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von Rolf Müller, 08.07.2014

Geschichte(n) aus Polizei-Optik

Geschichte(n) aus Polizei-Optik
550 Jahre Thurgauer Polizeigeschichte: Autor Ernst E. Abegg. | © Rolf Müller

Im Thurgauer Regierungsgebäude in Frauenfeld fand heute die Vernissage des Buchs „Geschichte der Kantonspolizei Thurgau. 550 Jahre thurgauische Ordnungskräfte“ von Ernst E. Abegg statt.

Rolf Müller *

Der Regierungspräsident und Justizdirektor Claudius Graf-Schelling würdigte das im Verlag Huber erschienene Werk und zeigte sich überzeugt, dass das dynamische Korps über ein äusserst solides Fundament für die Zukunft verfüge – „für weitere, sagen wir einmal, 550 Jahre Thurgauer Polizeigeschichte“. Polizeikommandant Hans Baltensperger wies auch mit Blick auf die Geschichte darauf hin, dass Polizeiarbeit nie im luftleeren Raum stattfindet, sondern immer von den Umständen geprägt wird.

Autor Ernst E. Abegg, bedankte sich für die grosse Unterstützung seiner Arbeit. Im Interview sagt er, wie man 550 Jahre Geschichte erzählt, den Überblick behält und ob er weiter Bücher schreibt.

 

Herr Abegg, das Buch „Geschichte der Kantonspolizei Thurgau“ ist 320 Seiten dick. Wie lange haben Sie daran geschrieben?

Ich war in einem befristeten Teilzeitpensum von Mai 2010 bis Juni 2011 bei der Kantonspolizei Thurgau angestellt. Am Buch habe ich bis November 2011 geschrieben.


Wie lange dauerten die Recherchen?


Recherchieren und Schreiben lief parallel. Die Texte schrieb ich laufend in einer Rohfassung, am Ende fügte ich alles zusammen. Die Schlussredaktion lag aus zeitlichen Gründen bei der Kantonspolizei.


Wo haben Sie überall recherchiert?


Vor allem im Staatsarchiv des Kantons Thurgau, aber auch im Archiv des Korps, in Gesprächen mit dem früheren Polizeikommandanten Dr. Jürg Rüsch und dem heutigen Kommandanten Hans Baltensperger. Dazu kam das umfangreiche Studium von Sekundärliteratur und viele weitere Gespräche mit verschiedensten Persönlichkeiten in- und ausserhalb des Polizeikorps.


Da dürfte eine beachtliche Menge an Material zusammengekommen sein. Was taten Sie, um den Überblick nicht zu verlieren?


Nur schon meine eigenen Notizen waren über einen halben Meter dick, ich weiss nicht, wieviele hundert Seiten das sind. Ich gab mir Mühe, das Material systematisch zu verarbeiten. Aber klar, bei einer solchen Fülle an Stoff lief ich immer wieder Gefahr, mich bei interessanten Nebenschauplätzen aufzuhalten. Da musste ich dann jeweils schon ein bisschen ordnen. Den Überblick habe ich aber nie verloren.


Beim Erzählen von 550 Jahren keine Selbstverständlichkeit.


Ja. Die lange Zeitspanne ergab sich allerdings erst bei den Recherchen. Ich dachte früh, dass es ja nicht sein kann, dass die Ordnungskräfte im Thurgau 1803 wie aus dem Nichts dahergekommen sind und es vorher keine gab. Dann entdeckte ich in der Zentralbibliothek Zürich eine Dissertation aus dem frühen 20. Jahrhundert mit wahnsinnig schönen Details zu den Sitten und Gebräuchen der Landgrafschaft Thurgau anfangs des 15. Jahrhunderts. So war mein Interesse geweckt.


Wie kamen Sie als Urgestein des anfangs 2010 eingestellten Schweizer Diensts der Nachrichtenagentur AP überhaupt in den Thurgau?


Zufall. Nach der Schliessung des Schweizer Diensts der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), für die ich 26 Jahre arbeitete, musste ich 2010 als 64-Jähriger nochmals einen neuen Job suchen. Dafür brauchte ich Referenzen. Unter anderem fragte ich Hans Baltensperger an. So ergab sich das.

