Die Disco der Töfflibuben

Die Aeronauten spielten am Freitag ihr neuestes Album «Heinz» im Eisenwerk: Eine Funk-lastige Hymne an den Aussenseiter von früher, der noch heute in derselben Rockdisco Tischfussball spielt.
Die Aeronauten sind aus dem Schweizer Musikzirkus nur sehr schwer wegzudenken: Im vergangenen Oktober veröffentlichte die Schaffhauser Band mit «Heinz» ihr elftes Album, ihre Mitglieder mischen in unzähligen Projekten mit und einige ihrer Songs sind zu kleinen Subkultur-Hymnen geworden. Und auch nach 25 Jahren spielen sie noch gerne über zweistündige Konzerte.
Bassist Marc Zimmermann spielt seit 2014 bei den Aeronauten. Sein Vorgänger Hipp Mathis hat den Dokfilm über die Band gedreht. (Bilder: Beni Blaser)
Discoplatte mit Iggy Pop-Melodie
Die Aeronauten haben ihr jüngstes Baby «Heinz» in Interviews und Pressetexten gerne als «Discoplatte» beschrieben. Damit ist aber nicht der kitschige Synthesizer oder die Offbeat-Gitarre von «Jeder ist eine Insel» gemeint. Die Disco der Aeronauten spielt zu den Zeiten, als man zu Iggy Pops «The Passenger» die Haare schüttelte. Und die Zeiten spielt sie gut. Mit etwas mehr Funk als früher und den starken Soul-Bläsern, die man bereits von der Band bereits kennt.
Rhythm'n'Blues mit viel Druck: Bassist Marc Zimmermann und Gitarrist Samuel Hartmann schütteln die Hüften.
Im Eisenwerk beginnen die Aeronauten das Konzert mit «Schaffhausen Calling». Klar: The Clashs «London Calling» steckt da drin. Im Namen von Schaffhausen ruft Aeronauten-Sänger Oliver «Guz» Maurmann in seinem typisch-gleichmütigen Ton die «freaks of the world» zur Stadt am Rheinfall. Diejenigen, die zu The Clashs Zeiten die Utopie gesucht haben und heute noch dieselbe Utopie suchen. Diejenigen, die vor zwanzig Jahren mit Iggy Pops «The Passenger» im Ohr Tischfussball gespielt haben – und heute in derselben Bar dasselbe tun.
Töfflibuben auf Tour
Einer davon ist eben dieser «Heinz»: Der langhaarige Typ auf dem Cover des neusten Aeronauten-Album ist der Held des Titelsongs. Wahrscheinlich stehe er gerade im TabTap in Schaffhausen und gewinne beim Tischfussball, erzählt Guz am Freitag Abend im Eisenwerk. Der Song beginnt mit AC/DC-Gitarre, 80er-Cowbell und Querflöte im Jethro Tull-Stil – rundum ein gelunger Griff in den Plattenkoffer des DJs, der die Jugendpartys von Heinz beschallt hat. Und dann der Refrain: «Mach's gut Heinz / Wir verstehen kein Wort / Doch wir wären gern wie du». Da fühlt vielleicht die eine oder der andere im Saal mit.
Aeronauten-Sänger Guz spielt eine Gitarre aus der Hand des Frauenfelder Gitarrenbastlers José Scarabello.
Gehen wir davon aus, dass die Aeronauten damals mit Heinz Tischfussball spielten, als «The Passenger» in der Bar lief. Während Heinz auch an diesen Abend kickert, spielen die Aeronauten mit «Ottos kleine Hardcore Band» eine eigene Version des Klassikers von Iggy Pop. Und erzählen im Song, was sie all die Jahre lang gemacht haben, die Heinz gekickert hat: Songs geschrieben und an Hundsverlocheten gespielt. Ein Vierteljahrhundert lang. «Wenn ihr selbst in einer steinalten Band spielt, werdet ihr das kennen», sagt Guz. «Und wenn nicht, werded ihr den Song nie verstehen.»
Das Video zur ersten Single von «Heinz»: «Ottos kleine Hardcore Band». Iggy Pops «The Passenger» als Beifahrer im Bandauto.
Dok zum 25-Jährigen
Zum Bandgeburtstag hat Ur-Aeronaut Hipp Mathis die ersten 25 Jahre Bandgeschichte filmerisch aufgearbeitet. Den Dok-Film gibt's demnächst im Kino Roxy in Romanshorn (28. Jan.) und im Kinok in St. Gallen (30. Jan.) zu sehen. Weitere Infos und Termine auf aeronauten.ch.
Die Aeronauten sind neben Sänger Guz der Bassist Marc Zimmermann, Gitarrist Samuel Hartmann, Drummer Daniel d'Aujourd'hui und die Bläser Roman Bergamin und Roger Greipl, die auch mal in die Keyboardtasten hauen. Nicht die ganze Band ist von Beginn an mit dabei, aber es klingt so: Natürlich, das sind alles Profis, mit vielen Jahren Bühnenerfahrung bepackt.
Doch wenn in einer der zahlreichen Zugaben scheinbar spontan aus einem kleinen Gitarrenriff ein Blues-Song entsteht, beeindruckt das. Entweder weil die Band das gleiche so oft gespielt hat und es trotzdem noch spontan wirkt. Oder es ist spontan entstanden und die Band spielt das so abgebrüht, dass es eingeübt wirkt. Stark ist beides.
Die Blaskappelle: Roger Greipl und Roman Bergamin.
Zweierlei Heimspiel
Im Eisenwerk haben The Barkin' Birds für die Aeronauten eröffnet. Das Frauenfelder Trio spielt mit Mandoline, Gitarre und Bass ziemlich gemütliche Versionen von Klassikern und auch einige eigene Songs. Darunter das weihnachtliche «The Light is always on» – der Band nach ein Song über die Frauenfelder Weihnachtsbeleuchtung. Über die alte, nicht die neue, versteht sich. Die Covers reichen von jüngeren Bluesrock-Songs (Black Rebel Motorcycle Clubs «Fault Line») bis zu altbekannten Hits (Queens «Bohemian Rhapsody»). Das passt perfekt zur Disco-Platte der Aeronauten. Dem Publikum gefällts – für die Barkin' Birds ist der Abend schliesslich auch ein Heimspiel.
Geschafft: Guz nach dem Konzert.
Und auch die Aeronauten sind der Gegend nicht ganz fremd. Guz erzählt, dass sie gleich hier um die Ecke geprobt haben, bis sie ein Architekturbüro verdrängt habe. Deshalb passen die neuen Aeronauten Songs wunderbar ins Eisenwerk: Früher haben die jungen Aeronauten hier ihre Instrumente gepackt und sind zu Gigs in den Rockdiscos der Ostschweiz gefahren. Vielleicht sogar mit einem Töffli, ganz so wie «Ottos kleine Hardcore Band».
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