von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 28.07.2020
Die Hüter des Geldes
44 Millionen Franken liegen aktuell im Thurgauer Lotteriefonds. Wie kommt man an das Geld ran? Und wer entscheidet eigentlich darüber, ob ein Projekt Geld bekommt, oder nicht?
Geld zu verteilen, ist nicht immer so vergnüglich, wie es klingt. Erst recht nicht, wenn es um Millionenbeträge geht. Die Verantwortung ist gross und irgendwer ist immer unzufrieden. Das kantonale Kulturamt kann mutmasslich ein Lied davon singen. Das Amt um Leiterin Martha Monstein ist für die Verwaltung der Mittel aus dem Lotteriefonds zuständig.
Aktuell steht der Fonds bei 44 Millionen Franken. Seit Jahren steigt der Betrag, weil regelmässig mehr reinkommt als ausgegeben wird. Dabei entscheidet das Kulturamt nicht alleine über die Vergabe der Mittel.
Die vier Entscheidungsebenen im Thurgau
Die Entscheidungen über die einzelnen Gesuche um Beiträge für kulturelle, wissenschaftliche oder gemeinnützige Projekte werden je nach Höhe der bewilligten Summe auf verschiedenen Ebenen getroffen:
Bis 10’000 Franken entscheidet das Kulturamt Thurgau gestützt auf die Beratung durch Fachreferentinnen und Fachreferenten.
Bis 20’000 Franken entscheidet das Departement für Erziehung und Kultur (DEK) gestützt auf die Beratung durch Fachreferentinnen und Fachreferenten
Ab 20’000 Franken und bis einmalig 3 Millionen Franken (oder wiederkehrend 1 Million Franken) entscheidet der Regierungsrat
Ab 200’000 Franken ist hierzu auch eine Stellungnahme der kantonalen Kulturkommission einzuholen
Alles was darüber hinaus geht, obliegt zur Entscheidung dem Kantonsparlament. Diese vier Entscheidungsebenen sind eine Thurgauer Spezialität, in anderen Kantonen wird das anders geregelt. Wir kommen darauf noch in einem späteren Teil der Serie zum Lotteriefonds zu sprechen.
Wofür das Geld ausgegeben werden darf
Entscheidungsgrundlagen im Thurgau sind das Lotteriegesetz und eine „Verordnung des Regierungsrates über die Verwendung der Mittel aus dem Lotteriefonds“ . Diese nennt insgesamt neun mögliche Verwendungszwecke: Kulturelle Projekte, Infrastrukturen im Kulturbereich, Förderbeiträge an Kulturschaffende, die Kulturstiftung des Kantons Thurgau, Anschaffungen von Kulturgütern, Denkmalpflege, gemeinnützige Projekte (inklusive Sport), Jugendaktivitäten sowie humanitäre Hilfsaktionen.
Eine angemessene Eigenleistung wird ebenso vorausgesetzt, wie die finanzielle Beteiligung der Gemeinden vor Ort. Kompliziert wird es bei einer weiteren Voraussetzung - die Bedeutung eines Vorhabens.
Wie genau wollte man das schliesslich bemessen? Was für den einen eine grosse Bedeutung haben kann, muss es für die andere noch lange nicht. Wohl auch deshalb interpretiert der Kanton die Definition dieses ohnehin weichen Kriteriums breit. Geld aus dem Lotteriefonds kann demnach bekommen, wer ein Projekt plant, „das für den Kanton oder eine grössere Region von Bedeutung, das von gesamtschweizerischer oder interkantonaler Bedeutung ist oder eine Bedeutung für die Regio Bodensee hat“.
Lotteriefonds ist im Prinzip offen für alle
Und wer kann sich nun um diese Gelder bewerben? Prinzipiell kann jeder und jede ein Gesuch beim Lotteriefonds einreichen. Im Kulturbereich tun dies oft Vereine und Gruppen, es können aber auch Einzelpersonen Gesuche stellen. Ausserdem unterstützt der Lotteriefonds Schulen auf Antrag mit Kleinbeiträgen für Kulturvermittlungsangebote und Besuchen, zum Beispiel in Museen. Wenn der Kanton ein interessantes Projekt erkennt oder selbst auf die Beine stellen möchte, kann auch er ein Gesuch einbringen. Gesuchsformulare kann man von der Internetseite des kantonalen Kulturamts herunterladen.