Ein Leben lang Journalist

Ernst E. Abegg, 68, ist ein Journalist alter Schule. Der gelernte Schriftsetzer begann seine Karriere 1968 bei der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA), wechselte dann zum „Berner Tagblatt“ und war beim „Anzeiger von Uster“ tätig. Später arbeitete er beim Zürcher „Tages-Anzeiger“ unter anderem als Polizeireporter, bevor er 1984 zum Schweizer Dienst der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) stiess, der 2010 geschlossen wurde. Er ist verheiratet, Vater einer erwachsenen Tochter und lebt in Zürich. (rom)

 
Zuvor waren Sie 42 Jahre im Journalismus tätig. Wie wirkte der Seitenwechsel zur Polizei auf Sie?


Ausserordentlich spannend. Als Journalist war ich ja viele Jahre als Polizeireporter tätig, beispielsweise beim „Tages-Anzeiger“, und hatte nie Berührungsängste. So kannte ich die Polizeiwelt schon ziemlich gut, aber natürlich nicht von innen. Ich bin beeindruckt von den engagierten Polizistinnen und Polizisten, die im Thurgauer Korps arbeiten, hatte viele gute Begegnungen.


Interessant ist die Einordnung der Thurgauer Ordnungshüter in den zeitgeschichtlichen Kontext. Erkennen Sie eine Konstante bei der Produktion von Ruhe und Ordnung in den letzten 550 Jahren?


Ja sicher. Früher lautete der Auftrag einfach, die Bevölkerung vor fremdem Gesindel zu schützen. Damals wie heute aber gab es Mord und Totschlag, Raub, Betrug und Diebstahl. Daran wird sich auch künftig nichts ändern, und darum wird es immer Ordnungskräfte brauchen.


Alle Journalisten wollen eigentlich Bücher schreiben, heisst es. Hat sich für Sie also ein Traum erfüllt?


Nein. Ich wollte eigentlich nie ein Buch schreiben. Wenn schon, dann habe ich immer gedroht, publizistisch nach meiner Pensionierung gnadenlos mit allen dummen „Chaiben“ abzurechnen. Aber das war eher als Witz gedacht. Am Buch über die Kantonspolizei habe ich Freude. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, bietet aber einen hoffentlich spannenden Einblick in die Jahrhunderte.

Und wer weiss, vielleicht habe ich ja jetzt Blut geleckt und bleibe als Autor tätig. Es gibt noch andere interessante Themen als die Polizei, und Ideen habe ich viele.

* Der Journalist Rolf Müller war von 1999 bis 2011 Abteilungsleiter Medien und Öffentlichkeit bei der Kantonspolizei Thurgau.

550 Jahre Ordnung und Sicherheit im Thurgau

Die Geschichte der Thurgauer Ordnungskräfte beginnt schon 1460, mit der Eroberung der Landgrafschaft Thurgau durch die Alten Eidgenossen. Weil der Autor dem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext Rechnung trägt, ist das rund 320-seitige Buch mit vielen Illustrationen auch eine spannende „Geschichte des Kantons Thurgau“ – erzählt aus polizeilicher Optik.

Mehr als 250 000 Menschen leben im Kanton Thurgau. Sie alle sollen sich hier sicher fühlen. Das ist das Ziel der Kantonspolizei Thurgau mit heute 420 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Kantonspolizei Thurgau ist heute ein modernes Dienstleistungsunternehmen in Sachen Sicherheit. Doch wie waren die Anfänge? Welche inneren und äusseren Hürden galt es auf diesem Weg zu überspringen, welche Herausforderungen zu meistern, welche Rückschläge zu verkraften?

Der Journalist und Publizist Ernst E. Abegg ist diesen Fragen nachgegangen. Als Geburtstag der Kantonspolizei Thurgau gilt der 26. Februar 1807. An diesem Tag beschloss die Regierung, die 1803 eingesetzten Polizeiwächter seien nicht mehr von den Bezirken, sondern vom Staat anzustellen und aus der „CantonsCassa“ zu bezahlen. Abegg blendet in seinem Buch aber noch viel weiter zurück. Eine faszinierende Reise durch die Jahrhunderte, angereichert mit vielen dramatischen und skurrilen Randgeschichen aus dem Alltag der Kantonspolizei Thurgau.

 

Die Herausgabe wurde unterstützt vom Lotteriefonds des Kantons Thurgau, dem Verband der Kantonspolizei Thurgau, der Thurgauer Winkelriedstiftung sowie der Ulrico Hoepli Stiftung. (red)


Ernst E. Abegg
Die Geschichte der Kantonspolizei Thurgau, 2014, gebunden, ca. 320 Seiten
Huber Verlag Frauenfeld, ISBN 978-3-7193-1585-6, Ca. € [D] 44.95 | € [A] 46.30 | CHF 49.-

www.ofv.ch

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