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von Rolf Müller, 27.10.2014

Ambivalentes Selbstverständnis

Ambivalentes Selbstverständnis
Im Dialog: Barbara Fatzer und Willi Oertig. | © Rolf Müller

Zum Ausstellungsende im Kreuzlinger Seemuseum unterhielt sich Maler Willi Oertig mit der Journalistin Barbara Fatzer. Fazit: Kunst will er keine machen - aber ein Künstler ist er schon.

Rolf Müller

Gesoffen habe er zwar manchmal, aber berufliche Durststrecken kenne er eigentlich keine, sagte der 67-jährige Kradolfer bei der Finissage der gutbesuchten Ausstellung von See-, Wasser- und Schiffsbildern im Gespräch. Seit 43 Jahren ist er beständig im Geschäft, hat rund tausend dem Realismus zugeschriebene Bilder gemalt, kennt weder einen Chef noch einen Vermieter und ist stolz darauf.

Allerdings passe ihm der Begriff „Kunst“ gar nicht, machte er im Dialog mit der Thurgauer Journalistin und Kulturhistorikerin Barbara Fatzer deutlich. Zu überstrapaziert sei der Begriff, zu inflationär die Masse von Malereien, deren Gros über kurz oder lang in der Kehrrichtverbrennung landen würde.

„Do chame jo jede Seich mache“

„Es gibt nur wenige, die von der Malerei leben können – die anderen haben eine reiche Frau“, sagte Oertig in gewohnt knorriger Art und hatte die Sympathien und Lacher des Publikums auf seiner Seite. Es reiche eben nicht, etwas einfach zur Kunst zu erklären: „Do chame jo jede Seich mache.“ Mit solchen Hobbykünstlern, nach denen in zehn Jahren kein Hahn mehr kräht, habe er nichts gemein.

Er hingegen mache keine Kunst, versicherte er auf mehrfache Nachfrage von Fatzer, sondern male einfach gute Bilder in Öl, und dieses ehrliche Handwerk werde geschätzt. Man müsse im Leben sein wie ein Fuchs, der eine Lücke suchend einem Zaun entlang streift - und sich bietende Gelegenheiten nützen.

Just do it

Er jedenfalls macht genau das in Wort und Tat meisterlich und schätzt die freiheitliche Lebensqualität, wenn er sich nachts zur Musik von John Lee Hooker und anderen Gitarreros – „diesen Gaunern“ – im Atelier eine Brissago anzündet und sich in seine Bilder vertieft.

Ein kleines Zugeständnis liess sich Oertig dann doch noch abringen: „Ich rede nicht über Kunst, ich mache sie.“ Ein Künstler ist er sowieso.


***

Weitere Informationen

Stark wie ein Indianer - thurgaukultur.ch vom 23.08.2014

www.seemuseum.ch

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