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von Inka Grabowsky, 18.08.2023

Die bemerkenswerte Reise des Comedyexpress

Die bemerkenswerte Reise des Comedyexpress
Szene aus einem früheren Stück: Ohne Masken keine Ausserirdischen in der Rocky Humor Show | © Inka Grabowsky

Das inklusive Theater feiert am 26. August im Kulturforum Amriswil Jubiläum. Neben dem Festakt, Musik und vielen Mitmachaktionen geben die Schauspielerinnen und Schauspieler mit geistiger Beeinträchtigung Proben ihrer Kunst. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

«Es ist quasi mein Lebenswerk», sagt Peter Wenk, der 2003 den Comedyexpress gründete. «Mit 50 habe ich mir gesagt: Jetzt muss ich etwas verändern. Nachdem ich als festangestellter Kunsttherapeut an der Bildungsstätte Sommeri während mehrerer Jahre zu verschiedenen Anlässen mit immer neu zusammengewürfelten Gruppen Theaterstücke einstudiert hatte, wollte ich ein professionelles Theaterensemble aufbauen.» 

Innerhalb der Institution waren Theaterprojekte jeweils von Fall zu Fall bewilligt worden. Die ersten ein, zwei Jahre war also nie klar, ob das Team weiterarbeiten könnte. «Doch die Aufführungen waren erfolgreich. Der Comedyexpress wurde zum Selbstläufer und etablierte sich als inklusives Theater in der Region.» 

Als Wenk 2018 in Pension ging, gründete er mit seiner Partnerin Ambrosia Weisser die «theater INKLUSIV gmbh», um weiter einen Träger für das Ensemble zu haben. Inzwischen ist Peter Wenk 70 und denkt gar nicht ans Aufhören. «In meiner Alter müsste ich es ja eigentlich nicht mehr machen, aber es macht eben Spass. Es ist eine sehr dankbare Aufgabe: Alle sind so motiviert.»

 

Ambrosia Weisser und Peter Wenk bei den Vorbereitungen zur Zauberflöte im Marz 2019. Bild: Inka Grabowsky

«Wir arbeiten nicht sozial-, sondern kunstorientiert.»

Ambrosia Weisser, Theaterleitung und Regie

Einige Mitglieder sind schon sehr lange dabei. Roland Wepf und Flurin Hobi spielen seit 2004 mit und sind damit nach Peter Wenk Dienstälteste. Seit 2007 ist Ambrosia Weisser mit im Boot, inzwischen gemeinsam mit Wenk für die Theaterleitung und die Regie zuständig. «Es ist unser Herzblut. Wir leben dafür», sagt die Theaterpädagogin und Kulturmanagerin. «Und es ist schön, dass wir es teilen können.» 

In den 20 Jahren des Bestehens ist das Leben für die Truppe nicht einfacher geworden. «Engagements zu finden ist mühevoll. Wir sind ein Gastspielensemble und finanzieren uns über unsere Auftritte.» Lichtblick sei die feste Gruppe von Interessent:innen, die sich das Ensemble im Laufe der Jahre aufgebaut habe. Ein eigener Förderverein gibt ebenfalls wertvolle Unterstützung. 

Gäste im Laufe der Zeit

Der Comedyexpress beschäftigt beeinträchtigte Schauspielerinnen und Schauspieler. «Wir arbeiten jedoch nicht sozial-, sondern kunstorientiert», betont Weisser. «Unser Theater macht kein Therapieangebot.» Allerdings räumt sie ein, dass die Mitglieder durchaus viel lernen. «Wir fordern viel: Disziplin und Zuverlässigkeit sind Grundvoraussetzung für die Teilnahme.» Die Darstellerinnen und Darsteller treten schliesslich in einzelnen Szenen alleine auf. Dazu müssen sie selbständig sein. Meist jedoch steht ihnen ein Profi zur Seite. 

Ab 2004 spielte der renommierte Clown Olli Hauenstein mit, der sich allerdings 2015 abkoppelte. 2016 bis 2018 fungierte der Impro-Schauspieler Mario Müller als professioneller Anker für die Amateure. Inzwischen steht Peter Wenk mit auf der Bühne. «Das gibt den Anderen Sicherheit – und wir können uns darauf verlassen, dass die Aufführung dem Skript folgt», lacht Ambrosia Weisser. 

