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Was für eine Stadt!

Was für eine Stadt!
Eine Stadt zum Entdecken: Die Ciné Cité ist eine spannende und interaktive Mischung aus Lern-, Spiel- und Unterhaltungsformat. Die Illustration steht für das Neue Hollywood. | © Screenshot/Grafik: Steffi Kick

Der Frauenfelder Filmemacher Beat Oswald hat für das Kino Roxy mit „Ciné Cité“ eine famose, interaktive Lern- und Erlebnislandschaft zur Filmgeschichte gebaut. Für Schulen und Filmfans. Es gibt allerdings auch zwei Makel. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Städte sind dann spannend, wenn man in ihnen etwas entdecken kann. Wenn sie einen überraschen und man in ihnen genauso viel lachen wie lernen kann. Nimmt man das zum Massstab, dann ist die virtuelle, interaktive und für alle kostenfrei zugängliche Stadt „Ciné Cité“ extrem spannend. Zumindest dann, wenn man sich auch nur einen Hauch für Film und Kino interessiert. „Hier gibt es viel zu entdecken - von den Anfängen des Films bis zu digitalen Revolution“, sagt Beat Oswald, der so was wie der Chefarchitekt der Ciné Cité ist.

Gemeinsam mit einem Expert:innen-Team hat der Frauenfelder Filmemacher die Stadt für das Romanshorner Kino Roxy aufgebaut. Das Ganze lief als Transformationsprojekt des Kantons Thurgau. 300’000 Franken sind aus diesem Sonderfonds aus der Pandemiezeit hier hinein geflossen. Finanziert jeweils zur Hälfte von Bund und Kanton.

Dass das Geld gut angelegt ist, merkt man schnell, wenn man sich durch die Plattform klickt. „Das ist ein Novum in der Schweiz“, sagt Beat Oswald. Eine vergleichbare Lern- und Erlebnislandschaft, die Wissen, Unterhaltung und Spiel miteinander verknüpft gibt es hierzulande jedenfalls nicht.

 

„Das ist ein Novum in der Schweiz.“

Beat Oswald, Projektleiter

Das Projekt ist zwar konzipiert für den Unterricht an der Oberstufe, Lehrer:innen erhalten Empfehlungen für Unterrichtseinheiten. Aber auch für Filmfans, die längst der Schule entwachsen sind, lohnt ein Ausflug in die Ciné Cité.

Wie muss man sich diese Stadt also vorstellen? Nun: Ciné Cité besteht aus acht Stadtteilen. Jeder Stadtteil widmet sich einer bestimmten Epoche der Filmgeschichte oder einem prägenden Thema der Filmwelt. Von den Anfängen des Films über Alfred Hitchcock zur Nouvelle Vague in Frankreich bis zur Postmoderne und der Digitalen Revolution.

Jeder Stadtteil hat eine eigene Architektur, einen eigenen Sound und jeweils angepasste Aufgaben. Und wer keine Aufgaben lösen will - Besucher:innen können einfach auch nur durch die Stadtteile schlendern und sich über verschiedene Themen informieren.

 

Eine Stadt aus acht Teilen: Die Ciné Cité.

Detailverliebt und liebevoll

Zum Einstieg gibt es in alle Stadtteile kurze Erklärvideos, so genannte „Lernsnacks“, die in das jeweilige Thema unterhaltsam und informativ einführen. Diese Videos hat Sven Paulin beigesteuert.

Schon mit „Pax Helvetica“ hatte der YouTuber bewiesen, wie man historische Ereignisse heute aufbereiten muss für ein jüngeres Publikum. Und auch in der Ciné Cité zählen seine 4 bis 7 Minuten langen Videos zu den Höhepunkten.

Videobeispiel: So erklärt Ciné Cité Hollywood

Aber eigentlich ist es fast ungerecht ein Format herauszuheben, weil die gesamte Plattform derart detailverliebt und liebevoll in Grafik, Design, Sound und Inhalt gestaltet ist, dass einem als Filmfan das Herz aufgehen muss bei all den Dingen, die man entdecken kann: Das Bates Motel in Hitchcocks Welt, David Lynchs roter Samtvorhang sowie die Simpsons in der Postmoderne und ein Ausflug zu den Dreharbeiten von „Casablanca“ im Klassischen Hollywood. Um nur mal vier Dinge zu erwähnen, die dem Autor dieses Textes besonders in Erinnerung geblieben sind.

