mit dem live streaming, den Fotos, den Berichten von Anschi Inauen oder den eingescannten Portraits von Rina Jost konnten alle Vorteile eines Online-Mediums optimal genutzt werden. Ich hoffe, dass ein Blick in Google Analytics uns eine Click-Kurve nach oben zeigt.

Und wie haben Sie schliesslich persönlich die Stimmung in Thun erlebt?

Die Stimmung an der Künstlerbörse ist generell sehr gut und die Messe
glänzt durch absolute Professionalität in jeder Hinsicht. Die
Stimmung bei den Auftritten der Thurgauer Künstlerinnen und Künstler war
in den ausverkauften Vorstellungen hervorragend. Die Auswahl des
Thurgaus fand grossen Anklang. Am Thurgauer Messestand herrschte emsiges
Treiben und immer mehr Leute wollten sich von Rina Jost porträtieren
lassen.

Wird der Auftritt Gastkanton nachhaltig sein?

Mit dem Thurgauer Gastauftritt wollten wir ein Schlaglicht auf die
Kleinkunstszene des Thurgaus werfen und zeigen, dass es interessante
Künstlerinnen und Künstler gibt. Zum Teil wurden sie direkt von der
Bühne weg engagiert. Die Nachhaltigkeit wird sich vor allem bei den
Engagements der Künstlerinnen und Künstler zeigen. Der Anfang ist
hervorragend, und viele Veranstalter werden sich sicher später melden, wenn
sie ihr Saisonprogramm machen.

 

Andreas Müller: Auswahlkritik aus Amriswiler Sicht

Andreas Müller war sicher schon zehnmal an der Künstlerbörse in Thun anwesend - hauptsächlich als Mitglied der Programmgruppe des Kulturforums Amriswil, in diesem Jahr mit dem Gastkanton Thurgau auch als Mitglied der Kulturkommission des Kantons Thurgau und als Kulturbeauftragter der Stadt Amriswil.

 

Der Thurgau habe performt und gezeigt, dass hinter Winterthur auch gute Kultur gelebt werde. „Wir müssen uns nicht verstecken. Wir haben auch gute Künstler. Das Verstecken - vor allem wegen unseres Dialekts - haben unter anderem auch gute Thurgauer Künstler wie Lara Stoll, Martina Hügi und Jan Rutishauser thematisiert. Alle Thurgauer, die über sich selber lachen können, hat’s gefreut. Und den Rest der Schweiz sowieso!“

 

Andreas Müller berichtet auch in seinem Video-Blog www.lebenmitkultur.ch über Thun. Als Kulturbeauftragter der Stadt Amriswil sei er ein wenig enttäuscht, dass beispielsweise der aktuelle Swiss-Comedy-Award-Gewinner keine Auftrittsmöglichkeit erhielt. „Wieso Florian Rexer nicht engagiert wurde, ist mir schleierhaft.“ Wir dürften doch auch zeigen, dass der Oberthurgauer Comedian und Regisseur nationale Erfolge vorweisen könne. Als „Götti“ hätte er für den Thurgau bestimmt auch sehr gut performt. „Vielleicht einmal weniger slamen?“, fragt Andreas Müller. Wobei gerade die Wortkünstlerinnen und Wortkünstler sehr stark gewesen seien. Wäre er Mitglied der Auswahlkommission gewesen, hätte er ebenfalls an den bewährten Slam-Poeten festgehalten und einen oder zwei weniger bewährte und experimentelle Auftritte nicht berücksichtigt. Das musikalische Highlight war für ihn „A little Green“, obwohl er das Quartett schon geschätzte hundertmal gehört habe.

 

Wie immer sei die Stimmung gut gewesen. Der Thurgauer Stand hätte aber farbiger und frecher sein dürfen, so Müller. Nämlich so wie die Thurgauer Wortkünstlerinnen und Wortkünstler auf der Bühne. „Der Apéro des Gastkantons mit vielen Apfel-Köstlichkeiten sowie die offizielle Ansprache von Regierungsrätin Monika Knill waren sehr gast-freundlich. So wie wir Thurgauer halt sind. Und ich denke, dass der Thurgau in Thun genau diesen guten Eindruck hinterlassen hat.“ (ho)

 

Sarah Lüthy: super Dynamik

Sarah Lüthy, Sie waren als Geschäftsstellenleiterin von thurgaukultur.ch in Thun beim Messeauftritt und als Koordinatorin der live Berichterstattung praktisch rund um die Uhr engagiert und herausgefordert. Hinzu kamen natürlich die Vorbereitungen. Können Sie den Aufwand quantifizieren?

