von Judith Schuck, 21.10.2024
Wie die Kultur auf den Stundenplan kam
Das Ostschweizer Kulturvermittlungsportal kklick.ch feiert seinen zehnten Geburtstag. Anstoss für eine Umsetzung des Projekts gab der Thurgauer Galerist Adrian Bleisch. Richi Küttel erzählt vom Gestern und Heute. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Am 11. August 2014 ging die Ostschweizer Kulturvermittlungsplattform kklick.ch online. Zehn Jahre später finden sich knapp 400 Angebote verschiedener Kultursparten für die vier Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden, Glarus und Thurgau. „Eigentlich sind das zu viele Angebote“, sagt Richi Küttel, doch jedes sei wertvoll.
Richi Küttel ist von Anfang an dabei, zunächst in der Geschäftsstellenleitung für St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden. Anfang Jahr übernahm die von ihm gegründete Wirkpunkt GmbH auch die Thurgauer Geschäftsstellenleitung von Stefanie Kasper sowie das Mandat für die Kommunikation für das Gesamtprojekt „kklick – Kulturvermittlung Ostschweiz“. Zur Wirkpunkt GmbH gehören neben Richi Küttel Kati Michalk, Jan Rutishauser und Rebecca C. Schnyder. Der Kanton Glarus schloss sich dem Projekt vor fünf Jahren mit einer eigenen Geschäftsstelle an.
Kulturvermittlung als Ergänzung zum Leistungsgedanken
Während sie anfangs ein allgemeines Kulturvermittlungsangebot verfolgten, das sich auch an Familien und Firmen richtete, also eine Freizeit- und eine schulische Schiene bediente, setzten sie vor fünf Jahren den Fokus gänzlich auf die Schulen. Kultur auf diese Weise in den Lebenskontext zu bringen, habe nicht funktioniert, sagt Richi Küttel. „Die Kommunikation war ein Riesenfeld.“
Die Notwendigkeit, Kultur über die Schulen zu den Kindern zu bringen, sieht Richi Küttel heute mehr denn je. „Eingespart wird tendenziell bei den ,unsicherenʼ Fächern, die unsicher in der Ergebnisbeurteilung sind.“ Schule sei ein Ort der Beurteilung, es herrsche in den Köpfen ein Leistungsdenken vor. Dabei ginge die Fähigkeit des kritischen Denkens verloren, findet er. „Wir komplettieren dieses Angebot, gestern wie heute.“
Geburtshilfe aus dem Thurgau
Dass kklick.ch vor zehn Jahren geboren wurde, sieht er in Zusammenhang damit, dass damals allgemein ein Bewusstsein für kulturelle Teilhabe und Inklusion aufkam. Von Seiten des Bundes gab es eine Kulturstrategie, die diesen Zeitgeist mittragen sollte. Der Lehrer und Galerist Adrian Bleisch aus Arbon hatte beim Kulturamt des Kantons Thurgau einen Förderantrag für ein Projekt beantragt, mit dem er die Kulturvermittlung kanalisieren wollte. Er erhielt dafür den Zuschlag.
Die Kulturämter von St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden bekamen mit, dass da im Thurgau etwas läuft und spannten schliesslich zusammen. Daraus entstand kklick.ch. „Wir haben im Kleinen angefangen“, erinnert sich Richi Küttel. Es war schnell klar, dass er die Geschäftsstellenleitung für St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden übernehmen würde: Er hatte bereits seit acht Jahren ein Leseförderungsprojekt im Auftrag der Kantonsbibliothek St. Gallen geleitet, „Literatur aus erster Hand“.
Wie kklick.ch wirkt: arttv.ch über den Kulturtag Oberstufenzentrum Necker
180‘000 Kinder in Kontakt mit Kultur gebracht
Richi Küttel brachte als Mitgift zahlreiche Kontakte zu Lehrpersonen mit aus den vier Ostschweizer Kantonen, für die er heute bei kklick.ch zuständig ist, sowie aus dem Kanton Schaffhausen. Neben dieser Mitgift hatte er zudem einen soliden Erfahrungsschatz in der Kommunikation mit Schulen. Seit den kleinen Anfängen ist kklick.ch gewachsen. In den zehn Jahren sind über 5000 Kulturangebote gebucht worden und gut 180’000 Kinder und Jugendliche sind über das Vermittlungsportal mit Kultur in Kontakt gekommen.
Bedeuten diese Zahlen einen Erfolg für die Kulturvermittlung? Wo steht sie im Jubiläumsjahr? „Ich habe den Eindruck, wir sind weiter und auch nicht“, sagt Richi Küttel beim Gespräch in der Schützengasse 8 in St. Gallen, dort, wo die Geschäftsstelle heute beheimatet ist.
