von Inka Grabowsky, 18.08.2021
Phönix bekommt Nachwuchs
Jugendliche zwischen 12 und 18 können ab September in Steckborn bei einem Tanzprojekt mitmachen. Die Leiterinnen der Zürcher Compagnie „Kids in Dance“ kommen dafür bis Januar einmal pro Woche an den Untersee. Das Angebot richtet sich an Mädchen und Jungs gleichermassen – mit oder ohne Tanzerfahrung. Die Teilnahme ist kostenlos.
Vierzig Jahre gibt es das Phönix Theater in Steckborn nun schon. Und passend zum hohen Alter hat sich die Institution eine Verjüngungskur verschrieben. Schon lange gibt es den Theaterkurs „Phönix Kids“ für Kinder von neun bis zwölf Jahren. Aktuell bietet er durch Schulwechsel der bisherigen Akteurinnen und Akteure Platz für eine neue Generation. Leiterin Petra Cambrosio plant ein Theaterprojekt unter dem Motto „Wenn ich einmal 40 bin“. Im Januar soll es aufgeführt werden.
Zusätzlich aber wendet sich neu die Zürcher Gruppe „Kids in Dance“ an Jugendliche von 12 bis 18 Jahren. Ab dem 14. September können sie sich mit unterschiedlichsten Bewegungsformen auseinandersetzen. Auch sie werden Mitte Januar der Öffentlichkeit zeigen, was sie gelernt haben. Die Teilnahme ist kostenlos, denn das Projekt wird unter anderem von der Drosos Stiftung, der Eidgenössischen Migrationskommission, dem Kulturamt Thurgau und Migros Kulturprozent gefördert.
Aus der Stadt aufs Land
„Kids in Dance“ hat eine „Constant Group“ in Zürich und arbeitet jeweils an verschiedenen Orten mit einer lokalen Kulturinstitution zusammen. Rapperswil-Jona und Baden waren schon dran. Nun ist die Wahl auf Steckborn gefallen. Tanzpädagogin Sabine Schindler und Sozialpädagogin Bettina Aremu sind vor gut einem Jahr auf Philippe Wacker zugekommen, weil sie ihre Idee aus Zürich ins Land tragen wollen.
Das Phönix sei ein inspirierendes Theater, das Tanzschülerinnen und -schülern ein professionelles Setting biete. „Es ist uns wichtig, dass sie Theateratmosphäre erleben und dort lernen, sich auf der Bühne zu präsentieren. Das kann einen Schub für das Selbstbewusstsein geben. Ausserdem hat Philippe Wacker ja schon lange ein grosses Interesse an Tanz. Unser Bauchgefühl sagte spontan: Das passt.“
Wacker selbst sieht das auch so: „Wir haben immer versucht, junge Leute ins Theater zu bekommen und für den Tanz zu begeistern.“ Leicht war das nicht immer. Die Zusammenarbeit mit Schulen – zum Beispiel im Rahmen des Festivals Tanz:Now – machte es von 2005 bis 2020 möglich. „Das Paket aus Workshop und Schulverstellung hatte sich bewährt.“
Nun freut er sich, dass beim „Kids in Dance“-Projekt von der Finanzierung bis hin zum Konzept schon alles fixfertig ist. „Wir müssen nur noch die Werbetrommel rühren“, sagt er und lacht.
Ein schönes Portrait von „Kids in Dance“ im Video ansehen:
Tanz als Nische
Die Anfrage aus Zürich belegt einmal mehr, wie weise es war, im Phönix Theater auf die Sparte Tanz als Nische und Markenzeichen zu setzen. „Wir haben das damals klar evaluiert“, so der Gründungspräsident Wacker. „Weinfelden hat das Bilitz, Frauenfeld das Gleis 5 und Kreuzlingen die Kleinkunst mit KIK und Theater an der Grenze. Es war nur logisch, dass wir uns auf Tanz konzentrieren. Aber klar: Es ist auch mein Faible.“
Der 67-jährige Theaterbüroleiter im Teilzeitpensum will noch einige Jahre weiter für die Schönen Künste aktiv sein. „Irgendwann wird mein Engagement für das Phönix zu Ende gehen müssen. Aber ich bin sicher, dass sich ein guter Nachfolger oder eine gute Nachfolgerin finden wird.“
Ticks als Thema
Sabine Schindler ist gespannt, wie ihr Vorhaben in Steckborn laufen wird. „Es ist jedes Mal überraschend, weil man nie weiss, wer kommt, und was er oder sie mitbringt. Unsere Stücke werden mit den Jugendlichen gemeinsam inszeniert. Ich gebe nur einen Rahmen vor.“ Mal sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer frei, mal enger geführt.
