Seite vorlesen

Gemeinsam gegen den Corona-Frust

Gemeinsam gegen den Corona-Frust
Schlager meets Synthiepop: Der Schweizer Dagobert spielt auch im Kultursommer Konstanz. | © zVg

Die Pandemie macht’s möglich: Erstmals veranstalten fünf Konstanzer Kulturinstitutionen ein gemeinsames Festival. Im Programm: Open-Air-Kino, Konzerte, Theater, Poetry Slam und vieles mehr. Der Kultursommer könnte das werden, was der Stadt so lange gefehlt hat.

In Konstanz war das in der Kulturszene lange so: Es gibt viele verschiedene Akteure, das Angebot wächst seit Jahren, aber gemeinsam etwas auf die Beine stellen? Das galt immer als schwierig. Die meisten Institutionen schauten vor allem darauf, dass sie selbst irgendwie über die Runden kamen. Das könnte sich jetzt ändern: Am 16. Juli startet ein Festival in Konstanz, das es so dort noch nie gegeben hat und der Stadt doch so sehr gefehlt hat - der Kultursommer Konstanz.

Mehr als sechseinhalb Wochen lang gibt es dann fast täglich ein wechselndes Programm aus Open-Air-Kino, Konzerten, Theater, Poetry Slam und manchem mehr. Fünf Konstanzer Kulturinstitutionen haben sich hierfür zusammengeschlossen: Das Zebra-Kino, der Kulturladen, das K9, die Südwestdeutsche Philharmonie und das Neuwerk samt seinem Club, der Kantine. „Dieses Projekt hätte es schon viel früher geben müssen, aber erst jetzt in der Krise haben sich plötzlich viele Türen wie von selbst geöffnet“, sagt Benjamin Kreibich, Programmchef des Kulturladen und einer der InitiatorInnen des Kultursommers, im Gespräch mit thurgaukultur.ch

Video: Aus der Schweiz dabei: Dagobert

Mit dabei: Dagobert, Pauls Jets und Yugen Blakrok

Der Anstoss dazu kam vom Zebra-Kino: „Wir machen seit vielen Jahren unser Open-Air-Kino im Innenhof des Neuwerk und wir dachten in diesem Sommer wäre es eine schöne Idee, das Ganze ein bisschen grösser anzugehen mit mehreren Partnern“, erklärt Christoph Sinz, Geschäftsführer des alternativen Programmkinos. Auch das K9 und die Südwestdeutsche Philharmonie waren schnell im Boot als sie von der Idee hörten: „Bei uns ist im Frühjahr viel ausgefallen. Deshalb haben wir ohne Zögern zugesagt. Das ist einfach eine super Idee“, findet Marie-Therese Gey, Programmchefin des Kulturzentrums K9.

Video: Der neue Austro-Pop-Hype: Pauls Jets

Gemeinsam haben sie dann binnen weniger Wochen und oft auch in ehrenamtlicher Arbeit ein bemerkenswert vielfältiges Programm auf die Beine gestellt. Mit dabei ist zum Beispiel Dagobert (15. August): Der aus dem Aargau stammende Liedermacher, der so verblüffend stimmig Schlager und Synthieklänge versöhnt. Die gehypte Austro-Pop-Band Pauls Jets ist ebenso am Start (7. August) wie die Indie-Popper von Please Madame (8. August), die südafrikanische Hip-Hop-Wucht Yugen Blakrok (22. August) und der unverwüstliche Entertainer und Liedermacher Bernd Begemann (23. Juli).

Video: Die Hip-Hop-Wucht Yugen Blakrok

Kinderkonzerte jenseits der schlimmen Volker-Rosin-Liga

Dazu gesellen sich aber auch Konzerte von Kammerensembles der Südwestdeutschen Philharmonie, Improtheater, Arthouse-Kino, Kabarett, Poetry Slams, eine deutschsprachige Erstaufführung des Monologs „Ein Leben im Takt“ und ein Programm für Kinder. „Die hatten es in den vergangenen Monaten auch nicht leicht, wir wollen auch ihren Sommer ein bisschen schöner machen“, sagt Benjamin Kreilich vom Kula.

Und das nicht irgendwie, sondern mit Kinderkonzerten jenseits der schlimmen Volker-Rosin-Liga. Das Duo Eule & Lerche (16. August) war schon auf zwei Alben des Samplers „Unter meinem Bett“ dabei, jetzt kommen sie mit einem kompletten eigenen Kinderlieberalbum. Ebenso im Kinderprogramm: Der Flohzirkus Orquestra (19. Juli) und zwei Kinderkonzerte der Südwestdeutschen Philharmonie (18. & 25. Juli).

Video: Kindermusik geht auch nicht nervig

All das findet natürlich unter den gegebenen Corona-Bedingungen statt: Maximal 100 bis 130 ZuschauerInnen werden eingelassen, alle Veranstaltungen sind bestuhlt, der Mindestabstand von 1,5 Metern ist zu wahren, Kontaktdaten der BesucherInnen werden für eine eventuelle Nachverfolgung gesammelt. „Wir hoffen da auch auf die Kooperationsbereitschaft der Gäste. Aber es ist ja ganz einfach: Wenn sich alle an die Regeln halten, können wir alle ein entspanntes Festoval geniessen“, sagt Marie Therese Gey vom K9.

