von Barbara Camenzind, 19.12.2022
Bach mit nordischer Klarheit
Schnörkelmusik schnörkellos gut musiziert: Manuela Eichenlaubs präzise Interpretation von Bachs Weihnachtsoratorium bescherte den vielen Zuhörenden in Weinfelden ein echt Hörerlebnis. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Jauchzet, frohlocket: Es braucht nicht immer die grosse Kelle, um Bachs Weihnachtsoratorium richtig anzurühren. Eine klare Vorstellung der barocken Proportionen, ein konzentriertes Ensemble und die nötige Portion Demut sind gute Voraussetzungen, einfach gute Arbeit mit grosser Musik zu machen.
Manuela Eichenlaub erfüllte diese Voraussetzungen, das war schon nach der ersten Kantate klar. Der grosse, durch die rund 20 jungen Stimmen der PMS/PHTG verstärkte katholische Kirchenchor Weinfelden sang sich glasklar verständlich bis auf die Empore in die Herzen der Zuhörenden. Besonders schön gelang dem Chor der Coro „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“, der Auftakt zur Kantate III.
Barockmusik, die Freude macht
Jeder Dux, die so genannten Einsätze bei einer Fuge waren präzise gesetzt, so ergab sich ein wohlklingendes Klanggebäude in Bachs deutlich erkennbaren linearen Strukturen. Das ist Barockmusik, das macht Freude.
Da beim Weihnachtsoratorium selten alle sechs Kantaten aufs Mal an einem Konzert gespielt werden, war die Auswahl der ersten (ohne die gehts nun mal nicht) der dritten, der „Hirtenkantate“ mit den besonders schönen Chorälen und der mahnenden sechsten Kantate „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“ eine Auswahl pro Chor.
Harmonisches Solistenensemble
Mit dem portugiesischen Tenor Rodrigo Carreto holte Manuela Eichenlaub einen zauberhaften Evangelisten nach Weinfelden. Mit leichter Höhe, elegantem Schmelz und grosser Hingabe sang sich der junge Sänger durch die heiklen Secco- und Accompagnato-Rezitative, in denen jede Zäsur, jede Silbenbetonung sass.
Carretos sensible Erzählweise und die grosse filigrane Arie zum Schluss „Nun mögt ihr stolzen Feinde schrecken“ waren schlicht wunderbar interpretiert.
Die solistischen „Reinzieher-Highlights“ im Weihnachtsoratorium schrieb Johann Sebastian Bach für den Alt („Bereite dich Zion“) und den Bariton („Grosser Herr und starker König“). Altistin Alexandra Busch und Bariton Roland Faust verliehen den barocken Evergreens die richtige entspannte, schön stimmige Atmosphäre ohne grosses Gehabe.
Lob für Nervenstärke
Egal in welcher Kantaten-Kombination das Weihnachtsoratorium aufgeführt wird, den undankbarsten Part muss immer der Solosopran übernehmen. Der erstmal lange wartet, um dann einen Kaltstart als Engel in grosser Höhe hinzulegen, oder sich durch ein wirklich vertracktes Duett mit dem Bariton manövrieren zu müssen.
Grosses Lob an Alexa Vogel für ihre Nervenstärke und die schicken Koloraturen in der schweren Arie „Nur ein Wink von seinen Händen“.
Sensationelle Trompeten
Das Barock-Orchester ad hoc mit Oriana Kriszten als Konzertmeisterin erwies sich als flexibler, mitatmender Klangkörper, den man in dieser Zusammensetzung gerne als ständige Formation hören würde. Auch was die Präzision im Zusammenspiel betrifft, die da und dort noch etwas fehlte.
Absolutes Highlight aber waren die drei Musizierenden an den Barocktrompeten, Ute Hartwich, Daniel Bietenhader und Arne Thielemann. Ohne ihre luziden, gestochen scharfen Einsätze hätte das Weihnachtsoratorium nur halb so festlich geklungen.
Bitte mehr davon
Fazit: Es war ein sehr geglückter Konzertabend, der durch Manuela Eichenlaubs schnörkelloser, uneitler „Leitung mit nordischer Klarheit“ die Musik in den Vordergrund stellte. Das war einfach gut. Bitte mehr davon.
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