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von Dieter Langhart, 13.06.2023

Die Revolution kam auch aus dem Thurgau

Die Revolution kam auch aus dem Thurgau
Der Uhrmacher Georg Böning (re.) als Kommandant der Schweizer Fremdenlegion. Nach der Kapitulation wird der legendäre Demokrat in Wiesbaden standrechtlich erschossen | © Dreiländermuseum Lörrach

1848 ging es um Freiheit und Freiheitsrechte – in Konstanz wie in Kreuzlingen. Eine Ausstellung im Rosgartenmuseum erinnert daran. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Beidseits des Seerheins rumorte es in der ersten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts. Nach Napoleons Niederlage 1815, nach dem Wiener Kongress, galt es, eine national geeinte deutsche Grossmacht zu verhindern. Doch wie ging es den Menschen, den Bauern? Dreckig. Nach einigen Missernten mussten sie hungern, und sie dürsteten nach politischer Freiheit.

Über die Zeitungen in den Wirtschaften erfuhren sie Neuigkeiten, sahen die frechen Karikaturen, hörten die Spottlieder, tauschten sich aus, machten sich Luft. Was sie wollten? Lediglich politische Beteiligung. Und eine Bewegung entstand, ein regelrechter Aufruhr gegen die unterdrückte Freiheit  – hüben im Thurgau wie drüben in Baden.

 

Szenen aus dem Sonderbundkrieg: Der Feldzug gegen den abtrünnigen Sonderbund dauert nur wenige Wochen. 150 Soldaten verlieren ihr Leben, 400 werden verwundet. Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

Gefährliche Schmuggelware

Diesem Aufruhr widmet das Rosgartenmuseum in Konstanz eine umfassende Ausstellung: «Jetzt machen wir Republik!» heisst sie, und Tobias Engelsing, Historiker und Direktor der Städtischen Museen Konstanz, hat sie mit seinen Mitarbeiterinnen ausgestaltet, hat sie wie gewohnt in einem reichhaltigen und opulent bebilderten Begleitband dokumentiert. 150 Seiten umfasst er – und er hat es in sich.

Natürlich beginnt das Buch mit den Konstanzer Verhältnissen vor der Revolution, streift das «Musterländle» Baden und die alten Adelsrechte, erklärt den Spagat der Justiz um 1848 zwischen mittelalterlichem Strafrecht und napoleonischem Zivilrecht – doch dann schwenkt Engelsing über zu einer gefährlichen Schmuggelware.

 

Freigeistige Literatur aus Schweizer Verlagen. Bild: Rosgartenmuseum Konstanz

Die List eines Appenzellers

Im Appenzellerland, in Kreuzlingen, Winterthur und Zürich werden ab 1840 Verlage gegründet, die sich der freigeistigen Literatur widmen. Als da sind der Belle-Vue-Verlag in Kreuzlingen, der unter anderem die Zeitschrift «Die Volkshalle» herausgibt; oder Johann Georg August Wirth, Redaktor und Verleger in Emmishofen; ebenso der Herisauer Buchdrucker und Verleger Johann Michael Schläpfer – dessen Flugblätter und Broschüren von Preussen und Bayern 1845 doch glatt verboten werden.

Der Appenzeller aber ersinnt eine List: Er lässt laut Engelsing neue Druckfahnen zu vermeintlichen Altpapierballen pressen, die über den See geschifft und «erst in Leipzig oder Berlin auseinandergenommen und heimlich zu Broschüren gebunden werden.». Engelsings Sympathie gilt den wehrhaften und erfindungsreichen Deutschen und Schweizern, die sich einen Deut um die Obrigkeiten scheren: «Ihre Produkte sind die geistige Munition des beginnenden Kampfes um die Freiheit.»

 

Fünf zeitungslesende Revolutionäre aus Waldkirch: Seltene fotografische Darstellung, die Teilnehmer der Aufstände des Jahres 1848 teils in „Heckerblusen“ zeigt. Bild: Elztalmuseum

Geistige Munition

Die Ostschweiz hat einen grossen Anteil an dieser Freiheitsbewegung. Die hiesigen Druckereien schmuggeln die Pamphlete von Schläpfer, Vanotti, Fröbel und anderen über den See nach Deutschland. Sie sind «die geistige Munition des beginnenden Kampfes um die Freiheit». Die Eisenbahn hilft bei der Verbreitung der Schriften, ebenso der Telegraf.

Tobias Engelsing sagt es ganz trocken: «1849 war die Revolution im Eimer.» Die Preussen hatten gesiegt, Tausende flohen in die Schweiz, in die grenznahen Kantone – und wurden hier gut «aufgenommen». Und später wanderten manche weiter, wie auch zahlreiche Schweizer, wanderten über Ellis Island aus in die USA.

Die Ausstellung ist zu sehen bis 7.1.2024 im Kulturzentrum am Münster in Konstanz

 

Gustav Struve, Friedrich Hecker und Alexander Schimmelpfennig in den blauen Blusen der Revolution 1848. Bild: Rosgartenmuseum Konstanz

 

 

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