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von Jeremias Heppeler, 04.07.2019

Dein Guide für das Open Air Frauenfeld 2019

Dein Guide für das Open Air Frauenfeld 2019
Das grösste Festival der Ostschweiz: Das Open Air Frauenfeld lockt jedes Jahr 50.000 Hip-Hop-Fans aus aller Welt an. | © Open Air Frauenfeld

Was man auf dem Open Air Frauenfeld 2019 nicht verpassen sollte: Ein sehr persönlicher Festivalguide für alle Hip-Hop-Fans von Jeremias Heppeler

In den vergangenen 15 Jahren meines Lebens – und damit genau genommen die Hälfte meiner Existenz auf diesem Planeten – spielten Festivals eine ganz entscheidende Rolle in meiner Sommerplanung. Mittlerweile haben sich die Prioritäten ein wenig verschoben und so muss ich 2019 unter anderem auf eines der prägendsten Events meines Festivalkalenders verzichten: Das Openair Frauenfeld. Entsprechend wehmütig scrolle ich in der Vorbereitung zu diesem Vorbericht über die Openair-Homepage in Richtung Timetable. Und da stehen sie, aufgereiht und eingeordnet, Rapper und MCs aus allen Herren Ländern, sie, die sie nach Frauenfeld pilgern, jenem HipHop-Mekka auf Zeit. Legenden und Newcomer (erstere dieses Jahr klar in der Unterzahl), Sprechgesangsartisten, Götter und Halbgötter und Viertelgötter und Nullgötter des HipHops.

Und normalerweise hätte ich jetzt den Stift gezückt und meinen persönlichen Konzertplan zusammen geschrieben. Zeiten gewälzt, Wege errechnet, frustrierende Entscheidungen getroffen, Getränke- und Pinkelpausen eingeplant. Und dann alles überworfen. Und dann alles von vorn. Und wisst ihr was? Den Plan schreibt ich jetzt einfach für euch – und zwar ohne mich über die Qualität des Lineups im Detail auszulassen. Machen wir das Beste draus. Ach und für alle, die sich hiervon spontan inspiriert fühlen, ein Ticket zu kaufen. Vergesst es. Das Festival ist schon lange ausverkauft.

Zum Auftakt erstmal ein bisschen Frauenpower

Tag 1: Wir starten stilecht mit Frauenpower – denn auch wenn Female MCs im Frauenfeld LineUp immer noch unterrepräsentiert sind, so gibt doch eine Vielzahl spannender Acts auf der Höhe des Zeitgeists. Bereits um 13.30 Uhr bespielt die Berlinerin Nura die North Stage. Die Rapperin, die mittlerweile vor allem als Sängerin agiert, war ein Teil des Krawall-Duos SXTN, das im letzten Jahr im Unguten auseinander ging. Für Deutschrap bietet die Trennung eine erhebliche Chance, weil Nura und Juju (zu ihr später mehr) als Einzelkämpferinnen viel bessere Musik machen, als zuvor im Verbund. Nura jedenfalls experimentiert mit Trap und Soul und dürfte damit einen mehr als angenehmen Startpunkt setzen.

Weiter geht’s um 15.15 Uhr auf der Soul City Stage mit LGoony. Dieser ist eine Lichtgestalt des Cloudraps, jener Spielart des HipHop, die sich kaum erklären lässt. Es geht um einen spielerischen schnellen Zugang, es geht um Tempo und Ideen, um Grenzen aufweichen, um Ängste abbauen. LGoony ist der schmerzende Dorn im Auge aller rückwärtsgewandten HipHop-Gralshüter. Alleine deswegen sollte man seine Show sehen.

Um 16.40 Uhr entert der amerikanische Rapper Jay Rock die South Stage. Und dieser gehört zu den wohl unterschätztesten Vertretern des gesamten Genres. Das im vergangene Jahr erschienene Album „Redemption“ gehörte zu den besten seines Jahrgangs und lieferte grandiose Features mit Grössen wie Kendrick Lamar, J.Cole und Future.

