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von Andrin Uetz, 31.10.2022

Zwischen Volksmusik und Hochkultur

Zwischen Volksmusik und Hochkultur
Das Niculin Janett Ensemble spielt «Interlude» aus der Suite „Rêveries Dansantes“. Das Bild stammt aus dem Video zum Stück «Interlude». | © Screenshot

Das Niculin Janett Ensemble gastierte im Kulturforum Amriswil. Das Konzert zeigte, wie wichtig das Live-Erlebnis in der Kunst ist. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Suite „Rêveries Dansantes” ist eine spannende und abwechslungsreiche Komposition, welche der Saxophonist Niculin Janett seinem Ensemble auf den Leib geschrieben hat. (Mehr Aufschluss zum Hintergrund der Musik gibt dieses Interview, welches thurgaukultur.ch im Sommer mit dem Saxophonisten geführt hat).

Bevor jedoch ausführlicher auf die Musik eingegangen wird, lohnt es sich zuerst allgemeiner über das Erlebnis des Konzertbesuchs nachzudenken. Eine wichtige Frage dabei ist, welche Musik an welchen Ort passt? Was für einen Rahmen braucht es, damit ein Konzert funktioniert?

Geld allein macht keine Kultur

Die Halle des Kulturforums wirkt etwas steril, es ist zwar mit Bistrotischen gestuhlt, und es gibt eine Bar, wo man sich passend zum gehobeneren Jazz-Konsum ein Glas Rotwein einschenken lassen kann, doch die Stimmung ist eher verkrampft an diesem Abend.

Als das Ensemble die Bühne betritt, wirken die Musiker:innen etwas verlegen, eher ausgestellt als gut in Szene gesetzt. Bühne, Licht und auch der Ausbau der Halle wirken professionell, alles aufgeräumt und sauber.

Erst als die Noten erklingen, transportieren die wärmenden Jazzharmonien von Saxophon, Kontrabass und Streichquartett einen ins New York der Westside Story. Im Kopfkino laufen Bilder der Neuen Welt, wie sie bei Leonard Bernstein und George Gershwin so schön anklingt.

 

Nicht zuletzt gelingt es mit dem warmen Klang der Musik das etwas sterile Ambiente im Kulturforum aufzulockern. Bild: Andrin Uetz.

Gute Musik bleibt gute Musik

Die Faszination für New York, auch für diese archaische Idee von New York, wie sie in zig Büchern, Musicals und Filmen reproduziert wird, ist in der Komposition der Suite gut hörbar.

Im Konzert gelingt es dem Ensemble die notierten Streichersätze mit der nötigen Lockerheit und einem Gespür für den Groove zu spielen, damit die Komposition ihren Charme entfalten kann. So heben Bass und Streicher im Stück „Stagnation” auf einem fliegenden Klangteppich ab, im Choriñho Novo Pt.1 vermischt sich der klassische Kontrapunkt mühelos mit den Improvisationen des Saxophons, und im Postlude wird das Material der gesamten Suite mit einem leicht melancholischen Blick nochmals Revue passiert.

 

Verspielte Improvisationen

Der Lausanner Jazzbassist Jules Martinet – der für Lukas Traxel einsprang an dem Abend – und Niculin Janett lassen sich auf verspielte Improvisationen ein, um dann treffsicher wieder im Ensembleklang zu landen.

Von Vorteil scheint auch, dass Andreas Gabriel (Violine), Flurina Sarott (Violine), Dominique Polich (Bratsche) und Cristina Janett (Cello) neben einer klassischen Musikausbildung auch Erfahrung im Spielen von Volksmusik mitbringen. Der Transfer von Engadiner Volksmusik über Brasilianischen Choro bis zur Jazz-Suite funktioniert sehr gut.

Wie viel Aufmerksamkeit braucht Musik?

In seinem zum Klassiker der Plattensammler:innen avancierten Buch „The Recording Angel” beschreibt Evan Eisenberg, wie die Möglichkeit der Tonaufnahmen in den 1950er Jahren dazu beitrugen, dass Jazz-Musik nicht mehr nur im betrunkenen Zustand als Unterhaltungsmusik in den Clubs von Harlem gehört wurde, sondern auch dem nüchternen Ohr der Musikkritiker standhalten konnte.

Nun, im 21. Jahrhundert hat sich der Jazz mehr und mehr seinen Weg in den Kanon der sogenannten Hochkultur erarbeitet. Radio SRF 2 Kultur spielt jeden Abend zur Auflockerung etwas Jazz, es gibt Jazzabteilungen an Hochschulen für Musik und eine riesige Bibliothek von Harmonielehren und Konzepten, um sich in dieser virtuosen Musik nicht zu verlieren.

Tanzen statt absitzen

Die Frage ist, ob dieser aufklärerische Anspruch einer vermeintlichen Hochkultur der Musik nicht eher im Wege steht? Wäre es nicht viel besser, wenn sich die Gäste bewegen, tanzen, etwas mitgehen mit der Musik? Für das stille, aufmerksame Absitzen scheint die Musik dann doch irgendwie zu frivol und zu volkstümlich.

Die ganze Suite des Niculin Janett Ensembles kann hier ersteigert werden, und findet sich auf gängigen Streamingplattformen wie beispielsweise Spotify.

 

 

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