von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 03.05.2021
Auf dem Weg in die Zukunft
Die Entscheidung ist gefallen: Das Neue Historische Museum soll in der „Webmaschinenhalle“ in Arbon eröffnen. Das jetzt vorliegende Konzept weist den Weg zu einem spektakulären Ort. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
In sechs Jahren könnte der lange Weg zu einem Neuen Historischen Museum (alle Entwicklungen bei uns im Dossier) des Kantons endlich sein Ende finden. Wenn alles gut geht, dann eröffnet 2027 dieses neue Museum seine Türen in Arbon. Unter dem Arbeitstitel „Museum Werk 2“ soll dann in der Webmaschinenhalle auf dem Saurer-Areal Werk Zwei die jüngere Geschichte des Kantons ab 1798 gezeigt werden. Auf den Standort hat sich der Regierungsrat laut einer Medienmitteilung nun festgelegt.
Zuletzt war neben der Webmaschinenhalle auch noch das in Nachbarschaft gelegene „Zentralmagazin“ als Standort im Rennen. Eine Experten-Arbeitsgruppe hat dem Regierungsrat nun aber empfohlen, die weiteren Bemühungen um das neue Museum auf die 112 Jahre alte Webmaschinenhalle zu konzentrieren.
Bis zu 45 Millionen Franken dürfte das Projekt kosten
Den Ausschlag für die Webmaschinenhalle gaben laut Machbarkeitsstudie der Experten letztlich städtebauliche und finanzielle Fragen. So sei unter anderem der Kauf der Webmaschinenhalle deutlich günstiger als der Kauf des Zentralmagazins. Nach Angaben des Regierungsrats liegt dieser Kaufpreis bei rund einer Million Franken. Die Verhandlungen mit dem bisherigen Immobilieneigentümer seien so weit fortgeschritten, „dass lediglich letzte Details geklärt werden müssen“, erklärte der Regierungsrat zudem in einer Mitteilung.
Der Kauf der Immobilie ist in dem Projekt aber einer der geringeren Posten. Insgesamt rechnet die Regierung derzeit mit Kosten zwischen 40 und 45 Millionen Franken für den Bau des Museums.
Die Zukunft der Arbeit als ein zentrales Thema des neuen Museums
Neben den Zahlen rund um das Millionenprojekt gibt es nun auch erstmals einen konkreten Einblick in die inhaltliche Ausrichtung dieses neuen Museums. Auf fünf Seiten fasst die Projektgruppe ihre Ideen zusammen. Zwei Fragen, die uns heute betreffen und auch in Zukunft betreffen werden, sollen dabei im ganzen Haus im Mittelpunkt stehen: Wie und unter welchen Bedingungen altern wir? Und werden Maschinen und Computer künftig unsere Arbeit übernehmen? Kulturgüter aus allen Epochen, aus der Archäologie, der Naturgeschichte, der Kunst oder der Ethnologie sollen diese Themen veranschaulichen.
Das Konzept zeigt, dass es den MacherInnen darum geht, den künftigen BesucherInnen persönliche Bezüge zu den Themen zu ermöglichen. Wie wir heute über Arbeit denken soll damit kontrastiert werden, wie früher darüber gedacht wurde.
