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Auf ins Gefecht!?

Auf ins Gefecht!?
«Da wäre ich vorsichtig.» Dominik Gügel, Leiter des Thurgauer Napoleonmuseums, im Gespräch mit thurgaukultur.ch | © Helmuth Scham

Eine Ausstellung über Waffen – geht das in Zeiten des Krieges? Das Napoleonmuseum findet: ja. Und zeigt gerade die historische Waffensammlung von Napoleon III. Ein Gespräch mit Museumsdirektor Dominik Gügel über Technikliebe und Kriegsbegeisterung. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Herr Gügel, Waffen hatten lange einen miserablen Ruf. Der schreckliche Krieg in der Ukraine dreht das gerade auf verblüffende Weise. Frieden schaffen mit Waffen ist nun das Motto.

Mir scheint es tatsächlich so, dass während dieser schreckliche Konflikt läuft, ein Paradigmenwechsel im Blick auf Waffen und Militär stattgefunden hat. Das finde ich hochinteressant zu beobachten. Wie lange das anhält, vermag ich nicht zu sagen. Man hofft ja nur, dass dieser Krieg schnell umgeht.

So grundsätzlich gesprochen: Was ist für Sie der Reiz an Waffen?

Mich selbst interessieren Waffen kaum oder nur wenig, ich bin kein Waffen-Narr. Aber: Wir zeigen in unserer Ausstellung die grosse Kunst der Waffenschmiede. Uns geht es um Napoleon III. als Technik-Nerd und Sammler dieser schönen Stücke. Wir zeigen auch keine Waffen im klassischen Sinne. Wir stellen keine militärischen Waffen aus, sondern Dekorationsstücke, die vom künstlerischen Standpunkt aus wunderschön sind und der Waffe von heute, die ein reines Funktionselement darstellt, etwas entgegen stellt. Es sind wirklich künstlerisch und handwerklich hochwertige Stücke. Wir haben jetzt die Auswahl getroffen, der aus unserer Sicht schönsten und interessantesten Exemplare aus der Sammlung.

 

Französisches Revolvergewehr von Kaiserin Eugénie Um 1860 gelangte diese Luxusausführung eines "Damengewehrs" wohl in den Besitz von Kaiserin Eugénie, die die neuartige, im Geschmack des zweiten Kaiserreichs reich dekorierte Waffe wohl so sehr schätzte, dass Napoleon III. sie während seiner Gefangenschaft 1870/71 im Kasseler Schloss Wilhelmshöhe aus Frankreich auf den Arenenberg überführen liess. Bild: Napoleonmuseum TG

 

Wie stand der französische Kaiser Napoleon III. zu Waffen?

Er war einfach ein Technik-Freak. Napoleon III. hat sogar eigene Waffen konstruiert. Er ist ungemein technikaffin in vielen Bereichen und dazu zählt auch das Waffenhandwerk. Dieses Interesse zeigt sich nicht nur bei den Waffen, sondern seine Technikleidenschaft findet sich auch anderswo in seiner Vita wieder. Er hat zum Beispiel mit Bergwerktechnik experimentiert am Bodensee, er beteiligt sich an der Entwicklung der Schifffahrt. Solche Dinge interessierten ihn einfach.

 

«Uns geht es um Napoleon III. als Technik-Nerd und Sammler dieser schönen Stücke.»

Dominik Gügel, Direktor Napoleonmuseum Thurgau

Woher kam dieses Faible?

Er besass schon in seiner Zeit als Prinz auf dem Arenenberg eine eigene Waffensammlung und die baut er sukzessive in seiner Zeit als Prinzpräsident und dann auch als Kaiser in Frankreich aus. Mit Ausnahme der Mittelalterwaffen, die im Louvre noch sind, also: Rüstungen, Schwerter, Morgensterne, ist das alles verschwunden. Das einzige, was sich als mehr oder wenig geschlossener Bestand bewahrt hat, ist die Arenenberger Waffensammlung und die schlummerte eigentlich immer einen Dornröschenschlaf vor sich hin. Fachleute wussten, dass sie existiert, wir wussten das natürlich auch und haben dann vor Jahren die Entscheidung gefällt, dass wir sie durch einen Fachmann inventarisieren und aufarbeiten lassen. Mit Jürg A. Meier aus Zürich,  dem Grandseigneur der Waffengeschichte in der Schweiz, hatten wir genau den richtigen Mann gefunden.

Schauen wir in die Zeit zurück: Welche Rolle spielten Waffen in der Zeit von Napoleon III.?

Eine ganz andere Rolle als heute. Man trug die Waffen offen, denken Sie zum Beispiel an den Degen. Das Waffentragen bedeutet natürlich ein Selbstbewusstsein. Der freie Mann trägt einen Degen. In den USA ist das ja bis heute so, dass Waffentragen oder Waffenbesitz als Teil der persönlichen Freiheit gesehen wird. Auch die sprunghafte Ausbreitung des Schützenwesens im 19. Jahrhundert hängt damit zusammen. Sie zeigt die Freiheit des Bürgers, gerade auch im Thurgau und der Schweiz, gegen die Despoten.

