von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 30.11.2018
Museum auf Heimatsuche
Wie geht es weiter beim Historischen Museum Thurgau? Während sich die Regierung Anfang 2019 erklären will, kämpft die Stadt Arbon entschlossen um ihre Chance als neuem Standort. Mit immer neuen Ideen.
Immer wenn es um die Zukunft der Museen geht, steht das Historische Museum Thurgau ein bisschen im Schatten des Kunstmuseum Thurgau. Vor allem seitdem die Politik mehrfach erklärt hat, dass sie eine Sanierung und eine mögliche Erweiterung im Kunstmuseum in der Kartause Ittingen für dringlicher hält als im Historischen Museum. Trotzdem stellt sich ja auch dort seit Jahren die Frage, wie man sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen will.
In einem Interview mit thurgaukultur.ch hatte Museumsdirektorin Gabriele Keck bereits im Januar 2017 auf die Mängel in ihrem Haus hingewiesen: «In unserem Haupt-Ausstellungsort, dem Schloss, haben wir nur begrenzt Platz. Das ganze 19. und 20. Jahrhundert kann beispielsweise gar nicht gezeigt werden. Auch im Alten Zeughaus, unserem temporären Ausstellungsort, gibt es keine idealen Bedingungen für professionelle Museumsarbeit, weil die Klimabedingungen verhindern, dass wir sensible Objekte ausstellen können. (…) Unsere Depots sind nicht nur zu klein, sondern aus konservatorischer Sicht auch nicht mehr tragbar. Kulturschutzgüterräume müssen bestimmte Anforderungen erfüllen puncto Klima, Sicherheit und Logistik, was bei uns nur sehr eingeschränkt gegeben ist.» Von der Politik wird das Museum seither vertröstet: Mit den zwei Ausstellungsorten (Schloss Frauenfeld, altes Zeughaus Frauenfeld) habe das Historische Museum zwar „keine Ideallösung, aber mindestens eine pragmatische Zwischenlösung gefunden“, hiess es im März dieses Jahres.
Arbon geht selbstbewusst in den Wettbewerb
Anfang 2019 könnte es nun eine Entwicklung in der Sache geben: Regierungsrätin Monika Knill hat angekündigt, dass sie im Rahmen der Vorstellung der neuen kantonalen Museumsstrategie auch etwas zur Zukunft des Historischen Museums erklären möchte. Gut möglich, dass man dann sehr viel über Arbon reden wird. Die kleine Stadt am östlichen Zipfel des Kantons kämpft seit Monaten leidenschaftlich darum, doch noch neuer Standort für das Historische Museum zu werden. «Wir haben ein riesiges Besucherpotenzial, radeln doch jährlich 200.000 Velofahren rund um den Bodensee und somit auch durch Arbon. Da kann uns Frauenfeld als jetziger Standort des Historischen Museums nie das Wasser reichen», sagt beispielsweise Patrick Hug, Vize-Stadtpräsident und Kantonsrat (CVP), selbstbewusst.
«Wir rechnen mit Kosten von maximal 15 Millionen Franken.»
Patrick Hug, Vize-Stadtpräsident Arbon und Kantonsrat, über einen möglichen Erweiterungsbau des kantonalen Historischen Museums in Arbon
Neben verschiedenen politischen Initiativen, hat die eigens dafür eingesetzte Arbeitsgruppe (in der unter anderem mit Achim Schäfer der stellvertretende Direktor des Historischen und Völkerkundemuseums St. Gallen sitzt) auch schon verschiedene Ideen entwickelt, um das Museum in den Oberthurgau zu locken. So schlagen sie unter anderem einen mehrgeschossigen Annexbau vor, der das Historische Museum Arbon im Stadtschloss mit dem kantonalen Historischen Museum verbinden soll. «Das Schloss und der Erweiterungsbau würden ausreichend geeignete Ausstellungsflächen für ein kantonales Museum bieten. Zudem könnte das Projekt vergleichsweise kostengünstig und schnell realisiert werden. Wir rechnen mit Kosten von maximal 15 Millionen Franken», erklärt Patrick Hug gegenüber thurgaukultur.ch.
Die Frage ist: Gibt es auch Platz für die Depots?
Durch den Erweiterungsbau sollen - verteilt auf mehrere Geschosse - insgesamt rund 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche entstehen. «Die Verbindung zwischen dem grosszügigen Erweiterungsbau und dem Schloss soll durch einen speziellen Durchgang in Form einer Glas-Passarelle über die Schlossgasse gewährleistet werden», heisst es in der Projektskizze aus Arbon. Fraglich ist allerdings, ob an diesem Standort ausreichend Platz für das Historische Museum geschaffen werden kann. Neben den reinen Ausstellungsflächen müsste es auch Räume für die Depots geben. In den Depots schlummert der Schatz des Museums - die Sammlung. Es würde einen immensen Aufwand bedeuten, die Depots in und um Frauenfeld zu behalten, den Ausstellungsbetrieb aber nach Arbon zu verlegen.
