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von Inka Grabowsky, 04.12.2024

Eine neue Welt tut sich auf

Eine neue Welt tut sich auf
Margrit Früh hat als Direktorin des Historischen Museums in Frauenfeld das Ittinger Museum in der Kartause mit aufgebaut. Man beachte den Ofenrost aus dem Wappen der Kartause am Kragen der Bluse. | © Inka Grabowsky

Die Kartäuser in Ittingen haben eine Vielzahl von Bildern an Wänden, Decken, Ofenkacheln und Möbeln hinterlassen. Je genauer man hinschaut, desto mehr Geschichten entdeckt man. Margrit Früh, die frühere Leiterin des Historischen und des Ittinger Museums, hat ein Nachschlagewerk zur Bildwelt der Kartause geschrieben. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

«Man sieht nur, was man weiss.» Dieses Zitat von Goethe nutzt Markus Landert, der inzwischen ebenfalls pensionierte Nachfolger von Margrit Früh als Direktor des Ittinger Museums, um das Werk der Kollegin angemessen zu würdigen. 

Eigentlich habe er vor einigen Jahren nur angeregt, die vielen Aufsätze von Margrit Früh in einem Buch zusammenzufassen, um das Wissen der Kunsthistorikerin zu bündeln und zu erhalten. Doch sie habe abgewunken. «Man müsse alle überarbeiten und alle Doppelungen herausstreichen, um es lesefreundlich zu gestalten, meinte sie zu mir», so Landert. «Das mache zu viel Arbeit.» Folgerichtig schrieb sie lieber alles neu und ordnete die Erkenntnisse im 19 Kapiteln nach den Bild-Themen. 

Ein gewichtiges Werk sei entstanden, sagt der amtierende Museumsdirektor Peter Stohler mit einem Lächeln: «Das ist auch wortwörtlich zu verstehen: Es bringt 1,25 Kilo auf die Waage. Aber bedeutender ist, dass es mir als Laien einen Zugang zum Bilderschatz in der Kartause ermöglicht. Das Buch hat gefehlt. Es ist jetzt schon ein Standardwerk.» 

 

Für Laudator Markus Landert ist Margrit Früh ein Vorbild in wissenschaftlicher Arbeit wegen ihrer Verbindlichkeit und den verständlichen Formulierungen. Bild: Inka Grabowsky

Promis sind unverzichtbar

Einiges aus der Bildwelt der Ittinger Mönche erschliesst sich schnell. Es gibt Ansichten des Klosters und Momentaufnahmen der Entstehungsgeschichte. Verständlicherweise haben die Mönche auch Portraits vom ersten Kartäuser Bruno aufgehängt, ausserdem vom Ittinger Patron St Laurentius, den sie von den Vorbesitzern, den Augustiner Chorherren bei ihrem Einzug 1461 übernommen hatten. Wenn man weiss, dass er seines Glaubens wegen verbrannt wurde, versteht man, warum im Wappen der Kartause ein Ofenrost erscheint.

Es ist nicht verwunderlich, dass bildliche Verweise auf Christus und Maria zahlreich sind. Die Bilder von Johannes dem Täufer haben Bezug zum Lebensstil der Kartäuser. Wie Johannes, der sich zeitweise in die Wüste zurückzog und dort der Askese frönte, leben sie als Eremiten in der klösterlichen Gemeinschaft. Dass der heilige Bruno im Jahr 1084 ausgerechnet am Johannistag, dem 24.Juni, ein Gelände mit dem Flurnamen «Chartreuse» betreten hat, um dort die erste Einsiedelei zu gründen, bringt ihn den Kartäusern noch näher. 

Details beachten lohnt sich

Es sind die Feinheiten, die Geschichten erzählen. Auf die Tür zur Klosterkirche ist ein Erzengel Michael geschnitzt. «Den hat jeder Besucher bestimmt schon gesehen, aber vielleicht hat ihn nicht jeder bewusst wahrgenommen», so Früh. «Er gilt als Kämpfer gegen das Böse. Und für mich bezeichnend ist, dass er im Westen angebracht ist – dort geht die Sonne unter, die Dunkelheit steigt herauf. Er hilft exakt an dieser Stelle gegen die Angst.» 

Um ein paar Ecken muss man denken, um zu verstehen, warum ein niedlicher Elefant mit erhobenem Rüssel eine Ofenkachel im Gästezimmer des Klosters ziert. Das Motiv ist dem Buch «Lust- und Arzeneygarten des königlichen Propheten Davids» entnommen, das Wolf Helmhardt von Hohberg 1675 schrieb. Jedem der 150 lateinischen Psalmen sind dort deutsche Verse und ein Bild zugeordnet. «Zu Psalm 50, Vers 14 ‹Opfere Gott Dank‹ heisst es dort, der Elefant würde jeden Morgen mit Trompeten die Sonne begrüssen und für den Tag danken», sagt Margrit Früh. 

 

Das hätte Walt Disney auch nicht drolliger hinbekommen. Der Elefant auf der Ofenkachel mahnt zur Dankbarkeit. Bild: Inka Grabowsky

Aussen schlicht, innen reich

Auf 279 Seiten (und zusätzlich 414 Seiten mit Abbildungen) erklärt die Kunsthistorikerin, was es zu sehen gibt, wenn man weiss, worauf man zu achten hat. «Ich habe mich quasi mein ganzes Berufsleben mit den Kartäusern beschäftigt», meint Margrit Früh. «Angefangen hat es noch vor meiner Promotion, als ich im Landesmuseum gearbeitet habe. Eigentlich war es Zufall - und dann hat mich das Thema immer mehr fasziniert.» «Von einem Virus der Kartäuser» spricht Markus Landert in diesem Zusammenhang. 

Passend zum Gewand der Ordensmitglieder erscheint das Buch in weissen Leineneinband. «Es ist bewusst ganz schlicht», sagt die Autorin. «Auch den Kartäusern ging es um den inneren Reichtum.» 

Datenbank erleichtert die gezielte Suche

«Beim Blättern im Buch entfaltet sich ein intuitiver Zugang», meint Landert in seiner Laudatio. Doch einen anderen, einen systematischen Zugang bekommen Interessierte über die neu geschaffene Datenbank, in der demnächst nicht nur alle Abbildungen und Texte aus dem Buch zu finden sein werden, sondern alles Material, das es in seiner Fülle nicht zwischen die Buchdeckel geschafft hat. 

Unter anderem dabei war Felix Ackermann, Kurator am Ittinger Museum, federführend. «Es gibt drei Ebenen der Erschliessung. Man kann hier nach der Ikonografie, nach der Gattung oder nach dem Standort suchen - also etwa entweder alle Tiermotive oder alle Deckenmalereien oder alles aus dem Refektorium.» 

 

Der Procurator der Kartause, Heinz Scheidegger, bedankt sich bei Margrit Früh für ihre Forschungs- und Aufbauarbeit. Bild: Inka Grabowsky

 

Das Buch

«Die Bildwelt der Kartause Ittingen» von Margrit Früh, herausgegeben von der Stiftung Kartause Ittingen und vom Ittinger Museum ist im Saatgut Verlag erschienen und kostet 58 Franken.

 

 

Von aussen schlicht wie die Kutte der Kartäuser, innen mit prächtigen Bildtafeln. Bilder: Inka Grabowsky

 

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