Keiner wird so genussvoll gehasst wie Future

Aprospos Future: Alleine wegen der Überleitung müssen wir an der Stelle einen Sprung in Richtung 21.20 Uhr machen. Da nämlich ist es auf der South Stage Zeit für die Zukunft. Der Name Future passt wie die Faust aufs Auge, läutete der Rapper aus Atlanta doch mit seinem Album „Pluto“ im Jahr 2012 ein neues Zeitalter im internationalen HipHop ein. Seither wurde kein Rapper so genussvoll gehasst und keiner so oft und offensichtlich kopiert. Sein Überhit „Mask Off“ wird die Grosse Allmend definitiv zu erschüttern bringen.

Okay, ganz clever war der Zeitsprung sicherlich nicht, im Endeffekt haben wir dadurch aber nur einen Rapper verpasst: Stormzy, der um 20.10 Uhr die North Stage planiert. Stormzy ist Uk´s Finest, auf der Insel ein Superstar. Ein aussergewöhnlicher Spitter und Character, der als prägende Figur das Genre Grime auf die internationale Karte hämmerte.

Wir beenden den Premierentag, der mit Blick aufs Gesamtlineup sicherlich die grössten Rap-Kaliber an Land zieht, mit einem waschechten Superstar. Cardi B ist die Queen von New York. Einerseits kunterbunt, aufgedreht und hyperaktiv, andererseits keiner Konfrontation aus dem Weg gehend, hart und HipHop bis in die Haarspitzen. In Amerika ist Cardi längst unter den Allergrössten angekommen, international fehlt noch der letzte Schritt. Auch deshalb (und weil sie sicherlich alles daran setzt, das Konzert ihrer Feindin Nicki Minaj zu toppen) kann man davon ausgehen, dass die Rapperin eine explosive Show mit in die Schweiz bringt. All eyes on her!

Der zweite Tag: Freitag wird dann erstmal ausgeschlafen, aber: Bereits um 13.30 Uhr wartet das nächste Highlight: Little Simz ist eine der spannendsten Nachwuchskünstlerinnen des internationalen HipHop-Kosmos. Sie vereint den typischen düsteren UK-Sound mit Female-Empowering und brutalen Flows. Nicht verpassen!

Danach könnt ihr erstmal die Sonne und das Festivalleben geniessen, denn das Nachmittagsprogramm Samstag ist eher dröge. Das liegt vor allem auch daran, dass sich das mit hohen Erwartungen gestartete Projekt von Ali As und MoTrip als totaler Flop heraus stellte. Könnt ihr euch sparen! Ganz anders die bereits erwähnte Juju (genau, die andere Hälfte von SXTN). Die landete zuletzt gemeinsam mit dem Annenmaykantereit Sänger Henning May den Riesenhit „Vermissen“ und zeigte darüber hinaus die Bereitschaft zur Arbeit an komplexen Themen. Die La Fabrik-Bühne beim Konzert von Juju ab 17:45 Uhr dürfte jedenfalls zum Anschlag gefüllt sein.

Dann kommt der Mann, der seinen eigenen Rücktritt inszenierte 

Platziert euch also lieber in Ausgangsnähe, denn spätestens um 18.15 Uhr müsst ihr die Beine wieder in die Hand nehmen, wenn ihr nicht das Konzert von UFO361 auf der South Stage nicht verpassen wollt. Und das würde ich euch nicht raten. Denn Ufo, der im vergangenen Jahr ausufernd seinen eigenen Rücktritt inszenierte, nur um jetzt mit doppelter und dreifacher Präsenz zurück zu schlagen, ist Deutschlands begnadetster Trap-Rapper. Vor allem sein düsterer auf Ami-Level durch produzierter Sound unterscheidet ihn vom Grossteil der Konkurrenz.