 

Louis Napoleon als Hauptmann der Berner Artillerie Aquarell von Felix Cottreau um 1834 Bild: Napoleonmuseum Arenenberg
Napoleon III. war aber nicht nur Technik-Freak, er hatte auch keine Scheu Waffen einzusetzen, wenn man an die Kriege denkt, die er geführt hat.

Da wäre ich vorsichtig. Er scheut eigentlich militärische Auseinandersetzungen sehr stark. Für ihn ist das immer die Ultima Ratio.

 

«Krieg ist für Napoleon III. immer nur die Ultima Ratio.»

Dominik Gügel, Direktor Napoleonmuseum Thurgau

Trotzdem führte er Kriege: Der Krimkrieg mit Grossbritannien und dem Osmanischen Reich (1854-1856) oder auch der Einmarsch in Mexiko mit französischen Truppen (1862).

Wie gesagt, Napoleon III. sieht Kriege als Ultima Ratio. In überschaubaren Rahmen auch als Mittel zum Zweck. Die Teilnahme am Krimkrieg zum Beispiel bedeutet das Ende der Isolierung Frankreichs auf dem internationalen Parkett.

Krieg diente also als Mittel zur Fortführung von Politik?

Ja. Berücksichtigen sollte man da auch die Frage, wer steht in Frankreich neben ihm - Napoleon III. ist nicht mehr der absolute Monarch wie beispielsweise sein Onkel Napoleon I.. Es gibt es einen Ministerrat, in dem stärkere und schwächere Persönlichkeiten agieren. Sie verfolgen Eigeninteressen. Die Falken auf der einen Seite, die Tauben auf der anderen Seite. Was man Napoleon III. sicher vorhalten muss ist, dass er sich zum Teil nicht durchsetzt.

 

Waffen im Rücken: Das Arbeitszimmer Kaiser Napoleons III. in Chislehurst. Um 1872. Privatbesitz
Woran liegt das?

Das hat viele Hintergründe: sein mehr als schlechter Gesundheitszustand zum Beispiel. Der führt dazu, dass der Kaiser selbst Frankreich phasenweise politisch kaum mehr leitet. Er ist einfach zu schwach. Seine Frau Eugenie führt von Zeit zu Zeit allein den Ministerrat. Für ein präzises Urteil müsste man die französische Aussenpolitik sehr differenziert anschauen. Was führt, warum, zu welcher Entscheidung und schliesslich zum Einsatz des französischen Militärs? Das kann ich so aus dem Stegreif nicht sagen. Ein Pauschalurteil ist jedenfalls nicht am Platz. Aber grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass Napoleon III. den Kriegseinsatz eher scheut.

Also war Napoleon III. selber eher Taube als Falke?

Er war jedenfalls sicher nicht der Kriegstreiber schlechthin. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass er als französisches Staatsoberhaupt die Genfer Konvention ratifiziert. Er ist der erste Souverän, der dies tut. Damit macht er den Weg überhaupt erst frei für die bis heute vorherrschende Gültigkeit dieser Vereinbarung. Hier zeigt sich auch sein humanistischer Ansatz. Das Ganze gipfelt, wenn man so will, in der Kapitulation von Sedan, wo er genau das macht, was ihm Henri Dufour, sein Lehrer an der Offizierschule von Thun und väterlicher Freund beigebracht hat: Nämlich die Waffen zu strecken, wenn man keine Aussicht auf Erfolg hat: Schütz das Leben Deiner Soldaten, bevor Du bis zum letzten Mann kämpfst.

 

Osmanische Schnappschlossbuechse um 1810: Die reichen Verzierungen der Schnappschlossbüchse aus der Werkstatt von "Derwisch Mustafa". Bild: Napoleonmuseum Arenenberg

 

René de Chateaubriand und Louis Napoléon treffen sich 1832 im Appartement des Prinzen auf Arenenberg. Hinten links Teile der Waffensammlung am originalen Standort im sogenannten Prinzenflügel. Bild: Napoleonmuseum

 

Die Ausstellung

Die Ausstellung «Aux Armes! Die Waffensammlung des Napoleonmuseums» ist bis 31. Oktober 2022 auf dem Arenenberg zu sehen. www.napoleonmuseum.tg.ch

 

Gezeigt wird ein Querschnitt der nachvollziehbaren kaiserlichen Sammlungen: 35 sehr unterschiedliche Waffen aus dem 17. bis ins 19. Jahrhundert nebst dazugehörigen Werkzeugen. Luntenbüchsen, Steinschlossgewehre, Hinterlader, Revolver, Säbel, Degen, aber auch eine raffinierte Attentatswaffe, als Spazierstock getarnt. Bei den präsentierten Objekten handelt es sich um Waffen aus europäischer, nordamerikanischer und türkisch-osmanischer Produktion.

 

Wie die Stücke auf den Arenenberg kamen, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Besucher sprechen schon in den 1830er Jahren davon, eine Kollektion des späteren Kaisers gesehen zu haben. Teile davon sind wohl einfach am Bodensee verblieben und bilden den Grundstock der Arenenberger Sammlung.

 

 

 

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