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Thurgau lehnt «Zürcher Modell» ab

Thurgau lehnt «Zürcher Modell» ab
Stop: Der Thurgau will dem Beispiel des Zürcher Modells eines befristeten Grundeinkommens für Kulturschaffende in der Corona-Krise nicht folgen. | © Canva

Der Kanton Zürich wollte Kulturschaffende in der Corona-Krise mit einem befristeten Grundeinkommen helfen. Nach dem Veto des Bundesrats steht das Modell auf der Kippe. Im Thurgau sieht man die Idee ohnehin kritisch. Und setzt stattdessen auf Vereinfachungen der bestehenden Fördermöglichkeiten. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)

Die Kulturlobby „IG Kultur Ost“ geriet in einer Medienmitteilung geradezu ins Schwärmen: Das „Zürcher Modell“ eines Grundeinkommens für Kulturschaffende in der Corona-Krise sei, „ein unbürokratisches Mittel im Kampf gegen die Prekarisierung“ und zeige „wie eine soziale Absicherung in Zukunft aussehen könnte“.

Der ursprüngliche Plan war: 3840 Franken sollten nach diesem Modell KünstlerInnen rückwirkend für Dezember 2020 und vorerst bis April 2021 beantragen können.

Nachdem der Bund die Gelder für dieses Modell aber inzwischen verweigert hat, ist offen, was wirklich daraus wird. Trotzdem findet die IG Kultur Ost sollten die Ostschweizer Kantone dem Zürcher Vorbild folgen, wie sie in ihrer Mitteilung fordert. Daraus wird aber wohl eher nichts.

Bund sieht in dem Modell einen Verstoss gegen das Covid-19-Gesetz

Denn zumindest im Thurgau, genauer gesagt im kantonalen Kulturamt, treffen diese Vorschläge auf wenig Gegenliebe: Amtschefin Martha Monstein verweist auf das Veto vom Bundesrat wonach die Ausrichtung einer Pauschalentschädigung an Kulturschaffende, wie sie der Kanton Zürich vorsieht, nicht mit Artikel 11 Covid-19-Gesetz und der Covid-19-Kulturverordnung vereinbar sei.

Daraus folgt: „Es können somit dafür keine Bundesgelder eingesetzt werden. Kantone, die das «Zürcher Modell» übernehmen wollen, müssen die entsprechend an Kulturschaffende ausbezahlten Mittel ausschliesslich aus Kantonsmitteln finanzieren und dieses Vorgehen auf eine eigene gesetzliche Grundlage stellen“, schreibt Kulturamtsleiterin Martha Monstein auf Nachfrage.

„Das Zürcher Modell tönt auf den ersten Blick nach Vereinfachung, bei genauerer Betrachtung wird es dadurch für die Kulturschaffenden teilweise sogar aufwändiger.“

Martha Monstein, Thurgauer Kulturamtsleiterin (Bild: Archiv)

Das Problem des Modells ist: Anders als vom Bund vorgesehen sollten die Gelder schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden, ohne dass die Künstler ihre Einnahmeausfälle belegen müssen. Vorgesehen waren nur stichprobenartige Kontrollen. Dies war dem Bund zu wenig.

Das Gesetz erlaube Zahlungen nur, wenn die Künstler einen «effektiv erlittenen und nachgewiesenen finanziellen Schaden» geltend machen könnten, führte das Bundesamt für Kultur (BAK) auf Anfrage der NZZ am Sonntag aus. „Eine Pauschale, die auf fiktiven Einkommen und vermuteten Schäden basiert, wird daher nicht unterstützt“, heisst es in dem Text weiter. Ob der Kanton Zürich seine Idee weiter verfolgt, ist noch offen. Es liefen Gespräche zwischen Kanton und Bundesamt, schrieb die NZZ am Dienstag.

Die Tücken des Zürcher Modells

Klar ist aber schon: Den Zürcher Weg will der Thurgau nicht gehen. Wohl auch, weil man im Kulturamt nicht komplett von der Zürcher Lösung überzeugt ist. „Auch wenn das „Zürcher Modell“ auf den ersten Blick nach Vereinfachung tönt, bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass es für die Kulturschaffenden teilweise sogar aufwändiger wird, da sie noch mehr Informationen liefern müssen und ihnen doch Beiträge aus Erwerbsausfall-Entschädigung, Nothilfe von Suisseculture und verbliebene Einkünfte abgezogen werden. Zudem haben Kulturschaffende, die mehr als 4800 Franken pro Monat verdienen, das Nachsehen“, erklärt Martha Monstein.

Stattdessen will das Thurgauer Kulturamt auf Vereinfachung der bisherigen Fördermöglichkeiten setzen. So soll es ein vereinfachtes Verfahren für die Kulturschaffenden geben, die weniger als 60 Franken Taggeld Erwerbsausfall erhalten. Hier sollen die Kantone künftig direkt und ohne Berücksichtigung weiterer staatlicher Covid-Ersatzleistungen eine Ausfallentschädigung ausrichten können.

Das Geld soll schneller bei den Kulturschaffenden ankommen

Ein Vorteil für alle Beteiligten, findet Kulturamtschefin Monstein: „Die Kulturschaffenden müssen in Zukunft nicht mehr auch noch bei der AHV/SVZ oder bei Suisseculture sociale eingeben, sondern es genügt, wenn sie nur noch bei uns eingeben. Dies bedeutet für alle Beteiligten sehr viel weniger Bürokratie und wir können jeweils viel schneller Entscheide treffen und müssen nicht warten auf die Entscheide der AHV/SVZ, die zum Teil sehr lange dauern.“ So soll das Geld künftig schneller bei den Kulturschaffenden ankommen.

Nach einigen Anlaufschwierigekiten steht seit dem 8. Februar nun auch ein neues Online-Tool zur Verfügung über das künftig alle Gesuche direkt ans Kulturamt eingereicht werden können. Alle Infos dazu finden sich auf der Website des Kulturamts Thurgau.

 

Alle Anträge auf einen Blick

Wie man wo Gelder beantragen kann, dazu gibt es eine Übersicht auf der Website des kantonalen Kulturamts.

Transparenz-Hinweis: Kulturamtsleiterin Martha Monstein ist auch Verwaltungsrätin bei der gemeinnützigen Thurgau Kultur AG, die thurgaukultur.ch betreibt. Alle Details zur Struktur und Finanzierung von thurgaukultur.ch findet ihr hier.

 

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