Nein, das kann ich leider nicht. Im Vorfeld habe ich die Planung, Zusammenstellung und Koordination des thurgaukultur-Teams übernommen. Dann hat Anschi Inauen als Gast-Korrespondentin als Vorschau alle künstlerischen Acts portraitiert. An der Börse selber waren wir mit einem Viererteam vertreten. Caro Gammenthaler hat drei Tage lange exklusiv für uns fotografiert. Und Rina Jost die Besucher und das Gastkanton-Team zeichnerisch portraitiert. Es gab eine super Dynamik mit einem wahnsinns Einsatz aller Beteiligten. Und es hat einfach auch ganz viel Spass gemacht, da hat niemand Stunden aufgeschrieben.

Hat sich der Einsatz neben dem Spass aber auch gelohnt?

Auf jeden Fall. Die Künstlerbörse ist eine Fachmesse für Kulturschaffende, Theater, Veranstalter und Agenturen. Der persönliche Kontakt und die Vernetzung untereinander ist immens wichtig. Wir konnten uns bei den zahlreichen vor Ort anwesenden Thurgauern und Thurgauerinnen in Erinnerung rufen und ihnen persönlich begegnen. Weiter haben wir den Daheimgebliebenen Stimmungen und Eindrücke direkt vom Platz geliefert und konnten mit unserer Arbeit dazu beitragen, dass unsere Künstler und unser Kanton beim nationalen Fachpublikum wahrgenommen werden.

Was war bei all dem konkret das Gelungenste?

Der visuelle Teil der Berichterstattung ist uns, meiner Einschätzung nach, sehr gut gelungen. Mit professionellen Fotos, Schnappschüssen, Illustrationen, eigenen spontanen Live-Mitschnitten und dem professionellen Live-Streaming der KTV-ATP, konnten wir den Gastkanton sehr vielseitig dokumentieren und auf verschiedenen Kanälen berichten.

Das klingt alles mühelos. Gab es auch Schwierigkeiten?

Die grösste Herausforderung war, einen ruhigen Arbeitsplatz mit einer funktionierenden und leistungsfähigen Internetverbindung zu finden, um die vielen Daten möglichst zeitnah hochzuladen, zu bearbeiten und zu publizieren. Schwierig war auch, dass so viel parallel geschah, dass wir gar nicht alle ThurgauerInnen auf Bild festhalten konnten. Dafür möchte ich mich entschuldigen.

Wie war die Stimmung, wie ist sie jetzt?

Die Thurgauer Acts haben durchwegs super Auftritte hingelegt und das Publikum in Thun begeistert. Das hat sehr viel zur guten Stimmung am Stand und im thurgaukultur-Team beigetragen. Eins hat das andere ergeben, und das ganze Team kam in ein richtiges Börsen-Fieber. In der Zwischenzeit ist die Temperatur wieder etwas gesunken. Es bleiben schöne Erinnerungen an drei intensive Tage, freudige Begegnungen und neue Kontakte.

Setzt Ihre Kulturplattform in Zukunft vermehrt auf solche zwar ungezwungenen, aber doch sehr arbeitsintensiven Einsätze? Ist dieses Angebot eine Option für die Zukunft?

In konkreter Planung ist noch nichts. Sicher ist, dass wir uns die vielseitigen Möglichkeiten des Onlineportals vermehrt zu Nutzen machen wollen. Wir können auf unserem Kulturportal Bilder, Videos, Texte und Soundfiles sowie künftig hoffentlich auch Social Media-Kanäle in die Berichterstattung einbinden. Das ist eines unserer Unterscheidungsmerkmale zu den Printmedien. Wie wir das mit den vorhandenen Mitteln und technischen Möglichkeiten optimal umsetzen werden, ist Gegenstand der internen Evaluation.

***

Die Thurgauer Kulturministerin Regierungsrätin Monika Knill hielt an der Künstlerbörse Thun die Eröffnungsrede im Namen des Gastkantons. Die Zuhörer hatten einiges zu lachen, denn es ging um Sprache und Dialekt. Sie habe noch einige spontane Sätze dazwischen geschoben und sei auf das "Hier und Jetzt" in Thun eingegangen, erklärt sie. Das unten angehängte Dokument ist ihr Ausgangsskript.

 

www.thurgaukultur.ch

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