von Stefan Böker, 02.09.2024
Ein halbes Jahrhundert Kultur
Der Verein «GONG – Aadorfer Kulturveranstalter» feiert ein unglaubliches Jubiläum: Seit 50 Jahren sorgen dessen engagierte Mitglieder und zahlreiche Freiwillige für bunte Unterhaltung im Dorf. In dieser langen Zeit hat sich vieles verändert, Akteure kamen und gingen – der Schwung aus den Anfangstagen jedoch, die Leidenschaft für Kultur, ist geblieben. Wie haben «die Göngler» das geschafft? (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Es braucht viel Herzblut, Durchhaltevermögen, ja fast schon Besessenheit aller Beteiligten, wenn man einen Kulturverein in ehrenamtlicher Arbeit so lange am Leben erhält. Das wird klar beim Gespräch mit Pascal Mettler, dem heutigen Leiter des Vereins, und der ehemaligen Leiterin Lilo Wellinger. «Ich bin einfach ein Fan», beschreibt Mettler seinen vielfältigen Geschmack. «Von allem, wo etwas läuft, wo etwas ausgedrückt wird, wo Geschichten erzählt werden.»
Der Kulturmanager stiess 2011 in einer schwierigen Zeit zum GONG. Durch sein Netzwerk und sein Knowhow trug er dazu bei, dass der Verein wieder aktiver wurde und heute mit über 200 Mitgliedern, nebst dem aktiven Vorstand, und vielen Freiwilligen, bis zu 10 Veranstaltungen pro Jahr auf die Beine stellt, seit seinem Eintritt auch Festivals. «Damals wie heute war unser Ansinnen, qualitativ gute, vielfältige Veranstaltungen für die ganze Bevölkerung zu bieten», sagt er.
Dem stimmt Lilo Wellinger zu: «Kultur bedeutet für mich: Menschen zusammenzubringen. Egal ob mit Musik oder Theater, obwohl mein Herz für den Blues schlägt.» Dass man dafür nicht auf die Bühne muss, sondern als Veranstalterin und kulturpolitische Vorkämpferin eine wichtige Rolle innehat, lernte sie im GONG.
Ein «Graffitikeller» als Keimzelle
Ganz wichtig für das Entstehen einer lebendigen Kulturszene ist eine Keimzelle, ein Ort, an dem sich die Akteure verwirklichen können. Dieser Ort war in Aadorf der sogenannte «Graffitikeller», der Vorraum zu einem Luftschutzbunker unter dem Coop. Dieser wurde den «Gönglern», wie sich die aktiven Vereinsmitglieder stolz nannten, irgendwann in den 80ern von der Familie Entress unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Endlich hatten sie ihren eigenen Raum!
Die «Göngler» motzten den Keller auf und installierten eine feste Bühne, auf der namhafte Künstlerinnen und Künstler auftraten. Lilo Wellinger erinnert sich mit Begeisterung an diese Tage, zum Beispiel einen Auftritt von Blues Max oder die ersten Eigenproduktionen des Theaters. «Der Raum fasste 90 Personen. Die Luft war verraucht, es war oft voll bis obenhin, die Gäste standen bis draussen und schauten durch die schmalen Fenster zu. Das war nicht komfortabel, aber es war einzigartig und hatte Charme.»
Der Keller war zudem ein Ort, an dem sich Generationen trafen. «Ich glaube, ich hatte den ersten Auftritt mit meiner Band auf dieser Bühne», erinnert sich Mettler. Denn mehrere Proberäume gab es dort ebenfalls. «Und mein erstes Graffiti sprühte ich dort auch.» Als Jugendlicher in dieser Zeit habe man so oder so immer wieder Kontakt zum GONG gehabt.
Jugendliche, für die es eine Lebensphilosophie war
Der GONG selbst ist entstanden durch Jugendliche. Anfang der 70er Jahre schloss sich eine lose Gruppe kulturaffiner junger Menschen zusammen. Ihr Interesse galt zunächst Filmvorführungen. 1974 gründeten sie mit ehemaligen Lehrpersonen zusammen den Verein – und organisierten vom Rockkonzert in der Reithalle bis zum Ungarischen Chor in der evangelischen Kirche zahlreiche grosse Events, die den Beteiligten wohl für immer in Erinnerung bleiben werden.
«Kleinkunstveranstalter Aadorf» nannte sich der GONG damals, nicht wie heute «Kulturveranstalter Aadorf». Entscheidend für den Erfolg des Kulturvereins war zudem der Zusammenhalt im Vorstand. Lilo Wellinger weiss noch, wie man nächtelang diskutierte, sich danach aber immer wieder vertrug. Oder wie man nach erfolgreichen Veranstaltungen gemeinsam nach Winterthur fuhr, um im Nachtleben der grösseren Stadt weiterzufeiern. Mehr wie eine Clique, wie ein Freundeskreis eben – nicht wie ein Verein.
