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von Bettina Schnerr, 27.05.2019

Der mit den Elfen spricht

Der mit den Elfen spricht
„Warum bist du nicht Lehrer geworden, mein Sohn?“ Alfred Dorfer hat nicht auf seine Mutter gehört und leuchtet erfolgreich und satirisch unseren absurden Alltag aus. | © Bettina Schnerr

Eine Kooperation von Frohsinn Kulturund Theater Bilitz brachte im Theaterhaus Thurgau in Weinfelden am vergangenen Donnerstag den österreichischen Satiriker Alfred Dorfer auf die Bühne. Sein Soloprogramm „und...“ nimmt die grossen und kleinen Absurditäten des Alltags auf‘s Korn.

Schafft er es rechtzeitig auf die Bühne? Die Zuschauer sind unsicher. Die Ankündigung des Abendprogramms im Theaterhaus Thurgau weist auf eine Verspätung hin. Alfred Dorfer müsse leider dringend telefonieren. Als die Präsentatoren die Bühne frei geben, taucht Dorfer doch pünktlich auf — immer noch telefonierend. Mittendrin im ersten Aufreger des Abends.

Hat sich nicht jeder schon einmal, fragt Dorfer, über absurde Handydialoge der Art aufgeregt, „Schatz, ich bin im Tunnel. Wo bist du?“ Nervt es nicht, wenn permanent Leute ihr Business und ihre privaten Sorgen immer und überall mit der Welt teilen? So nah will man bei den anderen gar nicht dabei sein und doch beschreibt er einen Tag ohne Handy als Nahtoderfahrung. Vor lauter Gewohnheit merkt man schon nicht mehr, wie sonderbar so eine Fixierung ist. Heute Abend sei es aber sicher anders, das Weinfelder Publikum habe gewiss alle Handys ausgeschaltet. Der Eine oder Andere prüft tatsächlich nochmals heimlich.

„Durch Zuspätkommen machen sich die Unwichtigen wichtig.“ Szene aus dem Soloprogramm „und...“ des Wiener Satirikers Alfred Dorfer. Bild: Bettina Schnerr

Immer im Aufbruch, immer irgendwas tun

Sind jene, die sich durch Telefonieren in der Öffentlichkeit hervortun, so wichtig, für wie sie sich halten? Oder sind es jene, die zum „Lönsch“ gehen? Aber nicht, um Essen zu bekommen, sondern um dabei gesehen zu werden? Alfred Dorfer setzt seine Pointen von Beginn an schnell und geschickt. Die Lacher hat er problemlos auf seiner Seite. Sie zeigen an diesem Abend zudem, dass er mit jedem seiner Themen einen Nerv trifft. Unterhaltsam ist der Abend auf ganzer Strecke. Wer im Alter von 49 noch eine Dissertation über die „Satire in restriktiven Systemen Europas“ (erschienen im Jahr 2011) abliefert, ist aber ganz sicher kein Mann für platte Witze.

Mit einem neuen Engagement in der Tasche muss seine aktuelle Bühnenfigur an einen fiktiven, neuen Spielort umziehen. Der gebürtige Wiener steht zwischen einer alten Leiter, einem Stuhl und einer Handvoll Kartons. Eine Minimalkulisse. Das richtige Setting, um beim Warten auf die Möbelpacker ein paar Dinge Revue passieren zu lassen. Dabei ist ihm nicht einmal klar, was er künftig zu tun hat. „Schreiben Sie was, Dorfer,“ habe es salopp vom Theaterdirektor geheissen. Eine Frage, die man bei so einer Anfrage leider nie stellen dürfe: „Was soll das Thema sein?“

Video: Alfred Dorfer beim Arosa Humorfestival 2018

„Ist das Komedieh oder Perfomanz?“

Diese Leere macht kreativ und Alfred Dorfer springt assoziativ durch seine Gedanken. Wie sieht sich der Künstler selbst? Immerhin deute der Name „Alfred“ auf eine wichtige Funktion: Dorfer erklärt süffisant, er stamme aus dem Nordischen und bedeute in etwa „der mit den Elfen spricht“ oder „der von den Elfen Beratene“. Ein Zeichen?

Alfred Dorfer erinnert sich an einen eigenartigen Kulturjournalisten und dessen seltsame Fragen: „Herr Dörfler! Wie kann ich das dem Leser erklären, was sie so machen?“ Auch seine Mutter zeige sich ratlos, erzählt er. Er verdiene Geld damit, dass ihn alle auslachten. „Warum bist du nicht Lehrer geworden?“ Das Urteil darüber, was er tut, überlässt er dem Publikum mit dem Hinweis: „Wie fragte dieser Kulturjournalist? Ist das ‘Kabarett’, ‘Komedieh’ oder ‘Perfomanz’? — Wann haben wir angefangen, Dinge voneinander zu trennen, die man unterscheiden kann?“

Dorfer spielt szenisch vielfältig und wechselt die Rollen samt Stimmen und Akzenten. Mit Leichtigkeit nimmt er sein Publikum mit in die Themen, die ihm wichtig sind und die er spielerisch aus seiner Perspektive heraus zerlegt. Dorfer konzentriert sich auf unseren kleinen Alltagsnonsens. Den muss er noch nicht einmal suchen, der fällt ihm praktisch täglich vor die Füsse. Politisch ist der Abend selten, wenn, dann in kleineren Seitenhieben. Gegen Schluss des Abends aber hat er doch eine wichtige Botschaft: „Können wir die Links-Rechts-Scheisse einfach hinter uns lassen und benützen wir doch einfach unseren Verstand.“

Neue Kooperationen in Weinfelden

Den Abend gestalteten Frohsinn Kultur und Theater Bilitz gemeinsam. Theaterleiter Roland Lötscher und Dominik Anliker, Vorstand des Kulturvereins Frohsinn kündigten in ihrem Intro an, künftig öfter gemeinsam zu veranstalten. 

Irgendwann klingelt im Publikum übrigens doch noch vernehmbar ein Handy. Dorfer tut das, was er ohnehin für die Erziehung schon empfohlen hat: Saftige Drohungen aussprechen. Hüpft er tatsächlich auf und nieder, wenn das Ding nochmal losgeht?

Video: Alfred Dorfer bei „Giacobbo / Müller“



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