Sie ist ausserdem froh, dass sie ihren Sohn Julian Weisser mit ihrer Begeisterung für den Comedyexpress anstecken konnte. Der Musiker unterstützt das Ensemble in seiner Freizeit seit 2019. 

 

Olli Hauenstein gab zwischen 2004 und 2015 immer mal wieder den tollpatschigen Handwerker - hier eine Szene von Februar 2014. Bild: Inka Grabowsky

Maskenspiel für sich entdeckt

Der Comedyexpress spielt seit der «Zauberflöte» von 2019 auch mit Masken. «Wir waren lange mit der Idee schwanger gegangen», so Weisser. «Sprache steht ja bei uns ohnehin wenig im Mittelpunkt. Unsere Darstellerinnen und Darsteller müssen keine langen Texte auswendig lernen. Nicht jeder kann sich gut artikulieren. Wir brauchen also Gestik und ein körperbetontes Spiel. Pantomime passt deshalb gut ins Konzept.» 

Inzwischen habe es sich bewährt. Mit Maske sei man schnell jemand anders. Man schlüpfe automatisch in eine andere Figur. Herausfordernd sei aber die neue Spielmethode gewesen. «Schnelle Bewegungen passen nicht zum Maskenspiel. Eher baut man zusätzlich noch Stopps ein, also das Erstarren in einer Pose. Und zusätzlich muss die Maske auch noch immer dem Publikum zugewandt sein.»

Für einmal selbst basteln

Bisher hatte das Leitungsduo Wenk-Weisser die Masken gefertigt. In einem Sommerworkshop darf für einmal das Ensemble ran. Und endlich darf auch jeder seine Maske mit nach Hause nehmen. «Ihr könntet damit eure Eltern erschrecken», witzelt Ambrosia Weisser. «Das würde ich nie machen», sagt Schauspieler Flurin Hobi. 

Grundlage sind diesmal nicht Gipsabnahmen der menschlichen Gesichter, sondern mit Beton ausgegossene Plastiklarven aus dem Fasnachtsbedarf.  Auf ihnen wird mit Ton ein skurriles Gesicht geformt. Gebrannt werden muss der Ton nicht. Er wird mit Frischhaltefolie abgedichtet und dient dann als Unterlage für eine Pappmaché-Schicht. Das Endprodukt soll schliesslich leicht und gut zu tragen sein. 

 

Die Schauspieler Flurin Hobi, Bernie Peter und Roland Wepf freuen sich, einmal selbst eine Maske gestalten zu können. Bild: Inka Grabowsky

Gemeinsam entwickelt

Die Theaterstücke entstehen ähnlich iterativ. Hier bilden Ideen, die Peter Wenk und Ambrosia Weisser entwickeln, die Basis. Das Ensemble prägt dann während der Proben die Szenen mit. Als Zwischenproduktion hat der Comedyexpress eine eigene Version der Odyssee einstudiert, die bisher erst einmal intern aufgeführt wurde. 

Schauspieler Berni Peter reist als Odysseus um die Welt. «Anfänglich musste er mit seiner Mannschaft das Schiff klar machen», erzählt Ambrosia Weisser. «Und hier fing das Spielen an – im wortwörtlichen Sinn: Die Ensemble-Mitglieder haben selbst überlegt, was sie auf der Bühne machen könnten. Das hat grossartig funktioniert.» Bis das breite Publikum das Ergebnis sehen kann, dauert es noch bis zum 1. März 2024. In einer speziellen Best-Of-Jubiläumsproduktion wird Odysseus dann durch die bisherigen Stücke des Comedyexpress reisen. Berni-Odysseus gerät also in die Schwarzwitzklinik von 2005 oder die immer noch aktuelle Rocky Humor Show

Mit zweimal zwei Szenen möchte der Comedyexpress an der Jubiläumsfeier am 26. August beim Publikum den Appetit auf seine «Odyssee – eine musikalische Irrfahrt durch 20 Jahre Comedyexpress» wecken. 

 

Masken prägen das Spiel seit der Zauberflöte 2019. Bild: Inka Grabowsky

 

Das bietet das Jubiläumsfest am 26. August in Amriswil

20 Jahre COMEDYexpress

Jubiläumsfest am 26. August 2023 

14 bis 21 Uhr 

Aus dem Programm:

 19 – 21 Uhr: Musik von «schwestergaby»

Nachmittags Chasperlitheater mit Theater Wunderfitz

Kulturforum Amriswil

Eintritt frei 

 

 

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