von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 28.10.2019
Kleine Risse im Nebel
Wird das Historische Museum Thurgau künftig auf drei Standorte verteilt? Das legte zumindest eine bemerkenswert unterhaltsame Podiumsdiskussion zur Standortdebatte am Samstag im Schloss Arbon nahe.
Das Setting war fast perfekt: Durch die Strassen und Gassen von Arbon waberte am Samstagmorgen noch der Nebel, als Stadtpräsident Dominik Diezi (CVP) eine Podiumsdiskussion im Schloss Arbon über den künftigen Standort des Historischen Museums Thurgau eröffnete. Das passte insofern ziemlich gut, weil ja auch dort noch vieles unklar und nebulös ist: Bleibt das Museum in Frauenfeld? Zieht es an einen anderen Standort wie Arbon? Oder gibt es eine Lösung, die beide Städte irgendwie berücksichtigt?
Das Thema jedenfalls scheint die Arbonerinnen und Arboner zu interessieren: Dass an einem Samstagmorgen zu einer kulturpolitischen Diskussion rund 80 Besucherinnen und Besucher kommen, geschieht jedenfalls selten. Sie erlebten eine bemerkenswert unterhaltsame Diskussion, die zwar nicht jeden Nebel lichten konnte, aber doch einige interessante Schlaglichter setzte.
Die wichtigsten Erkenntnisse lauten so: Arbon darf sich weiterhin Hoffnung auf zumindest einen Teil des Historischen Museums machen, Frauenfeld wird wohl seinen Teil im Schloss behalten und es ist nicht unwahrscheinlich, dass das kantonale Historische Museum künftig auf drei Standorte verteilt sein wird: Die Mittelaltergeschichte des Kantons in Frauenfeld, das Schaudepot St.Katharinental und die Industriegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts in Arbon.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass der Teil alte Thurgauer Geschichte im Schloss Frauenfeld bleibt, ist relativ hoch.“
Paul Roth, Generalsekretär Departement für Erziehung und Kultur
Paul Roth, Generalsekretär des kantonalen Departements für Erziehung und Kultur (DEK) und Leiter jener Arbeitsgruppe, die sich mit der Standortfrage des Historischen Museums (in unserem Dossier zum Thema gibt es weitere Hintergründe) befasst, war aus Frauenfeld in den Oberthurgau gereist, um über den Stand des Projektes zu informieren. Roth machte das ziemlich geschickt: Hoffnungen wecken, ohne zu viel zu versprechen. Loben, ohne sich allzu klar zu positionieren. Ganz so wie man es von einem alten Hasen des Politikbetriebs erwarten würde. Das klang dann meistens etwa so: „Die Wahrscheinlichkeit, dass der Teil alte Thurgauer Geschichte im Schloss Frauenfeld bleibt, ist relativ hoch. Das Schloss Frauenfeld ist ein Standort, der für diesen Bereich gut funktioniert. So etwas gibt man nicht unüberlegt auf. Die Chancen für Arbon sind trotzdem intakt.“
Roth gab auch einen kleinen Einblick in die Arbeit der Projektgruppe. Bis Frühling 2020 will man dem Regierungsrat eine Empfehlung zum künftigen Standort vorlegen. Im Gespräch seien die Gemeinden Frauenfeld, Kreuzlingen, Weinfelden, Arbon, Amriswil und Romanshorn gewesen. Inzwischen deute sich aber an, dass es vor allem zwischen Frauenfeld, Arbon und Kreuzlingen entschieden werde. Das war insofern interessant als man von den Kreuzlinger Bemühungen um das Historische Museum bislang eher wenig wusste.