Wenn es gut läuft, könnte das Festival auf Jahre bleiben

Der Veranstaltungsort, das Neuwerk, liegt fern der üblichen touristischen Routen in Konstanz und ist schon alleine deshalb eine gute Wahl. Der Genossenschaftshof, ein Mix aus Handwerksbetrieben, kreativen Agenturen, Kunsthalle und Club hat einen urbanen Chic wie man ihn nicht oft in Konstanz findet. Haltung und Ausrichtung von Veranstaltungsort und Festivalprogramm fügen sich hier ziemlich trefflich ineinander.

Ohnehin ist die gesamte Festivalidee eigentlich zu schade, um sie nur einmal zu realisieren. Frage des Reporters: Ob es eine Chance gibt, dass der Kultursommer jetzt jeden Sommer stattfindet? Alle Beteiligten nicken. „Es wäre doch schön, wenn aus der Corona-Misere heraus, dieses Projekt entsteht und auch über diesen Sommer hinaus leben würde“, sagt Benjamin Kreibich.

Der Veranstaltungsort: Das Neuwerk Konstanz

 

Das Programm

Der Kultursommer Konstanz beginnt am Donnerstag, 16. Juli, mit dem Film „Jojo Rabbit“. Das Festival endet am Samstag, 29. August mit einem grossen Finale. Dazwischen gibt es ein umfangreiches Programm aus Arthouse-Kino, Konzerten, Theater und Poetry Slam. Das komplette Programm gibt es auf der Internetseite des Festivals. Hier finden sich auch alle Informationen zum Ticketvorverkauf.

Wer zahlt's? Die Finanzierung des Festivals

Alle Beteiligten des Konstanzer Kultursommers gehen erstmal in Vorleistung. Sie investieren Arbeitskraft und Engagement vielfach ehrenamtlich. „Weil wir alle dieses Projekt wollen“, wie Benjamin Kreibich vom Kulturladen sagt. Das Kulturamt der Stadt Konstanz unterstützt das Projekt finanziell mit 15’000 Euro, weil es Zuschüsse für coronabedingt abgesagte Veranstaltungen von Kulturladen und Zebrakino umwandelte. Dieses Geld allein wird aber nicht reichen. Deshalb haben die OrganisatorInnen noch einen Förderantrag beim Land Baden-Württemberg gestellt. 50’000 Euro sollen von dort aus dem wegen der Pandemie eingerichteten Fördertopf „Kultur Sommer 2020“ kommen und den Löwenanteil der Festivalkosten decken. Eine Zusage darüber steht allerdings noch aus. „Wir konnten nicht auf die Zusage warten, sonst wäre das Festival in diesem Sommer nicht mehr möglich gewesen“, sagt Marie Therese Gey vom K9. Und was, wenn das Geld nicht kommt? „Es gibt keinen Plan B“, heisst es.

 

 

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Musik

Kommt vor in diesen Interessen

  • Vorschau
  • Klassik
  • Schauspiel
  • Spielfilm
  • Animation
  • Jazz
  • Theatersport
  • Pop
  • Kabarett
  • Hip-Hop
  • Show
  • Singer/Songwriter
  • Schlager

Ist Teil dieser Dossiers

Werbung

Eine verschleierte Königin

Einblicke ins Leben der Künstlerin Eva Wipf: Hier geht's zu unserer Besprechung der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau.

Fünf Dinge, die den Kulturjournalismus besser machen!

Unser Plädoyer für einen neuen Kulturjournalismus.

„Der Thurgau ist ein hartes Pflaster!“

Wie ist es im Kanton für junge Musiker:innen? Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen!

Unsere neue Serie: «Wie wir arbeiten»

Unsere Autor:innen erklären nach welchen Grundsätzen und Kriterien sie arbeiten!

Was bedeutet es heute Künstler:in zu sein?

In unserer Serie «Mein Leben als Künstler:in» geben dir acht Thurgauer Kulturschaffende vielfältige Einblicke!

«Kultur trifft Politik» N°I

Weg, von der klassischen Podiumsdiskussion, hin zum Austausch und zur Begegnung. Bei der ersten Ausgabe am Mittwoch, 27. November geht es um das Thema "Räume".

15 Jahre Kulturkompass

Jubiläumsstimmen und Informationen rund um unseren Geburtstag.

Kultur für Klein & Gross #22

Unser Newsletter mit den kulturellen Angeboten für Kinder und Familien im Thurgau und den angrenzenden Regionen bis Ende Januar 2025.

#Kultursplitter im November/Dezember

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

"Movie Day": jetzt für 2025 bewerben!

Filme für das 12. Jugendfilm Festival können ab sofort angemeldet werden. Einsendeschluss der Kurzfilme für beide Kategorien ist der 31.01.2025

Ähnliche Beiträge

Musik

«Eine Knochenarbeit, die mich bereichert!»

Wie wir arbeiten (4): Andrin Uetz ist unser Experte für Pop- und Jazzmusik. Hier beschreibt er nach welchen Kriterien er Projekte bewertet und was das mit seiner eigenen Erfahrung zu tun hat. mehr

Musik

Die Musikerklärer

Hört man Musik anders, wenn man weiss, wie sie entstanden ist? Das Orchester Divertimento hat ein spannendes neues Musikvermittlungsprojekt gestartet. mehr

Musik

Schläft ein Lied in allen Dingen

Der Südtiroler Vollblut-Musiker Max Castlunger entwickelt Musikinstrumente aus Zivilisationsrückständen. „Upcycling Music“ ist ein brückenbauendes Projekt zwischen den Generationen. mehr