15.03.2021
Eine Frau erklärt den Männern die Welt

Beim Auktionshaus Christie’s ersteigert das Historische Museum Thurgau ein besonderes Kulturgut, das der Kanton im 19. Jahrhundert verkauft hatte. Ab 19. März ist es im Schloss Frauenfeld zu sehen. (Lesedauer: ca. 2 Minuten)
Es ist ein bemerkenswertes Bild: Zu sehen ist eine illustre Gesprächsrunde. Umrahmt vom Buchstaben A, debattiert die heilige Katharina von Alexandrien, Schutzheilige der Nonnen in St. Katharinental, im Kreis gelehrter Männer.
Gemäss der Legende überzeugt sie mit ihrer Sprachgewandtheit die ungläubigen Philosophen, sich zum Christentum zu bekennen. Die Malerei entstand um 1320 in einer Buchmalereiwerkstatt im Bodenseeraum – wahrscheinlich im Kloster St. Katharinental selbst.
Um 1300 war das Kloster St. Katharinental eine philosophische Hochburg und ein Brennpunkt der europäischen Mystik. Gebildete Frauen traten in diesem Kreis selbstbewusst und auf Augenhöhe mit Männern auf.
Für 42’800 Franken kehrt das Werk zurück
Genau dieses Werk ist nun in den Thurgau, genauer gesagt in die Sammlung des Historischen Museums Thurgau, zurückgekehrt. Im Londoner Auktionshaus Christie’s ersteigerte sich das Museum das Werk laut eigener Medienmitteilung für 42’800 Franken. „Der Erwerb dieses Kunstwerks stellt für das Historische Museum Thurgau einen bedeutenden Sammlungszuwachs dar, ist das Haus doch bereits im Besitz von Malereien aus der gleichen Hand“, heisst es dort.
Eine Rückkehr ist es, weil das Werk ursprünglich aus dem Kanton stammte. Im 19. Jahrhundert hatte der Thurgau seine Klöster aufgehoben und deren hochkarätige Kunstwerke veräussert. Mit dem Erlös füllt der noch junge Kanton damals seine leeren Kassen.

Die Malerei war Teil eines Gesangbuches
„Das Sammlungskonzept des Historischen Museums Thurgau sieht vor, solches Kulturgut in den Kanton zurückzuholen und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit der Ersteigerung einer Buchmalerei aus dem Kloster St. Katharinental ist dem Museum ein weiterer Schritt in diese Richtung geglückt“, heisst es in der Medienmitteilung.
Die Malerei selbst war ursprünglich Teil eines Gesangbuches. Im 14. Jahrhundert entstehen in unserer Region grossformatige, mehrere Kilo schwere Gesangbücher für den Gottesdienst. Deren Pergamentseiten sind kunstvoll mit Tinte beschrieben und mit feinsten Pinselstrichen auf kostbarem Goldgrund virtuos bemalt. „Prachthandschriften aus dem Bodenseeraum zählen denn auch zu den bedeutendsten europäischen Kunstwerken des hohen Mittelalters“, schreibt das Historische Museum dazu.
Ab 19. März wird der Neuzugang ausgestellt
Als diese Bücher ausser Gebrauch gekommen sind, wird ihr Bilderschmuck aus den Seiten herausgeschnitten – für einzelne Darstellungen seien nämlich hohe Verkaufspreise zu erzielen gewesen und auch heute noch werden diese auf dem Kunstmarkt teuer gehandelt, erklärt das Historische Museum.
Bevor die 166x110 mm kleine Malerei für die Langzeitkonservierung aufbereitet wird, erhalten Museumsgäste die Möglichkeit, das Kunstwerk zu sehen. Das Historische Museum Thurgau zeigt es vom 19. März bis 2. Mai 2021 in seiner Schlossausstellung in Frauenfeld. (Di–So, 13–17 Uhr, Eintritt frei)
Damit sowohl die Öffentlichkeit und die Forschung zur hochmittelalterlichen Kunst im Bodenseeraum einen Nutzen haben, wird die Buchmalerei zudem in die virtuelle Handschriftenbibliothek von e-codices aufgenommen. In dieser Datenbank sind weitere Buchmalereien aus der Museumssammlung frei zugänglich.
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