Spielerischer Ansatz inklusive

Wem das nicht reicht: Die Plattform verfolgt auch einen spielerischen Ansatz: Mitten in der Ciné Cité liegt das „my cinema“, in dem jede:r Nutzer:in sein eigenes Kino gestalten kann mit Fundstücken, die sich in den anderen Stadtteilen finden lassen.

Für manche muss man Aufgaben lösen, manche kann man auch so einsammeln. Man hat Spaß und lernt dabei. Je länger man sich durch die Filmstadt klickt, um so mehr gerät man ins Staunen, was für ein famoser Ort das geworden ist.

Eine Ausstellung als Basis

Basis des Projektes ist die Ausstellung „Die Welt im Kino“, die das Roxy Romanshorn für 2020 geplant hatte und die dann aber immer wieder in den Versenkungen der Pandemie verschwand.

Diesen Fundus an Wissen wollten die Ausstellungsmacher:innen um Vreni Schawalder erhalten und digital konservieren. Das ist mit der Ciné Cité jetzt gelungen.

 

So sieht es in der Postmoderne aus. Bild: Screenshot/Grafik: Steffi Kick

 

Der grösste Makel: die allzu westliche Sicht auf Filmgeschichte

Bei aller Begeisterung - das Projekt hat auch zwei Makel: Einen technischen und einen inhaltlichen.

Technisches Problem ist, dass die Website auf den meisten Smartphones nicht funktioniert. Sie ist vor allem für grössere Bildschirme konzipiert. «Tatsächlich gibt es eine Beschränkung der Kompatibilität und zwar einerseits aus inhaltlichen, die Dichte auf kleinen Screens wäre oft viel zu hoch, aber auch aus Budgetgründen», erklärt Projektleiter Beat Oswald. Kleine Tablets sollen demnach aber ausreichen, die Seite zu nutzen. Da die meisten jungen Menschen (die ja Hauptzielgruppe des Projektes sind), eher Smartphones als Tablets besitzen, verliert man hier tendenziell einen Teil des Zielpublikums.

Fast noch gravierender ist der inhaltliche Makel: Die Sicht auf die Filmgeschichte ist sehr westlich geprägt. Der globale Süden kommt nicht vor. Das asiatische, afrikanische oder südamerikanische Kino findet nicht statt. Damit zementiert ein eigentlich innovatives Lernformat jahrzehntealte Perspektiven. Das ist gerade für eine pädagogische Plattform besonders heikel.

Die Macher:innen wissen um dieses Problem, wie Beat Oswald auf Nachfrage einräumt: „Zu Beginn waren alle Kontinente im Konzept vertreten. Wir haben aber aus Budget und Zeitgründen einen anderen Weg gewählt. Wir merkten schon früh, dass wir kein in sich schlüssiges globales Abbild der Filmkultur darstellen und integrieren können. Also haben wir unseren Fokus auf die Darstellung der westlichen Filmkultur gelegt, vor allem auch, weil es uns ein Anliegen war die verschiedenen Bezüge und Entwicklungen innerhalb dieser Geschichte aufzuzeigen.“

Geplant: Reise in verschiedene Filmkulturen

Als Ausbauplan der Webseite sei aber bereits angedacht, dass man in der Mitte der Stadt in ein Reisebüro gehen kann und von dort aus Reisen in die verschiedenen Filmkulturen buchen kann. „Wir hoffen, dass wir diesen Schritt in Zukunft finanzieren können und dann sogar noch mehr Bezüge und interkulturelle Beeinflussungen in der Filmgeschichte herstellen können“, erklärt der Frauenfelder Filmemacher.

Während man die Ciné Cité jederzeit vom eigenen Sofa aus besuchen kann, gibt es noch ein Zusatzangebot, das nur in regionalen Kinos zu sehen ist. In „Niä älei - Film übers Filmemachen“ können Schulklassen viel über das Filmhandwerk lernen.