Im Anschluss daran rate ich euch, noch einmal Kräfte zu sammeln. Denn umrahmt von Young Thug (22.10 Uhr) und den $UICIDEBOY$ (0.50 Uhr), die wohl beide die North Stage mit Volldampf bespielen werden, schliesst der unangefochtene Headliner des Openair Frauenfeld den Freitagabend (23:25 Uhr) ab: Travis Scott! Dieser ist nicht nur verwandtschaftlich mit Kanye West verbandelt (beide sind mit Frauen aus dem Kardashian-Klan liiert), sondern gilt spätestens seit seinem gefeierten Album „Astroworld“ als dessen Nachfolger in Spe. Travis ist sicherlich nicht ganz so grössenwahnsinnig wie sein Schwager, ob er mit den dessen schieren musikalischen Talent mithalten kann, muss er unter anderem mit dieser Show beweisen.

Der abschliessende Samstag erscheint dann vollends im Licht von Deutschrap – und das leuchtet in den unterschiedlichsten Farbtönen. Wir starten ganz gemütlich um 17:10 Uhr, da sollten alle Festivalwunden geleckt sein, mit KC Rebell. KC einer der Dauerbrenner des deutschen Raps, anpassungsfähig wie ein Chameleon. Bereits bei den legendären Feuer Über Deutschland-Freestyle Battles wusste der Ruhrpottler zu begeistern. Später etablierte sich der kurdisch stämmige Rapper mit der Reibeisenstimme nach und nach im erweiterten Mainstream, nur um dann, als viele Kollegen sich über den gegenwärtigen Sound des Nachwuchs beschwerten, genau mit diesen neuartigen Sounds erneut durchzustarten.

OG Keemo indes, der um 17:45 Uhr seine Schicht in der Fabrik antritt, steht für beinharten Rap der alten Schule. Ultra düster, abtrünnig, hart. Untermalt von den grandios roughen und sample-lästigen Beats seines DJ und Produzenten Funkvater Frank reifte Keemo zum heissesten Eisen im Untergrund und dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eines der besten Konzerte des Wochenendes spielen.

Mero ist das Idol für alle Rapkids unter 16 

Der nächste Tipp und Schritt ist eigentlich hinfällig. Denn nach dem Konzert von OG Keemo werdet ihr um 18:05 Uhr auf der Soul City Stage sowieso keinen Platz mehr finden. Denn Mero hat momentan den grössten Hype der gesamten Deutschrap-Szene, achwas, den wohl grössten Hype, den die deutsche Musikszene je gesehen hat. Die Gerüchte um Klickkäufe halten sich jedenfalls hartnäckig wie Zecken, doch ändern nichts daran, dass Mero für alle Rapkids unter 16 das ultimative Idol darstellt. Entsprechend spannend wird es zu sehen sein, wie der Newcomer die Livesituation im Griff hat.

Der dritte Headliner-Posten gehört ab 23:25 Uhr Casper und Marteria. Die lieferten ein sehr souveränes Album als Duo ab, das in Sachen Klicks und Verkäufen ein wenig hinter den Erwartungen zurück blieb. Doch die eigentliche Heimat der beiden Rapper ist ohnehin die Bühne, die wohl kein anderer Rapper im Landnur annähernd so im Griff hat, wie die beiden Sympathieträger, die dieses Jahr auch Rock Am Ring als finaler Act abschlossen. Grösser geht’s nicht, Pflichtprogramm.

Wer dann noch nicht genug hat, der sollte Samstagnacht unbedingt mit dem Konzert von Trettmann (0.50 Uhr) ausklingen lassen. Dass ebendieser jemals ein Festival der Kategorie Openair Frauenfeld abschliessen würde, war vor zwei, drei Jahren noch ungefähr so realistisch wie der Einzug des FC Frauenfeld in die Fussball Championsleague. Doch eine grandiose Saison mit dem Album „DIY“, das jetzt schon als Alltime-Classic gilt, katapultierte Trettmann in die allerhöchsten Gefilde. Und das ist gut so!

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