„Wir haben dafür gekämpft, dass Kultur als Unterricht mit Vor- und Nachbereitung durchgeführt wird – nicht nur der Film als Lückenfüller vor den Ferien.“
Richi Küttel, Geschäftsstellenleiter kklick.ch
„Wir haben konstant steigende Buchungszahlen. Aber ist das eine Verlagerung, weil die Angebote immer mehr über unsere Seite gebucht werden und nicht mehr direkt bei den Anbietenden?“, fragt sich der Kulturvermittler. Was auf jeden Fall zugenommen habe, seien die Buchungen für freie Kulturschaffende an Schulen, „das haben wir auch gefördert. Bei Museen ist die Kontaktaufnahme einfach, die findest du. Aber bei Freischaffenden ist das schwieriger. Wir haben sie informiert, worauf sie achten müssen und für die Schule leisten wir eine Art Qualitätskontrolle.“
Auf alle Fälle sei die Kulturvermittlungsplattform in den vergangenen zehn Jahren immer präsenter geworden. Das Problem mit der Menge an Angeboten wollen sie mit noch besseren Filtern in den Griff bekommen. Sie wollen den Schulen Arbeit abnehmen und einen möglichst niederschwelligen Zugang zu Kultur bieten. „Dem steht die Angebotsmenge in der Quere.“ Meist griffen Schulen dann auf das zurück, was sie kennen und was gut lief. Hier möchte kklick.ch ansetzen und auch Lust auf das Unbekannte machen.
Wenig Digitalisierung im Kulturangebot
Wie hat sich das Angebot seit den Anfängen entwickelt? „Es gab damals wie heute viele zeitgenössische Themen“, sagt Richi Küttel. Aktuell gehe es viel um Genderfragen. Aber auch klassische Themen würden verhandelt. Was ihn freut, ist, dass sich die Digitalisierung noch nicht so richtig durchgesetzt hat: „Wir wollen hier auch einen Gegenpol bilden, haptisch sein und auf soziale Reibung setzen.“ Eine Erkenntnis aus der Pandemie war, dass Kultur vor Ort stattfinden muss. „Die Museen meldeten uns nach Schulbesuchen zurück, dass die Kinder wie Schwämme wären“, sie sogen alles auf.
Zum Jubiläum ist im Schulblatt des St.Galler Volksschulamtes ein Extra erschienen, das einen lebendigen Einblick in die Arbeit von kklick sowie zwei tolle Kulturprojekte bietet. Hier das Schulblatt Extra vom August 2024 lesen.
Ein wichtiger Schritt in der Geschichte der Kulturvermittlungsplattform war die Verknüpfung der kulturellen Angebot mit den Lehrplänen. Indem alle Angebote mit Lehrplankompetenzen verknüpft wurden, gab dies den Schulen mehr Legitimation, kulturelle Angebote reinzuholen. „Wir haben zudem die Kulturschaffenden auf den Lehrplan sensibilisiert, wodurch sie näher an die Bildung gerückt sind.“ Dies war ein grosser Coup.
Denn „das haben nicht einmal Zürich und Aargau vor uns geschafft, die uns sonst oft zehn Jahre voraus sind“, sagt Küttel und zählt weiter Erfolge von kklick.ch auf: „Wir haben ein Bewusstsein geschaffen, zu überlegen, wie Kultur kindgerecht vermittelt wird. Wir haben dafür gekämpft, dass Kultur als Unterricht mit Vor- und Nachbereitung durchgeführt wird – nicht nur der Film als Lückenfüller vor den Ferien. Wir wollen, dass Schulen die Kinder und Jugendlichen partizipieren lassen, dass sie selber spielen, selber ein Drehbuch entwickeln, einen Plan machen, kommunizieren, Teamwork und Bühnenkompetenzen erlernen.“
Mehr Bekanntheit durch Gratis-ÖV und auf der Seite
Für den Kanton St. Gallen gibt es mit Freifahrt zur Kultur für Schulen einen Durchbruch beim ÖV, bei dem kklick.ch in Zusammenarbeit mit dem Volkswirtschaftsdepartement als Treiber fungiert hat: Schulklassen fahren kostenlos zu Kulturinstitutionen im Kanton St. Gallen, Liechtenstein und Vorarlberg.
Die Kulturinstitutionen profitierten von einem Zuwachs an Schulklassen. Kklick.ch profitiert auch: „Da die Tickets über uns gebucht werden, gibt uns das Traffic und Reputation.“ Die bundesweiten Einsparungen für Kultur bereiten Richi Küttel für die Vermittlung weniger Sorgen.
Video: arttv.ch hat über ein Netzwerktreffen 2022 berichtet
Was die Kultur vom Sport lernen kann
Die Kulturämter förderten die Bildung von Kindern und Jugendlichen, zeigt er sich zuversichtlich. „Es ist eine Win-win-Situation. Kulturvermittlung entlastet das Schulsystem, sie fördert und fordert. Gespart wird eher bei freien Projekten.“ Einen Traum hegt Richi Küttel aber noch: „Ich wünsche mir, dass Kultur irgendwann eine Selbstverständlichkeit bekommt, wie sie der Sport hat. Dass es künftig genauso einen Kulturtag an Schulen geben wird, wie es einen Sporttag gibt. Ich denke, das ist möglich.“
Von Judith Schuck
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