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von Bettina Schnerr, 22.04.2021

Ab auf die Couch!

Ab auf die Couch!
Markus Brenners Couch im Bellevue-Areal empfängt nächtliche Passanten mit einer bunten und filigranen Projektion. | © Thomas Meier-Löpfe

Lieblingsstücke, Teil 12: Es gibt Geheimtipps, die möchte man am liebsten gar nicht verraten, weil sie ruhig und versteckt liegen und anziehende kleine Ruheinseln sind. So wie die Couch im Bellevue-Park. Unsere Autorin verrät euch heute trotzdem, warum sie dieses Kunstwerk mag und warum ihr unbedingt auch mal hingehen solltet. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Die Couch ist tatsächlich Kunst und kein schicker Ersatz für die üblichen Bänke im Park (obwohl ich wirklich absolut gar nichts gegen kreativere Bänke hätte). Entwurf und Umsetzung stammen vom Konstanzer Künstler Markus Brenner. Es war sein Beitrag für den vierten städtischen Wettbewerb „Entdeckung des Stadtraumes“.

Die Couch erinnert an die psychiatrische Heilanstalt, die zwischen 1857 und 1980 auf dem Parkareal stand und von der nur noch die respräsentablen Gebäude an der Hauptstrasse übrig geblieben sind.

Markus Brenner mit seinem Gewinnerbeitrag "Die Couch". 2017 wurde seine Arbeit im Rahmen des Wettbewerbs "Die Entdeckung des Stadtraumes" in Kreuzlingen aufgestellt. Bild: Michael Lünstroth

Sigmund Freud, das Bellevue und „Anna O.“

Auf die Heilanstalt insgesamt kommt’s mit dieser Skulptur weniger an, vielmehr auf einen Therapieansatz, der mit dieser Couch symbolisch so stark verbunden ist: Die damals niegelnagelneue psychoanalytische Methode, entwickelt von Sigmund Freud. Die erste Patientin, die man in Kreuzlingen damit behandelte, wurde als „Anna O.“ bekannt.

An diese Hintergrundgeschichte erinnert im Park ein Schild, das ein Stück daneben steht und gerne übersehen wird. Mit der Couch passiert das nicht. Im Sommer Golfrasen drumherum, ein attraktives Pausenplätzchen und perfekte Kulisse für einen Kindergeburtstag. Im Winter Nachschubstation für den Schneemann und sonst ein klatschnasses oder im Nebel verschwundenes Gebilde, von dem man im Vorbeigehen hofft, dass möglichst bald Frühjahr ist, damit man sich wieder dort treffen kann.

Vom perfekt gestutzten Rasen rundherum ist nichts zu sehen: Im Winter ist die Couch beliebte „Materialquelle" für Schneemannbau und Schneeballschlachten. Bild: Bettina Schnerr

Es sieht so aus, als sei gerade jemand aufgestanden

Schaut man genau hin, sieht das „Kissen“ sogar aus, als wäre gerade jemand aufgestanden und die kleine Liegedelle vom Kopf ist noch sichtbar. Die Couch ist für die Menschen aus dem Quartier etwas zum Anfassen geworden, ein Möbelstück, das ihren Weg dekoriert und das als Möbel fungiert. Wer findet schon das Schild dazu? Eigentlich gut, dass es ein bisschen zu weit rechts daneben steht.

Im Dunkeln treffen sich weniger Menschen dort. Dabei ist die Couch zu dieser Zeit mindestens genauso cool. Ein Projektor zaubert das Muster eines Teppichs darauf. Es ist die Projektion genau jenen Teppichs, den Freud seinerzeit über seine Therapiecouch gebreitet hatte. Das abendliche Lichtspiel erinnert mich an meine persönlichen Lieblinge der digitalen Kunst, die Crew vom japanischen teamlab und ihre Lichtinstallationen. Und abends, wenn ich an der Couch vorbeigehe, lasse ich das Licht gelegentlich über mich fliessen und werde Teil des Kunstwerks. Probiert ihr das doch auch mal aus!

Als wäre gerade jemand aufgestanden: Eine Kuhle im Kopfkissen imitiert die Patienten, die früher in der Klinik Bellevue therapiert wurden. Bild: Bettina Schnerr

 

 

Die Serie #Lieblingsstücke und wie Du mitmachen kannst

In unserer neuen Serie #Lieblingsstücke schreiben Thurgaukultur-KorrespondentInnen über besondere Kunstwerke im Kanton. Das ist der Start für ein grosses Archiv der beliebtesten Kulturschätze im Thurgau. Denn: Wir wollen auch wissen, welches ist Dein Lieblings-Kunststück aus der Region?

 

Skulpturen, Gemälde, historische oder technische Exponate, Installationen, Romane, Filme, Theaterstücke, Musik, Fotografie - diese #Lieblingsstücke können ganz verschiedene Formen annehmen. Einige der vorgestellten Werke stehen im öffentlichen Raum, manche sind in Museen zu finden, andere wiederum sind vielleicht nur digital erlebbar. Die Serie soll bewusst offen sein und möglichst viel Vielfalt zulassen.

 

Schickt uns eure Texte (maximal 3000 Zeichen), Fotos, Audiodateien oder auch Videos von euch mit euren Lieblingswerken und erzählt uns, was dieses Werk für euch zum #Lieblingsstück macht. Kleinere Dateien gerne per Mail an redaktion@thurgaukultur.ch, bei grösseren Dateien empfehlen wir Transport via WeTransfer.

 

Oder ihr schreibt einen Kommentar am Ende dieses Textes oder zum entsprechenden Post auf unserer Facebook-Seite. Ganz wie ihr mögt: Unsere Kanäle sind offen für euch!

 

Alle Beiträge sammeln wir und veröffentlichen wir sukzessive im Rahmen der Serie. Sie werden dann gebündelt im Themendossier #lieblingsstücke zu finden sein.

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