Bezüge zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufzeigen
Ein anschauliches Beispiel für die Herangehensweise an Themen liefert der Konzeptentwurf der Projektgruppe direkt mit: „Das Publikum besucht das Museum mit einer gegenwärtigen Perspektive. Im Hinterkopf haben die Besucherinnen und Besucher vielleicht Fragen wie jene, ob die Arbeit in Zukunft von einem Computer übernommen wird oder ob künftig nur noch vier Stunden pro Tag gearbeitet wird. Auf dem Rundgang treffen Museumsbesuchende dann zum Beispiel auf prähistorische Objekte, die in Kooperation mit der Archäologie gezeigt werden, und erfahren, dass der Mensch vor der Einführung der Landwirtschaft ebenfalls nur vier Stunden gearbeitet hat, dass die Zahl der Arbeitsstunden sich mit dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht aber verdreifachte. Ausgehend von einer solchen Geschichtsperspektive lassen sich lehrreiche Ausstellungsstationen planen etwa zu Themen, was Arbeit für die Identität des Menschen bedeutet oder in welchem Fall Fortschritt negativ oder positiv bewertet werden kann.“
In vier verschiedenen Ausstellungszonen soll das jeweilige Thema bearbeitet werden: „Arbeitstier“ (Arbeitsmodelle früher und heute), „Menschmaschine“ (Verhältnis zwischen Mensch und Maschine, Natur und Technik), „Lebemensch“ (die Sorge rund um das Altern) und „Zukunftslabor“ (Raum für Zukunftsentwürfe und Experimente). Die Hauptausstellung soll zudem regelmässig überarbeitet werden, Sonderausstellungen auch in Kooperation mit anderen kantonalen Museen oder weiteren Partnern sollen möglich werden.
Das inhaltliche Dossier zeigt, wie Museumsarbeit heute geht
Liest man das knapp 5-seitige Dossier zur inhaltlichen Ausrichtung, merkt man schnell: Wird das Konzept der Projektgruppe, das mit Hilfe der Zürcher Agentur Bellprat Partner AG entwickelt wurde, so umgesetzt wie es nun angedacht ist, dann könnte tatsächlich ein spektakulärer neuer Wissens- und Erlebnisort im Thurgau entstehen
Der Weg dahin ist allerdings noch lang. Für die weiteren Arbeiten hat der Regierungsrat nun eine neue Projektorganisation sowohl mit kantonalen Vetreterinnen und Vertretern als auch mit einer Vertreterin und einem Vertreter der Stadt Arbon eingesetzt. Diese soll die bauliche Machbarkeit skizzieren sowie eine Vorstudie erarbeiten zur Vorbereitung eines Architektenwettbewerbs.
Der Weg zum Ziel ist lang: Ende 2024 soll das Volk entscheiden
Die Ergebnisse des Wettbewerbs könnten Ende 2022 vorliegen. Bis Herbst 2023 soll ein Kostenvoranschlag fertig sein mit dem das Projekt dann 2024 zur Abstimmung in den Grossen Rat geht. Ob der Kanton tatsächlich ein neues Museum bekommt, liegt am Ende in der Entscheidung des Volkes. Nach bisherigen Plänen soll diese Abstimmung Ende 2024 stattfinden. Sagt das Volk „Ja“, dann geht es ab 2025 in die konkrete Umsetzung. Zwei Jahre später könnte dann die erste Vernissage im neuen Museum stattfinden.
„Wir sind mehr denn je davon überzeugt, dass wir mit Arbon den idealen Standort für die Präsentation der neueren Thurgauer Geschichte gefunden haben. Nun freue ich mich darauf, dass das Projekt Museum Werk 2 weiter vorangetrieben und entwickelt wird“, sagte Regierungsrätin Monika Knill laut einer Medienmitteilung des Kantons.
Schöne Ideen, aber wie finanzieren?
Offen ist auch noch die Frage der Finanzierung: Woher sollen die knapp 45 Millionen Franken für den Bau des Museums kommen? Ursprünglich sollten auch Gelder aus dem 127-Millionen-Topf verwendet werden, den der Börsengang der Thurgauer Kantonalbank hinterlassen hatte. Vor wenigen Tagen hatte allerdings eine Projektgruppe den Bau des Museums von der Liste jener Vorhaben gestrichen, die von den TKB-Millionen profitieren sollen.
Regierungsrätin Monika Knill schreckt das nicht ab. Sie wirbt weiter dafür, Gelder aus dem TKB-Topf für das Neue Historische Museum zu verwenden. Der regierungsrat unterstütze „weiterhin die Möglichkeit, für das Neue Historische Museum ebenfalls TKB-Gelder einzusetzen“, schrieb sie auf Nachfrage von thurgaukultur.ch Alles Weitere liege jetzt im politischen Prozess, so Knill weiter. Dieser Prozess führt im Sommer in eine mutmasslich intensive Debatte in den Grossen Rat über die Verwendung der TKB-Mittel. Danach dürften alle Beteiligten schlauer sein.
