von Inka Grabowsky, 19.09.2023
Das Theaterbureau schliesst
Hans Gysi gibt sein Kleintheater in Märstetten auf. Der 70-Jährige begnügt sich in Zukunft mit einem Büro im Kreuzlinger Apollo. Zum Abschied gibt es ein Fest am 29. September. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
«Nach 19 Jahren ist ein guter Zeitpunkt, um anderswo weiterzumachen», sagt Hans Gysi, um zu erklären, warum er das Theaterbureau in Märstetten aufgibt. Mit seinen 40 Plätzen auf 50 Quadratmetern galt es als eine der kleinsten Bühnen des Kantons. «Es gab immer ein Stammpublikum, das die Nähe zu den Künstlern schätzte. Und es gibt auch immer noch Leute, die dort auftreten wollen, weil sie die intime Atmosphäre mögen. Aber es ist schwieriger geworden Kleintheater zu betreiben.»
Gysi hat die Räume, in denen ursprünglich das Gasthaus Ochsen und eine Druckerei untergebracht waren, gemietet. Die Kosten für den Betrieb haben sich längst nicht mehr amortisiert. «Und um Subventionen zu beantragen, fehlt mir im Augenblick einfach die Energie.»
Erfolge und Misserfolge
Der Effort, Zuschauer nach Märstetten zu locken, sei grösser und grösser geworden. 2004, als Gysi mit 51 Jahren sein Theater gründete, war das anders. «Die ersten Vorstellungen waren rappelvoll. Märstetten hat zwar ein funktionierendes Vereinsleben, aber trotzdem waren wir eine willkommene Attraktion.»
Allerdings nicht immer mit Gelinggarantie: «Reinfälle gab es schon. Ich habe nicht alles vorher visioniert, was auf die Bühne kam, sondern auch mal jemanden auf gut Glück eingeladen. Trösten kann ich mich mit Sternstunden, bei denen ich selbst dankbar bin, sie miterlebt zu haben.»
Spielraum für viele Zwecke
Selten nutzte der Poet, Musiker und Theatermacher seine Bühne für eigene Auftritte, dabei war das ursprünglich seine Motivation gewesen. Seit 1989 wohnte er selbst in Märstetten. «Ich wollte mir Freiraum und einen Spielraum im wortwörtlichen Sinn verschaffen.»
Tatsächlich habe das Theaterbureau als Probelokal Kooperationen mit Musikern möglich gemacht. Und in Ruhe schreiben konnte der Dichter hier auch. Nicht bewährt hatte sich dagegen die Idee, eine Theaterschule aufzumachen. Gysi wollte Stimmtraining anbieten, ausserdem Wissen über Körpersprache vermitteln oder Regieführung unterrichten. Der Werbetext liest heute noch vielversprechend:
(…) «Es wird eine ausgewachsene Talentschmiede, garantiert! Anale und orale Mimen, Tonkaskadenfurzer und Intellektuellendarsteller hereinspaziert und ruhig durchgeschnauft. (…) Aufgenommen werden nur Leute mit versteckter Begabung, Glatte Glänzer interessieren uns nicht.» (…)
«Das kam nie zustande», bedauert der ausgebildete Schauspieler und Theaterpädagoge noch heute.
Jetzt Kreuzlingen statt Märstetten
Er hat sich nun ein Büro im Apollo in Kreuzlingen gemietet, dichter an seiner heutigen Wohnung in der Stadt, aber gerade weit genug, um Abstand zu den Störungen des Alltags zu bieten. Unter anderem liegt auf seinem Schreibtisch immer noch ein unvollendeter Provinzkrimi. «Zwei Drittel habe ich vielleicht – und ich weiss auch längst, wie er ausgeht. Aber trotzdem muss ich den Schluss noch zu Papier bringen.» Der Künstler Hans Gysi macht also weiter.
Ein Konzert zum Schluss
Am 29. September nimmt Hans Gysi offiziell Abschied von seinem Theaterbureau. Damit keine Wehmut aufkommt, begeht er den Tag mit einem gemeinsamen Auftritt mit Claus-Peter Täterow, der mit ihm gemeinsam die «Pocketsongs» vertont hat. Für die Gedichte hatte Gysi 2012 den Rilkepreis bekommen. Nun ergänzt er sie mit Lyrik aus dem Band «Ein Tag mit Chili-Geschmack» von 2019 und singt sie zu Gitarren- und Keyboard-Begleitung.
Am 30. September ab 15 Uhr veranstaltet Gysi einen Flohmarkt im Theaterbureau. Stühle, ein Tisch, Gläser, Bücher und Requisiten können schliesslich noch anderenorts verwendet werden.
Pocketsongs + Noise
29.9.23 um 19.30 Uhr im Theaterbureau, Sandeggstrasse 1
8560 Märstetten
25 Franken Eintritt
Reservation erbeten unter hansthe@gmx.ch
Von Inka Grabowsky
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