von Claudia Koch, 20.01.2020
Das Vermächtnis der Marie Bachmann
Vor 60 Jahren öffnete das Historische Museum Thurgau im Schloss Frauenfeld seine Türen. Grund genug, die letzte Besitzerin des Schlosses, Marie Elise Bachmann, mit einer erweiterten Ausstellung zu ehren.
Wer war dieses Fräulein Marie Elise Bachmann? Dass sie die letzte private Besitzerin des Schlosses Frauenfeld war und dieses nach ihrem Tod dem Kanton mit der Auflage vermachte, darin ein Museum einzurichten, ist bekannt. Doch über das Leben des Fräuleins – die Anrede war ihr als ledige Frau wichtig – weiss man immer noch wenig.
«Es ist ein dunkler Fleck in der Geschichte, wie bei vielen Frauen aus dieser Zeit», bedauert Museumsdirektorin Gabriele Keck. Auch Aufrufe in den Medien im vergangenen Jahr, wonach Zeitzeugen oder Dokumente gesucht wurden, blieben fast unbeantwortet. «Auf den letzten Aufruf jedoch, als ein Bild von Marie Bachmann veröffentlicht wurde, meldeten sich einige Personen, die Marie im hohen Alter gekannt hatten», sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Aline von Raszewski, die sich intensiv mit der Recherche beschäftigt hat.
«Es ist ein dunkler Fleck in der Geschichte, wie bei vielen Frauen aus dieser Zeit»
Gabriele Keck, Direktorin Historisches Museum Thurgau (Bild: Archiv)
Bekannt ist auch, dass Marie Bachmann, die von 1879 bis 1955 lebte, aus einer Stettfurter Richterdynastie entstammte. Ihr Grossvater Oberrichter Johann Jakob Bachmann-Wegelin kaufte 1867 das Schloss für seinen Sohn, Bundesrichter Johann Huldreich Bachmann, um es vor dem Abriss zu bewahren. Der Sohn richtete Wohnungen darin ein und wohnte teilweise mit seiner Familie im Schloss.
Johann Huldreich Bachmann war laut Kurator Dominik Streiff Schnetzer sehr bedacht darauf, dass das Schloss und die Remise unverändert erhalten blieben. Die gleiche Gesinnung, das Bewusstsein im sorgfältigen Umgang mit Kulturgut, ging auch auf Tochter Marie über.
Die Bachmanns hatten wohl Sinn für Kunst und Kultur
Nebst dem Schloss vermachte Marie Bachmann rund 800 Objekte dem Kanton, welche Streiff Schnetzer als wertvoll und vielfältig beschreibt und welche auf keinen Fall veräussert werden sollten. «Die Familie Bachmann gehörte zum Grossbürgertum, war gebildet sowie vermögend und hatte Sinn für Kultur und Kunst», so Keck. Dies spiegelt sich in der umfangreichen Sammlung wider.
Aus Platzgründen kann nur ein kleiner Bruchteil an Objekten im Museum gezeigt werden. Sozusagen als Verdichtung der Geschichte der Familie Bachmann, sagt Streiff Schnetzer. Diese Verdichtung findet man nun in der erweiterten Ausstellung im zweiten Stock, in zwei multimedial eingerichteten Räumen.
In einer Truhe, die Marie Bachmann jeweils auf ihren Reisen zwischen Stettfurt und Zürich nutzte, sind Preziosen wie ein Kirchengesangsbuch oder eine Taschensonnenuhr ausgestellt. Um von der Fülle der gesamten Sammlung einen Eindruck zu erhalten, hat der Thurgauer Fotograf Meinrad Schade weitere Objekte abgelichtet, die in einem filmischen Kaleidoskop gezeigt werden.
Lichtinstallation mit Stimmungswechseln
Im nächsten Raum, dem sogenannten Bullinger-Salon, ist die Tapete das einzige, jedoch wertvollste Objekt. Die von Johann Balthasar Bullinger aufwändig gemalte Tapete aus dem 18. Jahrhundert zierte einst den Festsaal im Haus zum Kiel in Zürich. Marie Bachmanns Mutter konnte Teile der Tapete vor dem Hausabbruch retten und nach Frauenfeld überführen.
Um den Fokus auf die Tapete mit Szenen aus der griechischen Mythologie zu lenken, wurden laut Streiff Schnetzer bewusst die Möbel entfernt. Nebst einer Erläuterung zu den Tapetenszenen wird mit einer Lichtinstallation, mit vier verschiedenen Stimmungswechseln, die Tapete zum Leben erweckt. Mitten in der Erzählung erscheint überraschend das stattlich gekleidete Fräulein Bachmann, die mittels einer Zeitreise aus dem Jahr 1915 nachschauen kommt, ob auf ihr Geheiss nach ihrem Tod wirklich ein Museum eingerichtet wurde.
„Wollte sie unabhängig bleiben oder war sie nicht vermittelbar?“
Gabriele Keck, Direktorin Historisches Museum Thurgau, zur Frage, warum Marie Bachmann unverheiratet blieb
Melanie Hunziker, Kulturvermittlerin, erklärt, wie sie als Fräulein Bachmann die öffentlichen Führungen für Erwachsene konzipiert hat. Nicht nur in diesen beiden Zimmern, auch sonst sind im Schloss Bachmann’sche Sammlungsstücke verteilt, die es aufzuspüren gilt. Für Kinder der Mittelstufe sei der Zugang ähnlich aufgebaut, sagt Hunziker weiter. Dabei dürfen sich die Kinder aktiv einbringen und Objekte aufstöbern, die Fräulein Bachmann inzwischen vergessen hat.
Mieten hat sie angeblich persönlich eingezogen
Alle Beteiligten sind sich sicher, dass sich mit der Ausstellung «Maries Testament. Unser Schloss» das 60-Jahr-Jubiläum ideal feiern lässt. «Zudem wollen wir auf der Spur von Marie Bachmann bleiben, um noch mehr über ihr Leben zu erfahren», sagt Streiff Schnetzer.
Einige Episoden aus Bachmanns Leben sind bekannt: So soll sie die Mieten für die Wohnungen immer persönlich eingezogen haben. Ausserdem war sie sehr fromm, weilte 1911 in England und sprach Französisch. Warum sie unverheiratet blieb, ist nicht geklärt. „Wollte sie unabhängig bleiben oder war sie nicht vermittelbar?“, fragt sich Keck. Auf jeden Fall ist Marie Elise Bachmann eine Frau mit vielen Facetten, die es noch zu entdecken gilt.
Die Ausstellung ist Dienstag bis Sonntag jeweils von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Mehrere öffentliche Führungen sind geplant, private Führungen für Gruppen können gebucht werden. Führungen gibt es auch für Schulklassen der 3. bis 6. Klasse. Weitere Informationen unter www.historisches-museum.tg.ch
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