von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 29.11.2023
Wie das Saurermuseum die Zukunft plant
Seit April dieses Jahres ist Christoph Wolleb der neue Chef im Arboner Industriemuseum. Sein Ziel: Das Haus soll bekannter und lebendiger werden. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)
Christoph Wolleb hat in seinem Leben schon viel gesehen. Er hat als Maschinenmechaniker angefangen und kann heute mehr als 25 Jahre Führungs-, Industrie- und Beratungserfahrung in verschiedenen Branchen vorweisen. Er hat in Irland, den USA und China für mehrere Jahre gearbeitet. Er könnte im Grunde alles oder nichts machen jetzt. Und doch sagt er, wenn man mit ihm durch das Saurermuseum in Arbon läuft, „das hier ist für mich eine Herzensangelegenheit.“ Und damit beginnt eine Liebesgeschichte, wie sie sich vielleicht viele regionale Museen wünschen, aber nie erleben.
Sie geht ungefähr so: Erfolgreicher Industriemanager kehrt zu seinem Karriereende zurück zu seinen Wurzeln, lernt nochmal etwas ganz Neues und bringt das Museum auf eine neue Stufe. Seit April ist Christoph Wolleb Präsident des Oldtimer Clubs Saurer (OCS) und damit auch Leiter des vom OCS betriebenen Saurermuseums am Arboner Bodenseeufer. Weil Wolleb auch weiss, wie Transformation geht, ist er vielleicht jetzt genau der richtige Mann in seiner neuen Position. Weil er dem Museum nochmal neue Impulse verleihen kann.
Schon jetzt ist das Saurermuseum beliebt
Nicht, weil es dem Saurermuseum schlecht ginge. Eher im Gegenteil. 2022 kamen rund 11.400 Besucher:innen in das Museum mit Werkstattcharakter, das Haus landet regelmässig unter den zehn meist besuchten Museen des Kantons. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Ruedi Baer, Wollebs Vorgänger, in den vergangenen 23 Jahren einen ziemlich guten Job gemacht hat.
Und trotzdem ist auch er froh, dass jetzt ein Neuer da ist: „Für mich ist es ein Segen, dass wir einen solch tollen Nachfolger gefunden haben“, sagt er im Gespräch mit thurgaukultur. Er bliebe zwar Vizepräsident des Vereins, könne sich jetzt aber aus dem Leitungsbusiness zurückziehen und sei nur noch für die angenehmen Sachen im Museum zuständig, Führungen mit Besuchergruppen zum Beispiel, sagt Baer (77) und lacht.
Er weiss aber auch, dass er in den vergangenen 23 Jahren nicht alle Dinge gleich gut gemacht hat: „Ich habe oft zu wenig klare Vorgaben gemacht, was im Museum, wie gezeigt werden kann und soll. Das macht Christoph gemeinsam mit unserer Kuratorin Eliane Huber nun sehr viel besser“, findet Baer. Dabei sei sehr hilfreich, dass Wolleb einen gewissen Stallgeruch vorweisen kann.
Ein Mann mit Stallgeruch
Als gelernter Maschinenmechaniker erkennen ihn auch alle ehrenamtlichen Kräfte im Museum als einen von ihnen an. Nicht zu unterschätzen in einem Betrieb, der ohne die vielen freiwilligen Helfer:innen nicht funktionieren würde. Dieses Image transportiert Wolleb auch durch sein Auftreten. Er trägt dunkelblaue Jeans zu hellblauem, mit Saurer-Logo besticktem, Hemd. Dazu eher robuste Schuhe. Die Botschaft: Das ist einer, der anpacken kann.
Die Frage, die sich da jetzt stellt, ist ja erstmal: Warum macht das einer, der im Grunde nach vielen intensiven Arbeitsjahren auch einfach seine Rente geniessen könnte? „Saurer war ein Schwergewicht in der Schweizer Industrie, diese Geschichte interessiert mich einfach und ich finde es schön, wenn ich einen Teil dazu beitragen kann, dass diese Geschichte nicht vergessen wird“, sagt Wolleb an einem Dienstagvormittag im Oktober in Arbon.
