15.06.2012
Huggenberger-Biografie gewürdigt
Die Werkbiografie «Huggenberger. Die Karriere eines Schriftstellers» wurde heute Freitag, 15. Juni, im Rathaus Frauenfeld an einer Vernissage vorgestellt und gewürdigt.
Im Herbst 2006 wurde die Absicht der SBB bekannt, Anfang 2007 einen ICN-Zug auf den Namen Alfred Huggenberger (1867-1960) zu taufen. Zwei kritische Zeitungsartikel führten nicht nur zur Absage der Zugstaufe, sondern auch zu einer Debatte zwischen Huggenberger-Kritikern und Huggenberger-Freunden. Dies veranlasste den Regierungsrat des Kantons Thurgau im Oktober 2008, eine wissenschaftlich fundierte, gut lesbare Werkbiografie in Auftrag zu geben. Regierungsrätin Monika Knill begründete dieses Vorgehen in ihrem Grusswort an der Buchvernissage damit, dass man über Alfred Huggenberger viel zu wenig gewusst habe, nicht nur über dessen politische Absichten, sondern auch über dessen Lebensweg und seine Werke überhaupt. Der Regierungsrat sei deshalb damals zum Schluss gekommen: «Es wäre an der Zeit, den „ganzen“ Huggenberger ins Auge zu fassen.» Für das Forschungsprojekt wurden 320 000 Franken aus dem Lotteriefonds zur Verfügung gestellt; die Druckkosten in der Höhe von 50 000 Franken übernahm der Historische Verein des Kantons Thurgau.
Entstanden ist eine chronologisch aufgebaute, problemorientierte Huggenberger-Biografie. Sie zeigt, wie Huggenberger sich als Bauer emporarbeitete und gleichzeitig den Dichterberuf anstrebte und schliesslich betrieb. Sie befasst sich intensiv mit seinen Dichtungen und zeigt deren Qualitäten, aber auch deren Grenzen auf. Und sie setzt sich eingehend mit Huggenbergers politischem Verhalten in den 1930er- und 1940er-Jahren auseinander. Ausführungen zu der Zeit nach dem 2. Weltkrieg und zur Rezeptionsgeschichte nach Huggenbergers Tod beschliessen die Biografie.
In seiner Festansprache anlässlich der Buchvernissage fragte sich Rémy Charbon, Präsident der Gesellschaft für die Erforschung der Deutschschweizer Literatur, warum Huggenberger heute nur noch wenigen geläufig ist. Seine Antwort lautete: «Die Gründe dafür liegen, glaube ich, einerseits in seinem Werk, andererseits in einem literarischen, sozialen und gesellschaftlichem Umfeld, das sich im Lauf seines Lebens radikal veränderte.» Obwohl Huggenberger vor dem 2. Weltkrieg in der Schweiz und in Deutschland ein vielgelesener Autor war, geriet er nach dem 2. Weltkrieg schon zu Lebzeiten in Vergessenheit. Rémy Charbon führte aus, dass sich in beiden Ländern, im kriegszerstörten Deutschland wie in der verschonten Schweiz, die Mentalität wandelte: «Das Bauerntum galt nicht mehr als Hort ewiger Werte und Garant für Stabilität, ja, Stabilität war nicht einmal mehr erstrebenswert.» Dazu kam, dass sich die literarische Landschaft veränderte, was Charbon so beschrieb: «Mit Alfred Huggenberger sah sich eine ganze Generation von Autoren auf einmal an den Rand gedrängt, zu altmodischen Aussenseitern degradiert und der Irrelevanz bezichtigt.»
Charbon zeigte aber auch die Stärke Huggenbergers auf: «Die intensive Zuwendung zu jenen, die weder mit Glücksgütern gesegnet noch mit Durchsetzungswillen ausgestattet sind, die ihre Träume – ein bescheidenes Gütlein, die begehrte Frau – begraben müssen und dennoch nicht verzagen.» Ausserdem wies er darauf hin, dass die wissenschaftliche Forschung sich bisher herzlich wenig um Huggenberger gekümmert habe und dass Rea Brändle und Mario König mit ihrer Werkbiografie wirkliche Pionierarbeit geleistet hätten. (id/Departement für Erziehung und Kultur Kanton Thurgau)
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Rea Brändle und Mario König
Huggenberger. Die Karriere eines Schriftstellers
Frauenfeld: Verlag des Historischen Vereins des Kantons Thurgau, 2012
(Thurgauer Beiträge zur Geschichte; 148/149)
ISBN 978-3-9522896-8-6
Das Buch kann über jede Buchhandlung, beim Historischen Verein des Kantons Thurgau, c/o Staatsarchiv, Zürcherstr. 221, 8510 Frauenfeld (Tel. 058 345 16 00) oder hier bezogen werden.
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