Wie viel Sinn ergeben zwei Standorte?
Vielleicht weil dieser Aspekt inzwischen auch in Arbon registriert wird, gibt es nun einen neuen Vorschlag: Man favorisiere «eine dezentrale Lösung mit zwei Standorten - Schloss Arbon und Schloss Frauenfeld», hiess es in einer Medienmitteilung der Stadt Arbon Ende Oktober: «Eine örtliche Aufteilung würde ausreichend Raum für die Exponate und zugleich genügend Depotfläche bieten», argumentiert die Oberthurgauer Arbeitsgruppe. Für diese Lösung wolle man jetzt «ein Inhalts- und Standortkonzept erarbeiten». Sowohl die Lösung mit einem Erweiterungsbau am Schloss Arbon, als auch eine dezentrale Lösung seien miteinander kombinierbar, hiess es weiter. Die grosse Frage, die dieser Vorschlag aufwirft, ist: Ergibt es wirklich Sinn zwei Standorte für ein Museum zu kreieren? Administrativ wäre das sehr aufwändig, inhaltlich bräuchte es eine überzeugende Idee, weshalb das eine hier und das andere dort gezeigt wird.
Klar ist aber: Durch die Aktivitäten in Arbon steigt der Entscheidungsdruck auf die Politik. Nicht zuletzt deshalb, weil die Akteure im Oberthurgau es verstehen, eine Entscheidung für ein kantonales Museum in Arbon auch als Stärkung der peripheren Regionen des Kantons zu verkaufen. Die Kehrseite der Medaille davon ist: Sollte doch Frauenfeld zum Zuge kommen, würden sie wohl auf den Klüngel in der Kantonshauptstadt verweisen. Aber tatsächlich hat ja auch Frauenfeld gute Argumente für sich. Vor allem dank des frei werdenden Kasernenareals, in nächster Nähe von Innenstadt und Bahnhof, auf dem sich ein Museumsneubau gut planen liesse. Auch die Sammlung in den Depots müsste man nicht auseinander reissen, wenn alles zentral in Frauenfeld bliebe. Zudem wäre die Frage: Wenn das Historische Museum nach Arbon zöge, was würde dann aus dem Schloss Frauenfeld? Einen Käufer dürfte der Kanton nicht so leicht finden und ob die Stadt Frauenfeld daran Interesse hätte, darf auch eher bezweifelt werden.
Setzt sich der Oberthurgau am Ende tatsächlich durch?
Gerne wüsste man auch, was Museumsdirektorin Gabriele Keck zu der Debatte um die Zukunft ihres Hauses sagt. Aktuell muss sie allerdings schweigen: Vor der von Monika Knill angekündigten Medienkonferenz zur Zukunft der Museen Anfang 2019, sind die Museumsdirektorinnen und -direktoren angehalten, sich nicht öffentlich zu dem Thema zu äussern. Allerdings hatte Gabriele Keck in dem bereits eingangs erwähnten Interview aus dem Januar 2017 keinen Hehl aus ihren Präferenzen gemacht: «Museen müssen dahin, wo die Menschen sind. Nach unserer Besucherstatistik ist der Fall ganz klar, wo die Menschen herkommen. Da kommt etwa die Hälfte der Besucher aus Frauenfeld und Umgebung. Deshalb sollte es in Frauenfeld sein, das ist ein guter Ort hier. Mit dem Kasernenareal bietet sich erstmals eine Chance, von der ich denke, sie wäre auch finanziell realisierbar, weil es ein Neubau wäre. Neubauten sind in der Regel günstiger als Umnutzungen. Dazu kommt: Frauenfeld hat eben den Hauptstadtcharakter und ich kenne im Land kein anderes kantonales Museum, welches nicht in der Hauptstadt wäre. Hier sind auch andere Museen sowie das Staatsarchiv. Es wäre gut, wenn man das beieinander liesse.»
«Das Museum sollte in Frauenfeld bleiben, das ist ein guter Ort hier.»
Gabriele Keck, Direktorin Historisches Museum Thurgau im Januar 2017
Ob Kecks Wunsch berücksichtigt wird, oder ob sich am Ende doch der Oberthurgau durchsetzt, wird sich wohl Anfang 2019 klären. Vielleicht.
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