So oder so müssen Antragssteller ein umfangreiches Dossier inklusive Budget und Finanzierungsplan einreichen. Das Kulturkonzept des Kantons hält unter anderem die für die Unterstützung geltenden Richtlinien fest.
Die Zahl der Gesuche ist seit Jahren konstant
Im Jahr 2019 hat das Kulturamt laut Geschäftsbericht des Kantons Thurgau 498 Gesuche um Beiträge aus dem Lotteriefonds bearbeitet (siehe Grafik oben). Die grosse Mehrzahl davon wurden bewilligt: Insgesamt 371 GesuchsstellerInnen erhielten eine positive Nachricht. Das bedeutet fast drei Viertel aller Gesuche hatten Erfolg. In den vergangenen Jahren war die Zahl der eingegangenen Gesuche ziemlich konstant: Sie lag seit 2015 bei mindestens 461 (2018) und höchstens 498 (2019). Die Zahl der nicht unterstützten Projekte ist seit 2015 rückläufig: Sie sank von 136 (2015) auf 75 (2019).
Ein bisschen anders ist die Lage bei den Gesuchen an die Kulturstiftung. Dort ist die Zahl der eingegangen Gesuche seit 2015 leicht rückläufig: Von 132 (2015) auf 107 (2019). Aber auch hier wurden 2019 weniger Gesuche abgelehnt (16) als noch vor fünf Jahren (32). Die Erfolgsquote ist bei der Kulturstiftung allerdings niedriger als beim Kulturamt: Von 107 Gesuchen wurden 2019 60 bewilligt, das sind rund 56 Prozent positive Bescheide.
Weiterlesen: Der 44-Millionen-Schatz. Seit Jahren hortet der Kanton zig Millionen im Lotteriefonds. Dabei wünschen sich viele Kulturschaffende schon lange eine stärkere Unterstützung. Wie passt das zusammen?
Wie sind die Lotteriefonds entstanden?
Lotterien gab es in der Schweiz schon sehr lange und waren nicht reguliert. Unzählige lokale und regionale Lotterien führten mit der Zeit zu einem richtiggehenden Wildwuchs, Betrügereien und Unterschlagungen waren an der Tagesordnung. Also erliess der Bund im Jahr 1923 das Lotteriegesetz. Darin verbietet er grundsätzlich Lotterien – ausser, sie werden von den jeweiligen Kantonen für wohltätige und gemeinnützige Zwecke durchgeführt. 1937 gründeten die Kantone die Genossenschaft Interkantonale Landeslotterie (ILL). Die ILL sollte die Landesausstellung von 1939 mitfinanzieren. Daraus wurde dann die heutige Swisslos. Die Swisslos selbst darf keinen Gewinn machen, entsprechend fliessen aktuell jährlich gut 350 Millionen Franken in die jeweiligen kantonalen Lotterie- und Sportfonds, weitere gut 40 Millionen Franken gehen für die direkte Sportförderung an die Sport-Toto-Gesellschaft. Welcher Kanton, wie viel Geld bekommt, hängt ab von Einwohnerzahl und Spielquote im jeweiligen Kanton.
Transparenz-Hinweis: Kulturamtsleiterin Martha Monstein ist auch Verwaltungsrätin bei der Thurgau Kultur AG, jener gemeinnützigen Aktiengesellschaft, die hinter thurgaukultur.ch steht. Auch thurgaukultur.ch finanziert sich im Wesentlichen aus Mitteln aus dem Lotteriefonds. Pro Jahr erhalten wir insgesamt 240’000 Franken aus diesem Topf. 190’000 Franken stammen direkt aus dem Lotteriefonds, 50’000 Franken kommen von der Kulturstiftung des Kantons Thurgau. Mehr zur Geschichte und Finanzierung von thurgaukultur.ch gibt es hier.
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