Frauenfeld droht Schlafkaserne
Bis die Stadtkaserne und das obere Mätteli tatsächlich umgenutzt werden, vergehen noch einige Jahre. Und der Plan, der letzte Woche als Gewinner des Ideenwettbewerbes publiziert wurde, ist kein definitiver Fahrplan für die Nutzung der Kaserne. Dennoch: Wenn man nicht aufpasst, geht die Kultur rasch mal verloren. Und der Gewinn für die Frauenfelderinnen und Frauenfelder ebenfalls.
Von David Nägeli
Das Siegerprojekt der Zürcher Park Architekten will aus dem Kasernenhauptbau ein Seminarhotel und aus der ID-Halle eine Eventhalle schaffen. Das Historische Museum Thurgau soll in einem Neubau am oberen Mätteli Unterschlupf finden. Kreativräume wie Ateliers oder Proberäume sind in den Seitenflügeln als Zwischennutzungen geplant. Das Siegerprojekt spricht in einem weiteren Schritt von Wohnräumen. Klar, ökonomisch muss die Kaserne auch sein.
Pendlerheim statt Lokalkultur
Diese Nutzungsplanung schiesst an der Bevölkerung vorbei. Die Stadtentwicklung gab sich Mühe, dass die Bürger in Sachen Kaserne mitreden können. Mit einer Fokusveranstaltung Ende November 2015 und einer schriftlichen Bevölkerungsbefragung erfasste die Stadtverwaltung die Interessen der Bevölkerung. «Kultur & Bildung» stand bei 63 Prozent der Befragten an erster Stelle.
Sollte die ID-Halle wie geplant als Eventhalle genutzt werden, bietet sie neben der Rüegerholzhalle, der Konvikthalle und dem Casino nur wenig Mehrwehrt. In solchen Hallen entsteht zwar Kultur, aber oft nur hochkommerzielle Kultur. Kleinere Kulturveranstalter müssten für Veranstaltungen hohe Subventionen beziehen, die sie über kreatives Budgetieren für die Hallen- und Technikmiete aufwenden, statt für die Künstlergagen. Die geplante ID-Halle läuft so Gefahr, nur ein besser gelegener Tourstopp für Acts wie die Chippendales zu werden, die ihre blanken Hintern nicht mehr bis ins Rüegerholz hochschleppen müssen. Kein grosser Gewinn für Frauenfeld.
Dass das Historische Museum in einen Neubau ziehen soll, ist schön und gut. Aber in erster Linie ist das ein politischer Schachzug, um das prestigeträchtige Museum in der Stadt zu behalten, und es nicht an andere interessierte Gemeinden zu verlieren. Wenn man einen Neubau bieten kann, wird das Museum zuschlagen. Aber ob damit das gewünschte «pulsierende Leben» Einzug hält – das lässt sich bestreiten.
Ein weiteres Hotel? Wirklich jetzt?
Ende Juni 2016 schloss das Hotel «Domicil» seine Türen – die Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten in Frauenfeld war schlicht zu klein. Und jetzt arbeitet die Stadtentwicklung in ihrer Planung mit einem Seminarhotel. Woher sollen die Gäste kommen? Die Stadt habe Anfragen erhalten, heisst es von offizieller Seite her. Finanziell mag es sich lohnen, hier eine Herberge zu errichten. Der Flughafen ist mit Bus und Bahn rund 40 Minuten entfernt. Aber ob die eingeflogenen Gäste Frauenfeld beleben, ist eine andere Frage.
Im Auswertungsbericht zur Bevölkerungsumfrage heisst es weiterhin: «Studios und Proberäume wurden beinahe von der Hälfte aller Teilnehmer einmal genannt.» Das Siegerprojekt plant diese in den Seitenflügeln der Kaserne – mit dem Stichwort «Zwischennutzung». Das scheint etwas gefährlich. Denn Wohnungen sind verlockend rentabel und für viele Politiker eine hübsche Alternative zu den «Kreativen». Wenn es da an den Finanzen hapert oder die Finanzierungsidee doch nicht ganz aufgeht, steht da plötzlich doch das Eigenheim, wie es im Siegerprojekt in einer späteren Etappe angedacht ist.
Es kann alles auch noch schlimmer werden
Frauenfeld ist bereits ein wenig zur Schlafstadt für Pendler geworden. Und wenn die lokale Politik den Umnutzungsprozess nicht aufmerksam beobachtet, könnte es auch noch schlimmer werden. Ein Seminarhotel lockt zwar Fluggäste in den Thurgau (wollen wir das?) und die Zwischennutzungen könnten spannend sein. Aber wenn sich im Planungsprozess doch irgendwo ein ökonomisch-sinnvoller Wohnturm einschleicht – so wie es andere Architekten eingeplant haben –, dann ist es rasch aus mit lauter Kultur. Dann bleibt Frauenfeld die Schlafstadt in der Agglomeration von Zürich. Und das will hier wohl niemand.
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Weiterlesen: Mehr zu den einzelnen Entwürfen lesen Sie in dem Beitrag von Sascha Erni bei uns
KOMMENTARE *
von Markus Landert・vor 3 Monaten
Dieser Artikel ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein kleingeistige Verbohrtheit jede Initiative gleich mal in den Boden stampft. Statt Potentiale zu sehen wird schlechter Wille und Kommerzialisierung unterstellt. Statt die formulierten Ideen mit eigenen Ideen anzureichern, wird mit an den Haaren herbeigezogenen Befürchtungen alles schlecht gemacht, ganz im Stil der SVP. Irgendwie provinziell eben. Leider.
von Fiona Käppeli・vor 4 Monaten
danke david. auf den punkt gebracht.
was ich von den plänen halte: nicht viel.
ich kann mich gut an die 63% erinnern und habe mich auch weiterhin dafür eingesetzt. das ist nicht, was ich mir erhofft hatte.
was man gegen die laschen pläne tun kann, würde mich interessieren?
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