Schweizer Filmprofis erzählen darin von ihrem Beruf und die verschiedenen Schritte von der Filmidee über die Produktion bis zum Verleih werden anschaulich aufgezeigt.

 

So sehen die einzelnen Stadtteile im Detail aus. Bild: Screenshot

 

„Die inhaltliche Arbeit an der Ciné Cité gleicht einer archäologischen Tätigkeit. Es ist alles da, nur können wir nicht alles auf einmal hervorheben und uns vergegenwärtigen.“

Aleksej Nutz, am Projekt beteiligter Filmemacher

Was die Arbeit an dem Projekt Ciné Cité so besonders macht, hat der beteiligte Filmemacher Aleksej Nutz schön beschrieben: «Die inhaltliche Arbeit an der Ciné Cité gleicht einer archäologischen Tätigkeit. Bei unserer Recherche stossen wir auf Bilder, Konzepte und Haltungen. Dabei wird uns lediglich ein Bruchteil der gesamten Filmgeschichte sichtbar und erlebbar. Der grösste Teil jedoch liegt an anderen Stellen oder tiefer im Gestein vergraben. Es ist alles da, nur können wir nicht alles auf einmal hervorheben und uns vergegenwärtigen. So sammeln wir Fundstücke und versuchen, unser Bild der Filmgeschichte zu komplettieren. Ein nie endendes Unterfangen.»

Link: Hier geht es direkt in die Ciné Cité

Was wird aus dem Kino? Das Kapitel zum Digitalen Kino beschäftigt sich auch mit der Zukunft von Kino und Film. Bild: Screenshot

 

Das Team hinter dem Projekt

Projektleitung: Beat Oswald

 

Konzept, Design und Umsetzung
Rouven Bühlmann, Adorable Squid GmbH
Julia Mia Stirnemann, Juliamia Grafik
Rouven ist Web Frontend Developer und Interaction Designer mit mehr als zehn Jahren Erfahrung. Mit seinem Studio Adorable Squid setzt er Projekte um, die technisch und visuell überzeugen.
Julia Mia ist promovierte Designerin (Dr. phil. hist.), Projektleiterin, Researcher, UX/UI Designer, Dozentin und Initiantin des Projektes worldmapgenerator.com. Sie lebt und arbeitet in Zürich.

 

Didaktisches Konzept und Inhalte
Lara Ducks
Lara Ducks ist Bildungsreferentin, Medienpädagogin und Erfinderin. Sie lebt in Karlsruhe. Im Projekt war sie an der Konzeptentwicklung der Website und der Erstellung der Inhalte beteiligt. Darüber hinaus war sie stellvertretend für das Didaktik-Team für Kommunikation und Organisation mit allen anderen Akteurinnen und Akteuren verantwortlich.

 

Aleksej Nutz
Aleksej Nutz ist Videograph und Filmemacher: 

 

Clarissa Schnitzer
Clarissa Schnitzer ist Medienpädagogin und Künstlerin. Sie lebt und arbeitet in Freiburg sowie im Bereich des E-Learning. Im Projekt Ciné Cité war sie an der Konzeptentwicklung der Website sowie der Erstellung der pädagogischen Inhalte beteiligt.

 

Lernsnacks
Sven Paulin

 

Illustration
Gilles Warmoes
Steffi Kick

 

CMS-Team
Aurelian Ammon & Carlo Natter, alles-negativ

 

Mentorat und inhaltliche Beratungen:
Jan Sahli und Till Brockmann von der Universität Zürich, Filmwissenschaft
Pädagogische Beratung:
Björn Maurer, Dozent für Medienbildung und Informatik an der PH Thurgau

 

Auftraggeber
Verein Feines Kino
Der Trägerverein Feines Kino führt das Kino Roxy aufgrund eines Leistungsauftrages der Stadt Romanshorn. Das Fundament bilden die mehr als 1'000 Mitglieder und Gönnerinnen und Gönner. Die wertvolle Unterstützung durch Sponsoren, die Beiträge des Kantons und von Gemeinden der Region ermöglichen die ständige Weiterentwicklung und eine hohe Qualität.

 

 

 

 

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