von Brigitta Hochuli, 29.06.2014
Chance für die Besten

Es ist ein Kennzeichen der kantonalen Kulturkommission, dass sie der Thurgauer Regierung diskret zuarbeitet. Stellungnahmen wie etwa zum Erweiterungsbau des Kunstmuseums oder zur Arbeit von Kulturinstitutionen bleiben geheim. Der zurücktretende Michael Friedli äussert sich deshalb zu solchen Fragen nicht. Seine Bilanz ist trotzdem nicht ganz unkritisch. Beim Kulturpreis sollten die Besten und nicht die Populärsten künftig eine Chance bekommen, findet er.
Brigitta Hochuli
Herr Friedli, greifen wir aus Ihrer achtjährigen Amtszeit in der kantonalen Kulturkommission drei Schwerpunkte heraus. Zuerst den für Sie wichtigsten.
Eine der wichtigsten Errungenschaften während meiner Zeit in der Kulturkommission war die Erarbeitung der Kunst und Bau-Richtlinie, welche den Kanton verbindlich zu Beiträgen für kulturelle Werke im Zusammenhang mit kantonalen Bauten verpflichtet. Die Begeisterung für eine derartige Richtlinie war bei gewissen Amtsträgern anfänglich mehr als bescheiden.
Heute greifen diese Richtlinien aber gut.
Ja. Unter dem Präsidium von Eva Tobler gelang es schliesslich, die beiden Departementsvorsteher Hans Peter Ruprecht (Bau und Umwelt) und Jakob Stark (Erziehung und Kultur) für eine Verabschiedung zu gewinnen. Es war eine der letzten Amtshandlungen des verstorbenen Baudirektors. Er hat der Kultur damit einen grossen Dienst erwiesen. In der Zwischenzeit hat sich das Hochbauamt mehrfach und erfolgreich mit Kunst und Bau-Wettbewerben auseinandergesetzt. Das letzte Beispiel ist der Wettbewerb im Zusammenhang mit der Renovation des Regierungsgebäudes.
Gab es in Ihrer Amtszeit ein grösseres Ärgernis?
Die Verleihung des Thurgauer Kulturpreises ist ein alljährlicher Höhepunkt – auch für die Kulturkommission. Sie schlägt dem Regierungsrat jeweils preiswürdige Kunstschaffende vor. Einmal liess die Regierung unsere Kommission jedoch wissen, dass kein Vorschlag nötig sei, der Entscheid sei bereits gefallen. Die Politik hat ihren Preisträger ganz ohne Zutun der Kulturkommission gewählt. Ein mutiger Entscheid war es nicht, vielmehr ein populärer, der durch geschicktes Lobbying zustande kam.
Aus Diskretionsgründen nennen Sie natürlich keine Namen. Demnächst steht aber die Bekanntgabe des Kulturpreisträgers oder der -preisträgerin 2014 bevor. Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Regierung weniger auf die Popularität von Kunstschaffenden schielt. Oder anders formuliert: Kunstschaffende, die unseren Regierungsräten nicht bekannt sind, in ihrer Sparte aber national zu den Besten gehören, sollten auch im Thurgau eine Chance auf Anerkennung haben. Die Empfehlungen der Kulturkommission für die Verleihung des diesjährigen Kulturpreises bieten der Regierung eine neue Chance, sich zu profilieren. Demnächst.
Blicken wir noch zurück auf das schönste Ereignis Ihrer Kulturkommissionszeit!
Nebst unzähligen spannenden und bereichernden Begegnungen zählt für mich die Schaffung eines neuen Ankaufskredits für das Kunstmuseum zu den schönsten Ereignissen. Zusammen mit dem langjährigen Mitglied der Kulturkommission, Richard Tisserand, konnte ich die Basis schaffen, dass sich verschiedene Entscheidungsträger vom Nutzen einer vom Kunstmuseum unabhängigen Ankaufskommission überzeugen liessen. Dadurch stehen jährlich 100'000 Franken für die bildende Kunst im Thurgau zur Verfügung. Wie bei anderen Ideen auch, die durch die Kulturkommission lanciert wurden, brauchte es einige Überzeugungsarbeit. Der Einsatz hat sich gelohnt.
Zur Person
Michael Friedli (1975) ist von Beruf Jugendanwalt und hat einen Master in Kulturmagagment. Er war von 2004 bis 2008 Kulturbeauftragter der Stadt Amriswil, von 2005 bis 2012 Mitglied im Vorstand und in der Programmgruppe des Kulturforums Amriswil und von 2006 bis 2014 Mitglied der kantonalen Kulturkommission. Friedli ist verheiratet und Vater einer Tochter, er wohnt in St. Gallen. Sein Nachfolger in der kantonalen Kulturkommission ist ab August Andreas Müller. Mehr zum Wechsel und zu den Mitgliedern der Kommission lesen Sie hier. (red)
KOMMENTAR *
Jürg Schoop • vor 3 Jahren
Ja, das wundert mich überhaupt nicht, wenn der Regierungsrat hinter dem Rücken der Kulturkommission handelt. Das sind halt die Rückfälle ins ancien Regime, in dem allein die Obrigkeit das Sagen hatte. Ich kann mich gut an derlei erinnern als ehemaliges Mitglied der Literaturkommission: Bis zu 5'000 Fr. durften wir sehr differenzierte Entscheidungen treffen. Hängte sich aber einer, sich als Koryphäe Vermutender ans regierungsrätliche Telefon und benötigt für sein kantonsumspannende Projekt 200'000 Fr., dann hatte die Kommission, die später eine Information aus der Zeitung erfuhr, gar nichts mehr dazu zu sagen. Welcher Art der Regierungsrat auch immer handelt:
Ob er denkt, die Nähe zum Gesuchsteller erlaube schon eine solitude Entscheidung oder ob er einen Professor der ETH beizieht - in jedem Fall handelt es sich um eine nicht nachvollziehbare Entscheidung des sachlichen und politischen Misstrauens den Kommissionen gegenüber.
Ist es denn Zufall oder Kalkül, wenn nicht die Allerklügsten und Tauglichsten zu Mitgliedern in den Kommissionen gewählt werden? Bekanntlich abgesegnet vom Regierungsrat...
* Seit März 2017 haben wir eine neue Kommentarfunktion. Die alten Kommentare aus DISQUS wurden manuell eingefügt. Bei Fragen dazu melden Sie sich bitte bei sarah.luehty@thurgaukultur.ch

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