von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 28.03.2019
Plauderstunde mit Hazel

Hazel Brugger ist das Comedy-Aushängeschild der Schweiz. Bei ihrem Auftritt beim Festival „Kabarett in Kreuzlingen“ liefert sie eine souveräne Show. Beim Publikum zündet das allerdings nur teilweise.
Wann der sagenhafte Aufstieg von Hazel Brugger zur Comedy-Fachkraft Nummer 1 im Land begann, kann man heute so genau nicht mehr sagen. Mit 17 Jahren steht sie zum ersten Mal auf einer Poetry-Slam-Bühne. Drei Jahre später holt sie sich den Titel „Schweizer Meisterin“ in der Disziplin. Im November 2015 startet ihr erstes abendfüllendes Kabarettprogramm „Hazel Brugger passiert“. Etwa ab diesem Moment ist ihre Karriere regelrecht explodiert: Brugger räumt 2017 nahezu alle relevanten Preise der Kleinkunst-Szene ab, wird von der quotenstarken „heute-show“ im ZDF engagiert und scheint seither von Erfolg zu Erfolg zu schweben. Eine Konsequenz daraus: Fast alle Auftritte ihrer aktuellen Tournee des neuen Programms „Tropical“ sind ausverkauft.
Eine andere Konsequenz daraus: Die Crux mit der steigenden Bekanntheit. Die Rechnung für die Fallhöhe eines Comedystars geht in etwa so: Höhere Bekanntheit führt zu grösserem Publikum führt zu höheren Erwartungen führt zu grösserer Wahrscheinlichkeit, das Publikum zu enttäuschen. Weil doch jeder Zuschauer bitte das Hazel-Bild serviert bekommen möchte, was er sich selbst von der 25-Jährigen gemacht hat. Vielleicht war das auch der Grund, dass sich Hazel Brugger bei ihrem Auftritt im ausverkauften Kreuzlinger Dreispitz am Mittwochabend unerwartet schwer tat.
Es dauerte lange bis zum ersten Zwischenapplaus, Geschmunzel war davor in der Überzahl. Vor allem in der ersten Hälfte zündete es nicht so recht zwischen Künstlerin und Publikum. Das könnte aber auch daran gelegen haben, dass Besucher aus Deutschland ihre Mühe mit dem Schweizerdeutsch hatten. Brugger, schwarze Jeans, dunkelgrünes T-Shirt, zog ihr Programm komplett im Dialekt durch, „das mache ich immer so, wenn ich in der Schweiz auftrete.“

Wie bei einem Feierabendbier in der Eckkneipe
Das neue, Bruggers zweites abendfüllendes, Programm heisst „Tropical“ und darin spreche sie „über die grossen Themen dieser Welt“, heisst es im Pressetext ihrer Agentur. Wer Brugger kennt, der weiss, mit üblichem Polit-Kabarett hat das nichts zu tun. Von der Zeigefinger-Moral mancher Kollegen hält die 25-Jährige wenig bis nichts: „Ich habe leider keine Systemkritik dabei, die müssen Sie sich woanders holen“, sagt sie von der Bühne ins Kreuzlinger Publikum. Brugger verfolgt einen anderen Ansatz: Bei ihr ist alles Private politisch und so erzählt sie vor allem aus ihrem Leben. Redet über ihre Smartphone-Sucht, ihr früheres Vorbild Thomas Gottschalk, Urinproben, Besuche beim Frauenarzt und Verhütung via Kupferspirale.
Alltagskram bestimmt das Programm. Nettes Geplauder. Das funktioniert vor allem deshalb, weil Hazel Brugger eine so grossartige, herrlich unaufgeregte Erzählerin ist. Da ist nichts aufgesetztes, genauso könnte sie es einem auch bei einem Feierabendbier in der Eckkneipe erzählen. Man hört ihr gerne zu. So gerne, dass man sich wundert, wo die Zeit geblieben ist, als sie nach knapp einer Stunde die Pause ankündigt.
Video: Zum Hype um Hazel Brugger
Von der bösesten zur coolsten Frau der Schweiz
Danach geht es im ähnlichen Stil weiter. Hazel Brugger redet über ihr Alter, ihre Eltern („sie kommen jetzt in ein Alter, wo es spannend wird“), Mittelaltermärkte („sehr erwachsene Form von Spass“) und die Frage, ob James Bond jemals von einer Frau gespielt werden sollte. Bruggers Haltung ist da klar: Nein, sollte er nicht. Die Sache ist allerdings die: Wenn derlei Allerweltthemen verhandelt werden, kann so ein Abend schnell mal belanglos werden. Dass genau das an diesem Abend nicht passiert, liegt an Bruggers Kunst, die grossen Themen auf einer sehr persönlichen Ebene zu erläutern. Den Unterschied zwischen Toleranz und Respekt erklärt sie anhand ihres Verhältnisses zu ihren Brüdern, die Differenzen zwischen der Schweiz und Deutschland demonstriert sie an den Fahrweisen auf der Autobahn und wenn Brugger über sich sagt, sie sehe gerade so gut aus, dass Männer gerne in ihre Show kommen, „aber nicht so gut, dass ihre Frauen es ihnen verbieten würden“, dann hat sie in diesem einen Satz vermutlich mehr über unsere Gesellschaft verraten als es minutenlanges Gezeter im klassischen Politkabarett je könnte.
Hazel Brugger wurde mal das Etikett der „bösesten Frau der Schweiz“ angeheftet. Wenn es je gestimmt hat - diese Zeiten sind jetzt vorbei. Ihre Boshaftigkeiten setzt sie nur noch sparsam ein. Zum Beispiel, wenn sie über das Verhältnis zwischen Frauen redet: „Eine starke Frau zu sein bedeutet auch, schwache Frauen zu erkennen und sich durch Geld von ihnen abzuheben.“ Der dosierte Einsatz erhöht die Wirkung. Die Ho-Ho-Ho-Lacher sind ihr an diesem Punkt gewiss. Aber insgesamt braucht die 25-Jährige dieses alte Label nicht mehr. Sie hat sich davon frei gemacht. Was ihr allerdings geblieben ist, ist diese erstaunliche, zwischen Ikonen- und kumpelhaft changierende Coolness. Die Zuschauer nehmen auf den Weg in die Kreuzlinger Nacht vor allem ein Gefühl mit: Dass sie gerade einen unterhaltsamen Abend mit einer unaufdringlich, lustigen Freundin verbracht haben. Nicht das schlechteste Kompliment, was man einer Komikerin machen kann.
Video: Hazel Brugger und die scharfe Wurst

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