Weiterlesen: Alle Details zur Machbarkeitsstudie und der Standortentscheidung hat der Kanton für alle zum Nachlesen öffentlich publiziert.
Weitere Texte rund um das Thema bei uns im Magazin
Wie es nach der Entscheidung jetzt mit Schloss Frauenfeld, dem bisherigen Standort des Historischen Museums Thurgau, weitergeht.
Keine Erweiterung, aber Sanierung: Das sind die Pläne beim Kunstmuseum Thurgau.
Der Ort des Geschehens: Die Webmaschinenhalle
Die Webmaschinenhalle ist der ausgewählte Standort für das Neue Historische Museum in Arbon. Die Halle selbst wurde ab 1909 errichtet. Aber schon vorher, seit 1869, stellte Saurer -- zunächst im Werk 1 am See -- Stickmaschinen für die damals blühende Textilindustrie her, später Lastwagen, Autobusse und Motoren unter anderem für die Schweizer Armee sowie in wachsendem Ausmass Webmaschinen für den Weltmarkt. Heute ist die HRS Real Estate AG Eigentümerin der Immobilie.
Die ersten Konzepte: Schon 2016 hat die HRS ein Konzeptpapier (liegt thurgaukultur.ch vor) erstellt und eine mögliche museale Nutzung der Halle geprüft. Darin heisst es unter anderem, die Halle eigne sich „in idealer Weise für die Nutzung als historisches Museum des Kantons Thurgau“. Ein „modernes, modularer Ausstellungskonzept“ sei möglich. Und: Innerhalb des Gebäudes seien neben dem Museum weitere Nutzungen denkbar.
Die Geschichte: Die Webmaschinenhalle wurde ab 1909 nach Plänen des Baugeschäfts Wendelin Heene (St. Gallen) für die Adolph Saurer AG erbaut. Die erste Bauphase umfasste die zwölf nördlichen Achsen der Halle, vollendet bis 1911. Von 1910 datieren die Pläne für den nördlichen Treppenhausanbau. 1912 wurde die Halle um acht weitere Achsen nach Süden verlängert. 1940 wurde nördlich des Treppenhausanbaus das Laboratorium angebaut. 1941 wurde die Halle um einen eingeschossigen Hallenteil, westlich des Laboratoriums von 1940 und des Treppenhausanbaus sowie nördlich der bisherigen Nordfassade des westseitigen, eingeschossigen Hallenteils erweitert. Das Backsteingebäude gehört zum Kernbestand des ehemaligen Giessereihofes und des heutigen Saurer WerkZwei.
Denkmalpflegerische Aspekte: Die Webmaschinenhalle ist im Hinweisinventar der kantonalen Denkmalpflege als „wertvoll“ eingestuft. Im Schweizerischen Inventar der Kulturgüter von regionaler Bedeutung ist das Objekt eingetragen. Der Bau ist im Inventar der schätzenswerten Ortsbilder Schweiz (ISOS) als Einzelobjekt mit Erhaltungsziel A („Erhalten der Substanz“) eingetragen. Nach Auffassung von HRS ist die gesamte Trauffassade nach Osten mit Treppenhausanbau und 20 Fensterachsen der Halle schutzwürdig: „Die Fassade in Sichtbackstein samt verputzter Sockelzone, (…), die bauzeitlichen Fensteröffnungen und die Dreiteilung der Fenster sind zu erhalten. Wünschenswert wäre zudem der Erhalt wenigstens von Teilen der ursprünglichen Verglasung.“ Als schutzwürdig wird in dem Konzeptpapier der HRS auch das gesamte Stahlskelett der ersten Bauetappe bezeichnet.
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