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Theater mit Aussicht

Theater mit Aussicht
Die Compagnie "Urban Delight" zeigt sechs voneinander unabhängige Kurzstücke, die urbanen Bühnentanz in seinen verschiedenen Facetten präsentieren. | © Veranstalter

Es gibt nur wenige Theater, die eine ähnlich malerische Lage haben. Direkt am Steckborner Seeufer sitzt das kleine Phönixtheater. Es bietet Platz für bis zu 90 Zuschauer - und zeigt vor allem zeitgenössischen Tanz und Theater. Vor dem Auftakt das Tanzfestivals "tanz:now" am 16. März haben wir den Theaterleiter Philippe Wacker getroffen. 

Von Michael Lünstroth

Auch verrückt, dass das jetzt schon wieder 36 Jahre her ist. 1981. In den USA wird Ronald Reagan Präsident, in der Schweiz Kurt Furgler erneut Bundespräsident. Die Samstagabendshow "Wetten dass...?" läuft zum ersten Mal im deutschsprachigen Fernsehen, die Kopier-Kombo Stars on 45 dominiert die Jahrescharts in der Schweiz und Florian Silbereisen kommt in Tiefenbach bei Passau auf die Welt. Währenddessen in Steckborn am schweizerischen Bodenseeufer: Eine Gruppe engagierter Bürger und Kulturinteressierter kommt zusammen und hat das Gefühl - irgendwie müsste hier doch mehr gehen. 

Sie wollten Leben in ihr Dorf und die Region bringen und fanden, die Gründung eines Kulturvereins sei dafür keine schlechte Idee. Philippe Wacker war damals einer von ihnen. "Und ehe ich mich versah, wurde ich Vereinspräsident", sagt der 62-Jährige heute und lacht. Seit diesen mittleweile 36 Jahren ist er dem Phönixtheater nicht mehr von der Seite gewichen. Erst als Präsident, inzwischen firmiert er als Theaterleiter - und bekommt auch etwas Geld für seine Arbeit. "Unser Selbstverständnis war immer, dass wir zeitgenössischem, modernem Theater und dem Tanz eine Heimat bieten wollen", erklärt Wacker. Keine leichte Aufgabe in einer ländlichen Gegend. "Das war hier nie ein einfaches Pflaster, wir waren immer im Spannungsfeld der verschiedenen Ansprüche. Wir wollten ein Programm mit Ecken und Kanten, mussten aber auch berücksichtigen, dass wir hier kein städtisches Publikum haben", findet Wacker, der im sonstigen Leben Lehrer in Frauenfeld ist. 

Kleines Theater, breites Programm: Das Phönixtheater in Steckborn will zeitegenössischem Theater und Tanz eine Heimstatt bieten. Bild: Michael Lünstroth

Ausgewogen müsse das Programm sein, gerne auch experimentell, aber das nur dosiert. Das Steckborner Publikum macht offenbar nicht alles mit. Auch ein Grund dafür, dass sich das Theater im vergangenen Jahr aus dem Tanzplan Ost verabschiedet hat. "Ästhetische Differenzen", sagt Wacker dazu nur. Es sei auch keine Grundsatzentscheidung gegen das Festival gewesen, 2018 könnte es einen neuen Anlauf geben. "Das entscheiden wir je nach angebotenem Programm", so Wacker weiter. 

So lange müssen die Tanzfans in der Region aber nicht auf spannende Aufführungen warten. Am Donnerstag, 16. März, startet das Festival "tanz:now" im Phönixtheater. Es geht bis zum 12. Mai und zeigt insgesamt sechs verschiedene Produktionen. Was die Besucher dort erwartet? "tanz:now kündigt die Rückkehr der Lebensenergien nach dem Winter an", heisst es im Programmheft-Vorwort der Initiatoren Caroline Minjolle und Philippe Wacker.