Was er bei einer Analyse des Kunstmuseum Basel gelernt hat
Der 62-Jährige ist auch nicht vollkommen unerfahren in sein neues Amt gekommen. Bei der Beratungsgesellschaft KPMG war er an einer Betriebsanalyse des Kunstmuseum Basel beteiligt. Diese zeigte 2018 laut Basler Zeitung (BZ): Das Museum war personell unterdotiert und musste organisatorisch neu aufgestellt werden. Zudem habe es massive Mängel im Sicherheitsbereich gegeben.
Einen ersten Einblick in die Tiefen der Museumswelt hat Christoph Wolleb also bereits bekommen. Auch wenn das Baseler Kunstmuseum mit seinem Millionenetat nicht mit den bescheidenen Mitteln des Saurermuseums vergleichbar ist - für das Nachdenken über geeignete Strukturen könnten die Erfahrungen noch hilfreich sein.
Was hat Wolleb nun vor mit dem Industriemuseum am Bodenseeufer? „Ein Ziel ist es, potenzielle neue Geldgeber für die hinter dem Verein stehende Stiftung zu finden. Da möchte ich mein Netzwerk einbringen“, sagt der 62-Jährige. Ausserdem solle das Museum bekannter und lebendiger werden. Wie das gehen soll? „Ich möchte die Neugestaltung von Museum und Depot (hier lagern weitere Objekte aus dem Museumsbestand und das ist auch besichtigbar, d. Red.) vorantreiben. Es soll mehr Veranstaltungen in unserem Räumen geben, wir wollen Erlebnisse schaffen“, sagt Christoph Wolleb.
Mehr Wechsel sollen mehr Lebendigkeit bringen
Erste Schritte dahin sind bereits gegangen: Es gibt einen neuen Besucherraum im Museum, die Motoren-Ausstellung soll neu beleuchtet werden. Bis zur Hauptversammlung im Mai 2024 soll das abgeschlossen sein. Parallel startet bereits ein Grossprojekt - die Überarbeitung der Dauerausstellung. „Das Museum darf nicht zu statisch werden, es braucht neue, lebendigere Inszenierungen mit häufigeren Objektwechseln. Das würde es auch für Besucher attraktiver machen, häufiger und immer mal zu uns zu kommen“, findet der Museumschef. Auch im Aussenauftritt soll das Museum attraktiver und stärker präsent werden - auch jenseits des Thurgau. Wolleb sieht in der ganzen Schweiz hier noch Besucherpotenzial.
Erst recht, wenn irgendwann Ende dieses Jahrzehnts tatsächlich das neue Historische Museum des Kantons in Arbon eröffnet. „Wir sind daran sehr interessiert und sehen da durchaus Synergiemöglichkeiten. Wir wollen uns aktiv einbringen“, sagt Christoph Wolleb. Er sagt aber auch: „Die Agenda dafür setzt der Kanton.“
Mehr Platz und mehr Veranstaltungen
Die weitere Digitalisierung des Saurermuseums hingegen können sie selbst regeln. Bislang ist schon einiges Wissen über die Funktionsweisen der verschiedenen Fahrzeuge und Maschinen digitalisiert und so für die Zukunft gesichert, aber am Ende soll das komplette, verfügbare Wissen zu den Ausstellungs- und Sammlungsstücken jederzeit abrufbar sein.
Und dann ist da noch die ganz grosse Vision: „Mein Traum wäre, ein Depot, das ein Drittel grösser ist als jetzt. So dass wir etwas mehr Fläche für die Objekte bekommen, gleichzeitig aber auch Platz für einen Eventteil, in dem wir Veranstaltungen machen können, oder Dritten anbieten können bei uns Veranstaltungen zu machen ohne, dass wir jedes Mal aufwändig umbauen müssen“, beschreibt Christoph Wolleb sein Fernziel. Klingt nicht so, als ginge ihm alsbald die Arbeit aus.
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