Dem Alltag entfliehen

Mit bekannten Namen und literarischen Experimenten: Das Jahresprogramm des Klosters Fischingen bietet Raum für Entdeckungen. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Wer es mal in die „Schweizer Illustrierte“ geschafft hat, der darf sich angekommen fühlen im „People“-Establishment der Schweiz. Trotz dramatischer Auflagenverluste in den vergangenen 15 Jahren (von 213’000 runter auf rund 85’000 Exemplare) zählt das Magazin aus dem Ringier Verlag noch immer zu den meistgelesenen Promi-Blättern des Landes. Wenn sich inzwischen also auch eine Homestory des Aargauer Pianisten Oliver Schnyder darin findet, dann hat er offenbar den weiten Weg aus der Klassik in den Mainstream erfolgreich absolviert.

„Oliver Schnyder ist der zurzeit erfolgreichste Schweizer Klavier-Export. Es gab Zeiten, da war der Aargauer Pianist und Kammermusiker im Ausland berühmter als in seiner Heimat“, lobpreist das Magazin den Musiker. Und tatsächlich ist da ja etwas dran - an Auszeichnungen und Erfolgen mangelt es in der Vita von Schnyder nicht. Die Website von Radio Swiss Classic listet sie detailliert auf. 2016 war er auch mal künstlerischer Leiter der Ittinger Pfingstkonzerte, in diesem Jahr kehrt er mit einem Konzert zurück in den Thurgau.

Video: So klingt das Oliver Schnyder Trio

Trio spielt Schostakowitsch und Beethoven

Mit seinem Oliver Schnyder Trio (neben Schnyder am Piano sind noch Violinist Andreas Janke sowie Cellist Benjamin Nyffenegger dabei) spielt er am 8. Dezember ein Konzert in der Kulturreihe des Klosters Fischingen. Dieser Auftritt ist das besondere Sternchen im diesjährigen Jahresprogramm. „Wir versuchen jedes Jahr auch Highlight-Veranstaltungen zu bieten, das Konzert des Oliver Schnyder Trio zählt in diesem Jahr sicher dazu“, sagt Cornelia Scheiwiler, Leiterin Kultur & Marketing am Kloster Fischingen. Unter dem Titel „Atemberaubende Klangwelten“ wird das Trio Werke von Schostakowitsch und Beethoven spielen.

Neben Oliver Schnyder wird es bis Ende des Jahres noch 13 weitere Veranstaltungen im Kloster geben. Die nächste steht am Ostersonntag, 31. März, an. Dann gastiert der Thurgauer Trompeter Dani Felber mit seinem Trio und der Sängerin Lisa Doby. „Das Konzert spannt einen musikalischen Bogen von Jazz bis Soul und ist gespickt mit Febers spannend erzählten Anekdoten. Das Publikum erlebt Geschichten aus 30 Jahren Bühnenerfahrung“, erläutert Cornelia Scheiwiller. Felber steht in Sachen Promi-Ruhm übrigens Oliver Schnyder in nichts nach: Auch über ihn hat die „Schweizer Illustrierte“ schon eine Homestory veröffentlicht.

Themenschwerpunkt zum Dichter Jakob Senn

Im Fischinger Jahresprogramm gibt es allerdings auch noch Entdeckungspotenzial. „Wir wollen immer wieder auch Newcomern oder weniger bekannten Musikern die Gelegenheit eines Auftritts bei uns geben“, sagt die Programmleiterin Scheiwiller. Die Auswahl der Konzerte obliegt der siebenköpfigen Kulturkommission des Vereins Kultur Kloster Fischingen. Getragen wird dieser Verein von den Vereinen Barockkirche Fischingen und Kloster Fischingen sowie der Katholischen Kirchengemeinde Fischingen. Finanzielle Unterstützung gibt es zudem vom Kanton Thurgau (25’000 Franken pro Jahr) und der Gemeinde Fischingen.

Das Profil der Kulturreihe im Fischinger Kloster ist klar: „Unser Schwerpunkt liegt auf klassischer Musik, aber wir sind auch offen für andere Genres und Sparten“, sagt Cornelia Scheiwiller. Blättert man durch das aktuelle Programm, dann fallen einem da besonders zwei Termine auf.

Erstens: Vom 16. April bis 10. Mai widmen sich dem Dichter Jakob Senn (1824-1879) gleich mehrere Veranstaltungen: Es gibt eine Ausstellung, Führungen und ein Theaterstück (5. Mai). Anlass ist der 200. Geburtstag des Dichters, in dessen Werk auch das Kloster Fischingen eine Rolle spielte. Der Ausstellungskurator und Schauspieler Matthias Peter gestaltet speziell für Fischingen zwei literarische Führungen durch die Räume des Klosters.

Musiktheatrale Annäherung an „Schlafes Bruder“

Zweitens: Ebenfalls aus einer literarischen Vorlage entstand das Programm für den 28. und 29. September: Christian Döhring und Andreas Wiedermann inszenieren Robert Schneiders Roman „Schlafes Bruder“ als Musiktheater in Kooperation mit dem Chor Inscriptum: „Zwei Organisten, drei Schauspieler:innen und der Chor Inscriptum lassen in diesem Musiktheater die Vielstimmigkeit der Erzählwelten lebendig werden. In der Inszenierung wird der ganze Raum zur Bühne, die Kirchenschiffe fungieren als Dreh- und Angelpunkte für die entscheidenden Situationen im Leben des Genies Elias Alder (der Hauptfigur des Romans, d. Red.)“, heisst es im Programmheft dazu.

Die gute Nachricht: Zuschauerzahlen steigen wieder an

Der Zuspruch aus dem Publikum bekräftigt die Fischinger Konzertveranstalter darin, ihren Weg weiterzugehen. Zu den 13 Konzerten des vergangenen Jahres kamen nach Angaben der Veranstalter insgesamt 1640 Zuhörer:innen. „Wir hatten 2023 bessere Besucherzahlen als noch vor der Pandemie. Mein Eindruck ist, dass die Menschen heute dankbarer sind für die Momente, die wir ihnen bieten können“, sagt Cornelia Scheiwiller.

Woran das liegen könnte? Die Fischinger Kulturbeauftragte hat da eine Vermutung: „Konzerte sind wie kleine Inseln, auf welchen wir Kraft für die kommenden Herausforderungen tanken. Wir treffen auf andere Leute, tauschen uns aus und vergessen dabei für einen Moment die schlechten Nachrichten unserer Zeit.“

Video: Dani Felber feat. Lisa Doby