Paul Roth machte an diesem Vormittag eigentlich nur einen Fehler
„Aktuell sind wir im Abwägungsprozess, wir werden uns alle potenziellen Standorte genau und sorgfältig anschauen und dann eine Empfehlung aussprechen“, so Roth weiter. Und: „Der Weg zu einem ergänzenden Historischen Museum ist noch lang. Am Ende wird auch hier eine Volksabstimmung stehen“, so der Generalsekretär, der an diesem für ihn durchaus heiklen Vormittag in Arbon eigentlich nur einen Fehler machte: Um die Qualität der Museen im Kanton zu unterstreichen, verwies er ausgerechnet auf einen kürzlich erschienen, sehr euphorischen Artikel aus der Sonntagszeitung, der mit dem pikanten Hinweis versehen war, dass er in Kooperation mit Thurgau Tourismus entstanden sei. Gesponserter Journalismus also, der, nun ja, nicht unbedingt als Kronzeuge für Roths These taugte. In anderen Kontexten könnten einem solche Quellen um die Ohren fliegen, am Samstagmorgen in Arbon gab es dazu keine Debatte.
Stattdessen durfte Stadtpräsident Dominik Diezi seine drei besten Argumente für eine Ansiedlung des Historischen Museums in Arbon nennen: „Die dezentrale Struktur des Kantons, die Geschichte von Arbon. Welcher Ort im Thurgau hat schon mehr Industriegeschichte zu bieten als wir? Und es gibt hier schon einige Museen, die wir zu einem Cluster zusammenschliessen könnten“, so der Stadtpräsident, der sich ansonsten mit grossen Forderungen an den Kanton zurückhielt. „Wir hoffen, dass es in die Richtung geht, die wir uns wünschen“, so Diezi.
Glänzend aufgelegter Moderator, gute Podiumsgäste
Dass der Vormittag im Schloss Arbon trotzdem kurzweilig wurde, lag an zwei weiteren Dingen: Erstens: Dem glänzend aufgelegten Moderator Andrea Vonlanthen. Der SVP-Kantonsrat, einer der grossen Kämpfer für das Historische Museum in Arbon, stellte bissige und kluge Fragen, auf die er zwar nicht immer eine Antwort bekam, aber er hatte doch einen guten Anteil daran, dass das Gespräch auf dem Podium keine belanglose Plauderei wurde, sondern die wesentlichen Themen erörtert wurden. Zweitens: Die weiteren Gäste auf dem Podium. Allen voran Ruedi Baer vom Saurer-Museum und Heier Lang, Präsident des Vereins „Museen im Thurgau“.
Baer empfahl dem Kanton unter anderem, endlich mal Gas zu geben bei der Standortsuche und „über Inhalte zu reden“. Baer und Lang zeigten sich auch als Kritiker der im März vorgestellten kantonalen Museumsstrategie („Diese Strategie ist viel Beton und etwas wenig Inhalt“, sagte Ruedi Baer etwa) und zurückhaltend, ob der nun eingeschlagene Weg des Kantons der Richtige sei. Das zeigte sich besonders als Moderator Vonlanthen ein Zwischenfazit auf dem Podium zog und Paul Roth fragte, ob das Historische Museum dann künftig auf drei Standorte (Frauenfeld, Diessenhofen, Arbon) verteilt werde. „Ja, in die Richtung könnte es gehen“, liess sich Roth entlocken, um gleich hinterher zu schicken, dass die Entscheidung darüber zunächst dem Regierungsrat und dann dem Volk obliege. Bei Heier Lang traf diese Tendenz auf Zurückhaltung: „Ob es sinnvoll ist, sich so zu verzetteln mit drei verschiedenen Standorten muss der Kanton selbst wissen“, sagte er.
Was ist wichtiger? Die Regionen oder vielleicht doch das Museum?
Viel mehr wollte er dazu eigentlich nicht sagen, aber weil Moderator Andrea Vonlanthen immer weiter bohrte, liess er sich doch noch etwas tiefer in die Karten blicken: „Schauen Sie, man muss sich überlegen in der Sache: Was ist wichtiger? Museumspolitik oder Regionalpolitik? Der Kanton hat sich offenbar für die Regionalpolitik entschieden, also eher zu fragen, was ist gut für die Regionen und weniger zu fragen, was ist gut für das Museum. Das kann man so machen. Aber für ein Museum ist eine Aufteilung auf drei Standorte im Hinblick auf seine Strahlkraft nicht unbedingt die beste Entscheidung.“ Viel besser konnte man den aktuellen Stand der Debatte kaum analysieren. Fortsetzung folgt, bis zum Frühjahr 2020 soll die Entscheidung gefallen sein.
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