„Es ist uns wichtig, dass sie Theateratmosphäre erleben und dort lernen, sich auf der Bühne zu präsentieren. Das kann einen Schub für das Selbstbewusstsein geben.“
Tanzpädagogin Sabine Schindler und Sozialpädagogin Bettina Aremu
Thema der Steckborner Aufführung sollen Ticks sein, die kleinen Angewohnheiten, die die meisten Menschen haben. „Der eine sammelt etwas, der andere greift sich immer an die Nase. Einige Ticks sind harmlos, andere nerven – damit wollen wir spielen. Es kann repetitive Bewegungen geben, Solotänze oder Gruppenauftritte.“
Niemand muss aber befürchten, mit seinem eigenen Tick blossgestellt zu werden. Zum einen, weil die Gewohnheiten natürlich erfunden werden – es ist nicht Voraussetzung selbst einen Spleen zu haben, um teilzunehmen – zum anderen, weil Schindler und Aremu auf eine liebevolle Atmosphäre Wert legen. „Wir stehen für die Gleichwertigkeit aller Menschen und hoffen, ein Kaleidoskop verschiedenster Menschen darstellen zu können.“
Nur Freude an Bewegung ist mitzubringen
Ihre Zielgruppe sind junge Menschen mit und ohne Tanzerfahrung. Erfahrungsgemäss kämen mehr Mädchen als Jungen, meint Schinder, allerdings müsste kein männlicher Teilnehmer fürchten, in ein klassisches Ballett zu geraten. „Wir werden eher zeitgenössische Bewegungen zeigen.“ Mal sei nur ein junger Mann dabei, mal mehrere. „Alles ist in Ordnung. Es spielt keine Rolle.“ Tanztechnisch gibt einen Mix aus vielen Stilen: „Ich bringe alles mit, aber drücke niemandem etwas auf. Wir machen tanzpädagogische Spiele, auch um eine gemeinsame Bewegungssprache zu finden.“
Im Phönix-Theater üben die Jugendlichen direkt auf der Bühne. Es gibt anders als in Ausbildungssälen kleine Spiegel. Das will die Tanzlehrerin ausnutzen. „Anfangs spiegeln die Teilnehmer mich, dann spiegele ich, was sie machen.“ Die Tänzer kommunizieren über ihre Reaktion aufeinander.
Anders als Ballett
Die Zusammenarbeit von Tanz- und Sozialpädagogin mit einer Kulturinstitution soll es ermöglichen, die Jugendlichen zu erreichen, „sie in ihren vielfältigen Bedürfnissen abzuholen, zu fördern und ihre Anliegen in öffentlichen Aufführungen sichtbar zu machen“, wie es auf der Website von „Kids in Dance“ heisst.
Sabine Schindler präzisiert: „Bettina Aremu hat auch eine wichtige Rolle im Vorfeld eines jeden Projekts. Sie hält den Kontakt zu den Schulen und zur Jugendarbeit in Steckborn, damit jede und jeder weiss, dass es das Angebot gibt. Und während der Probenphase unterstützt sie Mädchen und Jungs, wenn sie etwa Lampenfieber haben oder gelegentlich die Termine zu vergessen drohen.“
„Es ist jedes Mal überraschend, weil man nie weiss, wer kommt, und was er oder sie mitbringt. Unsere Stücke werden mit den Jugendlichen gemeinsam inszeniert. Ich gebe nur einen Rahmen vor.“
Sabine Schindler
Anders als die Tanzschule vor Ort sei ihr Angebot gratis und zeitlich begrenzt. Schon deshalb versteht sich „Kids in Dance“ nicht als Konkurrenz zu etablierten Schulen. „Wir kommen nicht, um zu bleiben, sondern um ein Ausprobieren zu ermöglichen. Wem es gefällt sich tänzerisch auszudrücken, der kann sich dann an der örtlichen Schule anmelden.“
Philippe Wacker meint: „Ich habe das mit der Musik- und Tanzschule angesprochen. Sollte es im nächsten Jahr weiterlaufen, ist engere Zusammenarbeit denkbar. Erstmal wollen wir es ausprobieren.“ Das Projekt ergänze das lokale Angebot und habe nichts mit einer klassischen Ballettausbildung zu tun. „Deshalb wäre es ja auch für coole Jungs geeignet, denn Tanz ist eigentlich Spitzensport.“
Theater- und Tanzkurse im Phönix Theater
Anmelden für den Theaterkurs bei Petra Cambrosio so schnell wie möglich: momente@petracambrosio.ch.
Treffen sind jeweils Mittwochnachmittag ab dem 26.8. Kosten: 220 Franken
Weitere Informationen: www.petracambrosio.ch
Anmeldung für den Gratis-Tanzkurs von „Kids in Dance“ beim Verein Kids in Dance: info@kidsindance.ch.
Die Trainings finden jeweils dienstags von 17.15 – 18.45 statt, einmal im Monat auch an einem Samstag. Beginn am 14. September. Aufführungen am 14. und 15. Januar.
Weitere Informationen: https://kidsindance.ch/mitmachen
Von Inka Grabowsky
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