von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 11.02.2019
Alle mal locker machen
Die Angst des Feuilletons vor dem Populären. Oder warum Festivals wie die Summerdays Arbon manchmal zu unrecht für ihr Programm belächelt werden.
Wenn man so will, dann ist das Summerdays Festival in Arbon das Formatradioprogramm unter den Festivals: Beliebt bei den Massen, eher mit hochgezogener Augenbraue beäugt vom Fachpublikum. Der Grund dafür ist hier wie dort derselbe: Gespielt wird, was vor allem dem Massengeschmack gefällt und leicht konsumierbar ist. So etwas führt in Musikredaktionen gerne zu einem leicht überheblichen Naserümpfen. Das wird mit ziemlicher Sicherheit auch bei der diesjährigen Auflage der Summerdays so sein. In Teilen ist das durchaus gerechtfertigt. Konserven-Pop á la Mark Forster oder Alvaro Soler ist in der Tat oft nur schwer zu ertragen, wenn Musik für einen mehr ist als schlichtes Hintergrund-Gedudel.
Aber für Veranstalter ist das ja auch nicht immer ganz einfach: Wenn ein kommerziell orientiertes Festival erfolgreich sein will, dann muss man schon auch Populäres im Angebot haben, von der Nische alleine kann man nicht leben. Dazu kommt, dass sich die Veranstalter des Arboner Festivals eine ziemlich grosse Aufgabe gestellt haben: Sie versuchen, möglichst viele Zielgruppen zu bedienen. Die Ü40-Jährigen, denen das Open Air St. Gallen vielleicht zu anstrengend geworden ist, die Menschen, die die Bands aus ihrer Jugend mit den Freunden ihrer Jugend mal wieder hören wollen und auch der chartorientierte Festivalnachwuchs darf ja auch nicht vergessen werden. So entsteht dann ein sehr buntes Programm.
Nostalgiker treffen auf Hitparaden-Junkies
In diesem Jahr sind die beiden Tage, also der 23. und 24. August, wieder sehr klar voneinander abgegrenzt: Der Freitag gehört den Nostalgikern: Es spielen unter anderem Wishbone Ach, Procol Harum, Bonnie Tyler und Herbert Grönemeyer. Der Samstag wendet sich dann vermehrt an Familien und Hitparaden-Junkies mit Auftritten von Kaufmann, Stefanie Heinzmann, Kodaline und den schon erwähnten Mark Forster und Alvaro Soler. Aus unternehmerischer Sicht ist das klug programmiert, weil die auftretenden Künstlerinnen und Künstler stimmig kombiniert sind. Als Besucher weiss man da, was man bekommen wird. Das Konzept funktioniert offenbar. „Seit dem Auftakt 2009 waren wir sehr oft ausverkauft“, sagt Festivalchef Christof Huber. In Zahlen bedeutet das pro Tag kommen etwa 12 000 Besucher auf das Gelände.
Das Programm bei den Summerdays ist das eine, gemocht wird das Festival aber auch wegen seiner atemberaubenden Kulisse direkt am Bodenseeufer. Und der ganz eigenen Atomsphäre. Denn: Angepasst an die Bedürfnisse der Zielgruppe wurde bei den Summer Days auch das Gelände: Ausgewähltere Imbissstände, weniger Disko-Klimbim und alles ein bisschen entspannter und gesitteter als bei den grossen anderen Festivals. „Es sollte ein Ambiente haben, in dem sich die Besucher wohlfühlen“, erklärt Christof Huber.
Video: Rückblick auf die Summerdays 2018
Der Feuilleton-Dünkel kann auch ganz schön nerven
Und vielleicht ist das dann auch der Punkt, an dem sich alle Kritiker des Festivals mal etwas locker machen sollten. Man muss nicht das gesamte Programm der Summerdays toll finden, man kann sich vor Acts wie den Herren Forster und Soler gruseln, aber deswegen das ganze Festival zu verdammen, wird dem Ganzen auch nicht gerecht. Ehrlich gesagt: Bisweilen kann einem der Dünkel des Feuilletons auch gehörig auf die Nerven gehen. Letztlich ist diese eitle Selbstvergewisserung des besseren Geschmacks oft sehr provinziell. Weil sie genau das tut, was sie anderen vorwirft: Nicht über den eigenen Tellerrand zu schauen. Mit anderen Worten: Wer ambitionierte Künstlerinnen und Künstler wie Herbert Grönemeyer, Stefanie Heinzmann oder Kaufmann im Programm hat, der hat den groben Stempel „Kommerz-Kacke“ nicht verdient.
Die Vorgeschichte der Summerdays
Die Summerdays knüpfen an eine alte Open-Air-Tradition in Arbon an. Schon von 1980 bis 1989 gab es eine Festival in der Stadt. Und auch schon damals spielten Bands wie Status Quo. Direkte Vorläufer der Summerdays war auch das Open Air Tufertschwil. Da das Festival nach Dauerregen 2005 intensive Flurschäden verursacht hatte, musste es nach Jonschwil in den Degenaupark verlagert werden. Das Programm im darauffolgenden Jahr bedeutete allerdings einen hohen Verlust für den Veranstalter. Das war der Moment an dem Christof Huber und sein Unternehmen Summer Days Festival AG - eine Tochterfirma des Open Air St. Gallen - ins Spiel kamen. „Man hat uns damals gefragt, ob wir Interesse hätten das Festival zu reaktivieren, das haben wir getan, obwohl wir von Anfang an skeptisch waren, ob Jonschwil der richtige Ort ist“, sagt der Programmmacher. Dennoch versuchten sie es. Mit mässigem Erfolg: Es kamen nur rund 16 000 Besucher. Konsequenz daraus: Die neuen Veranstalter beschlossen 2008 zu pausieren und ein Jahr später einen Neustart in Arbon zu wagen. Seither läuft es gut, das Konzept ging am neuen Ort auf.
Das Programm 2019:
Freitag, 23. August: Wishbone Ash, Procol Harum, Bonnie Tyler, Herbert Grönemeyer, Saint City Orchestra
Samstag, 24. August: Kaufmann, Marc Sway, Stefanie Heinzmann, Bastian Baker, Kodaline, Mark Forster, Alvaro Soler.
Tickets: 1−Tagespass Freitag: 99 Franken; 1−Τagespass Samstag 99 Franken; Festivalticket Freitag und Samstag 180 Franken; Kinder 1-Tagespass Freitag oder Samstag (Jahrgänge 2003 – 2008): 40 Franken; Kinder 2-Tagespass Freitag und Samstag (2003 – 2008): 80 Franken.
Zeltplatz-Ticket: 14.50 Franken pro Person inklusive Shuttlebus vom Zeltplatz zum Festivaleingang Hafen. Ein Zeltplatz-Ticket ist nur zusammen mit einem Festivalticket gültig.
Wohnmobil-Ticket: 95 Franken pro Fahrzeug. Alle Preise exklusive Vorverkaufs- und Systemgebühren. Alle Infos zum Vorverkauf gibt es hier: https://www.summerdays.ch/tickets
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