Dazu gehörte auch, dass sich im Verein verschiedene Geschmäcker verwirklichen durften. So standen die einen eher auf Rock- oder Blues, die anderen auf klassische Musik. Also machte man verschiedene Programmgruppen. «Wir sind damals auch viel gemeinsam herumgefahren, um uns Sachen anzuschauen, die vielleicht für uns in Frage kamen», erinnert sich Wellinger an diese Prä-Internet-Zeiten. Auch heute noch sei dieser gemeinschaftliche Spirtit zu spüren, meint Pascal Mettler, diese Lebensphilosophie. «Grosse Festivals wie die ‹Krönung› auf die Beine zu stellen, schweisst auch zusammen.»
Eine lebendige Gesellschaft brauche gute Kultur, auch in Form von überraschenden, selbstkritischen, unterhaltsamen, nachdenklichen Veranstaltungen, sagen beide.
Ein Fest für die ganze Bevölkerung
Über das Jubiläumsfest sagt er: «Wir wollen als Verein, der in Aadorf verwurzelt ist, unserem Publikum, der Bevölkerung Aadorfs, all den ehrenamtlichen GONG-Mitarbeiter:innen, unseren Gönnern und Sponsoren, sowie der Gemeinde Aadorf und dem Kanton Thurgau einen herzlichen Dank aussprechen.» Die Auswahl aus Klassik, Pop, Rock, Comedy und Familienprogramm stellt für ihn einen Querschnitt der Künste dar, die der GONG in den vergangenen Jahren zeigte.
Ein richtiges Spektakel darf es sogar werden, meint er in Anlehnung an frühere Sommerspektakel. Das waren Anlässe, die ab 1986 anlässlich der 1100-Jahr-Feier von Aadorf alle zwei Jahre durchgeführt wurde, und an denen viel Strassenkunst bis hin zu Gauklerei und einem Hochseilakt gezeigt wurden.
Und warum heisst der Verein eigentlich GONG? Diese Frage konnten weder Pascal Mettler noch Lilo Wellinger beantworten. «Ich glaube, da steckt keine Bedeutung dahinter», meint der Kulturmanager. Wellinger nickt zustimmend. «Es handelt sich wohl wirklich um den Gong, der den Anfang der Veranstaltung einläutet.» Und das hoffentlich noch viele weitere Jahre tun wird.
Das Jubiläumsfest: «Konzerte, Comedy, Familienprogramm und Feuershow»
50 Jahre GONG – das muss gefeiert werden. Das dreitägige Jubiläumsfest beginnt am Donnerstag, 12. September, mit einem Konzert plus Multimediashow im Grossen Saal des Kultur- und Gemeindezentrums. Spielen werden der aus Matzingen stammende Profi-Perkussionist Fabian Ziegler zusammen mit John Psathas, ebenfalls Perkussion, und der Pianistin Akvilė Šileikaitė. Während allen drei Tagen kann man die grosse Ausstellung über die «GONG-Story» im Zirkuszelt auf dem Gemeindeplatz bestaunen.
Am Freitag, 13. September, startet bereits um 17 Uhr im Zirkuszelt ein Familienprogramm des Tanztheaterhaus Aadorf für Kinder ab 3 Jahren und Erwachsene. Am Abend sind zwei Konzerte: Erst Sina, die Walliser Mundart-Sängerin und zweifache Swiss Music Award-Gewinnerin (Bild), und danach die legendäre Aadorfer Partyband Notus-Gang.
Der Samstag, 14. September, wird zum richtigen Dorffest. Das Tanztheaterhaus Aadorf bietet ab 13 Uhr ein vielseitiges Familienprogramm, bei dem auch die Reste der Kleidertausch-Börse in lustiger Weise im Publikum verteilt werden (Während des Festivals wird eine grosse Wäscheleine gespannt, an der alle Aadorfer:innen nicht mehr gebrauchte, aber gut erhaltene Kleidungsstücke aufhängen – und mitnehmen – dürfen). Von 13 bis 17 Uhr ist auf dem Gemeindeplatz eine Festwirtschaft in Betrieb. Am Abend sorgt das Comedy-Duo Lapsus für Lacher. Den Abschluss macht eine Feuershow – denn Kultur in Aadorf soll auch weiterhin mit Feuer organisiert, genossen und zelebriert werden.
Ausführliche Informationen zum grossen Jubiläumsfest und weiteren Veranstaltungen auf der GONG-Homepage.
Von Stefan Böker
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