Aus Schaffhausen kommt beim diesjährigen "tanz:now" "Spring doch!", ein Tanzstück für Kinder.Aus Schaffhausen kommt beim diesjährigen "tanz:now" Kumpane mit "Spring doch!", einem Tanzstück für Kinder. Bild: Sebastian Krähenbühl

Konkret bedeutet das: "Die angehenden Tänzerinnen und Tänzer des Bachelor Contemporary Studiengangs der Zürcher Hochschule der Künste und ihr energiegeladenes Abendprogramm sind exemplarische für das Festival. Dass der Tanz nicht nur in den Hochschulen stattfindet, sondern auch in Hinterhöfen, auf kleinen Bühnen oder auf Strassen, zeigen Urban Delight und präsentieren einen Querschnitt der urbanen Tanzstile. Ähnlich die MIR Compagnie, die virtuos urbanen Tanz mit klassischen Elementen versieht und mit einer Prise Tanzarchitektur würzt. Das Trio der Beaver Dam Compagnie hingegen sucht nach neuen Begegnungsformen, mal subtil zärtlich und dann wieder schroff abweisend. Perrine Valli und Marthe Krummenacher hingegen lassen zum Finale des Festivals ihre Begleitband kräftig rocken, während sie selbst in scheinbar nicht endend wollenden Bewegungsmustern die Zuschauenden in einen mal dunklen, mal hellen hypnotischen Sog ziehen." So fassen jedenfalls Caroline Minjolle und Philippe Wacker das diesjährige Programm zusammen.

"Der Wunsch nach Unterhaltung ist grösser geworden"

"Für uns ist 'tanz:now' eine der wichtigsten Veranstaltungen im Jahr", sagt Philippe Wacker und hofft, dass möglichst viele Besucher die einzelnen Aufführungen anschauen. Fragt man ihn danach, ob es mit der Erfahrung von 36 Jahren heute leichter ist, Stücke zu programmieren beziehungsweise zu ahnen, was dem Publikum gefallen könnte, dann will er sich da nicht so recht entscheiden. Natürlich helfe eine gewisse Erfahrung bei der Einschätzung, "aber man kann nie sicher sagen, das wird ein Erfolg und das nicht", so Wacker. Wenn er im Kulturbetriebe in den vergangenen Jahrzehnten etwas bemerkt hat, dann sind es vor allem zwei Dinge. Erstens: "Der Wunsch nach Unterhaltung ist grösser geworden. Offenbar ist der Druck am Arbeitsplatz bei vielen so hoch, dass sie sich abends eher unterhalten lassen wollen." Der 62-Jährige verurteilt das nicht, es ist ihm schlicht aufgefallen. Zweitens: "Der Kampf um Aufmerksamkeit wird immer intensiver. Es gibt selbst rund um Steckborn inzwischen so viele Veranstaltungs-Optionen, das man schon etwas Besonderes bieten muss, um die Leute zu bekommen."

Was die Zukunft bringt? Das Phönixtheater wird es weitergeben, es gibt finanzielle Leistungsvereinbarungen mit dem Kanton. Auch die Gemeinde Steckborn unterstützt das Theater. Sonderprojekte wie eben das Festival "tanz:now" werden über die Kulturstiftung des Kantons finanziert. Das Grundbudget des Theaters von rund 80 000 Franken im Jahr stehe derzeit jedenfalls nicht in Frage. Für Philippe Wacker könnte es aber zumindest mittelfristig auch mal etwas anderes geben. "Ich mache den Job hier wirklich sehr gerne. Aber irgendwann ist es auch an der Zeit, dass mal die Jüngeren übernehmen", sagt er. Er ist jetzt 62 Jahre alt, er hat noch Lust, ein paar Dinge zu gestalten in seinem Theater. Aber er sagt auch: "In den nächsten zwei, drei Jahren sollte es dann eine klare Nachfolgeregelung geben."  

 

Videobeitrag von Art-TV.ch zum "tanz: now" von 2015

Trailer zu Interface von MIR Compagnie


Trailer zu "Sun Trip" von Perrine Valli & Sunfast


Trailer zu "meet me halfway" von der Beaver Dam Compagnie


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