von Andrin Uetz, 28.02.2020
Leben und leben lassen

Der Schweizer Bluesmusiker Philipp Fankhauser kommt mit seinem Quintett am 17. Dezember 2021 nach Weinfelden. Wir haben ihn auf ein Gespräch in seinem Büro unweit des Zürcher Flughafens getroffen. (Das Gespräch haben wir im Februar 2020 vor Fankhausers Auftritt im Casino Frauenfeld geführt)
An der Wand hängen verschiedenste Gitarren, eingerahmte Plakate aus den 1980er Jahren, goldene Schallplatten, Billboard Auszeichnungen: Philipp Fankhauser ist schon lange im Musikgeschäft, und der Titel seiner neusten Scheibe, benannt nach der Nummer „Let Life Flow” von Kenny Neal, scheint seine Befindlichkeit recht gut zu beschreiben. Fankhauser lässt sich im Gespräch nicht aus der Ruhe bringen, wählt seine Worte mit Bedacht. Während des Interviews trippelt der kleine Mops Trevor um den Couchtisch.
Video: Aktuelle Single «Let Life Flow» von und mit Kenny Neal
Von Kriens bis Mississippi
Aufgenommen in den Soundfarm Studios in Kriens und in den Malaco Studios in Mississippi abgemischt, liefert auch das neueste Album von Philipp Fankhauser genau das, was man sich von einer Bluesplatte erhofft. Ein warmer Sound, etwas Sehnsucht, etwas Herzschmerz, Fankhausers erdige Stimme getragen von einer souveränen Rhythm-Section, geschmackvoll verziert mit präzisen Bläsersätzen, aber nie zu süss, nie zu kitschig.
Neben Eigenkompositionen zu Texten von Dennis Walker finden sich auch Songs von Johnny Copeland, Clarence Brown, Larry D. Addison, Vince Gill und anderen. Fankhauser überrascht zudem mit Interpretationen von Hanery Ammans „Chasch Mers Gloube” im Dialekt sowie “Milano” des Cantautore Lucio Dalla. Amman habe ihn 1983 mitgenommen, als er per Anhalter von Thun ans Montreux Jazzfestival gelangen wollte, erzählt Fankhauser. Und Lucio Dalla war für den im Tessin aufgewachsenen Bluesman fast schon eine Art Jugendliebe.
Video: Zweite Single des neuen Albums «The Dark Comes Down»
Ein wendiger Bluesdampfer
„Ich mag auch grosse Formationen, die Big Band mit Bläsern und wunderbaren Klangfarben. Doch im Quintett sind wir agiler, wie ein kleines Boot, dass besser wenden kann als ein grosses Schiff. Unsere Musik ist nicht steif einstudiert, sonder voller Variationen. Was sie zu hören bekommen ist immer frisch, wie Sushi, keine Konserven!”, betont Fankhauser.
Der Gitarrist Marco Jancarelli sei schon seit 1992 in der Band, Pianist und Organist Hendrix Ackle seit 2004, auch der Tontechniker und der Roadie sind schon seit Dekaden dabei. Das eingespielte Team wird ergänzt durch Andy Tolman am Bass und Richard Spooner am Schlagzeug. Beim Konzert am 6. März im Casino Frauenfeld wird zudem der junge Gitarrist und Sänger Flo Bauer als Gast dabei sein, welcher für die neue Scheibe die Songs „Wheels To the Road Again” und „Tell Me Again” komponierte.
Alles begann mit einem genervten Bruder
„Als ich um die 11 Jahre alt war, da nervte sich mein älterer Bruder an meinem seichten Musikgeschmack. Er schenkte mir daher eine Platte des Bluespianisten Sunnyland Slim. Für mich war das eine Offenbarung, von dem Moment an war ich Feuer und Flamme für diese Musik”, erzählt Fankhauser von den Anfängen seiner Blues-Leidenschaft.
Unter anderem zählt Fankhauser auch Bluesgrössen wie B.B. King oder John Lee Hooker zu seinen Vorbildern. 1981 hörte er die Sängerin Margie Evans am American Folk Blues Festival im Volkshaus Zürich: „Ich stand in der vordersten Reihe und ich behaupte heute noch, dass sie mich angeschaut hat. [lacht] Ein Jahr später sprach ich sie in der Pause einer ihrer Konzertabende im Hotel Schweizerhof in Bern an. So hat sich eine Freundschaft entwickelt und 1989 hat sie auf meinem ersten Album mitgemacht.”
Video: Philipp Fankhauser und Margie Evans mit «Gee Baby, Ain’t I Good To You» live in der Mühle Hunziken
Zeitlos und doch immer aktuell
Fankhauser wirkt zufrieden mit sich: „Für meine Band läuft es derzeit sehr gut. Die Themen der Songs sind aus dem Leben gegriffen, es geht nicht um Retro-Sounds oder Geschichten von Früher. Ich denke, damit können sich die Leute identifizieren. Eigentlich ist es heute sogar einfacher als in den 1980er Jahren, denn damals lebten die Pioniere des Blues zwar noch, aber waren schon alt, und so hat man Blues als Musik der Alten verstanden. Auch gibt es heute viel mehr Bluesfestivals in der Schweiz als damals. Aber ehrlich gesagt interessiert mich das Geschwätz darüber ob der Blues nun in oder out ist, herzlich wenig. Für mich war der Blues nie weg. Das ist eine Frage der Empfindung”, attestiert Fankhauser den Zustand des Blues im Jahr 2020.
Wer sich davon überzeugen will, das der Blues auch in der neuen Dekade alles andere als tot ist, der geht am besten am 17. Dezember in den Thurgauerhof Weinfelden.

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