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von János Stefan Buchwardt, 12.07.2013

Oper à la Huber

Oper à la Huber
Szenen der Kreuzlinger Dreigroschenoper. Links im Bild Carin Lavey als Polly und Giuseppe Spina als Mackie Messer. | © Mario Gaccioli

Die Dreigroschenoper des See-Burgtheaters unter Regie von Leopold Huber: Ein weitgehend belebender Abend, an dem Kreuzlingen erfrischend auf der ungebrochenen Popularitätswelle Weillscher Songs und Brechtscher Szenen paddelt und dabei eine ordentliche Figur macht.

Hier weiss man, dass einer wirkt, der ist, was Gottschalk für «Wetten, dass..?» war. Was also tun als Kritiker? Antwort: Den Leopold Huber (Autor, Produzent, Regisseur) erst recht besprechen, ohne eigenes kritisches Vernunftsinstrumentarium hintanzustellen. Ihm Gutes nachsagen, dem frischgebackenen Kulturpreisträger, und die Thurgauer Herzeige-Bühne weiterhin als Klein-Bregenz am Schwäbischen Meer handeln. Personenkult in der Schweiz? Der Kanton darf unumwunden zu seinem Theatermacher stehen. Dieser Herr Leopold hiesse nicht Leopold, würden ihm Lobeshymnen und Lorbeersegen zu Kopf steigen. Sein Geheimrezept: Charakterfrage. Und, am Rande bemerkt, bodenständige Pilzgerichte.

Jährlich im Juli und August stellt sich sich unterhalb der Kreuzlinger Seeburg ungeschminkte Spielfreude ein. Davon profitieren heuer fast 30 Agierende auf der Bühne samt einem 350-köpfigen Publikum auf der Tribüne. Clever und praktikabel setzt sich der Dreigroschenkorpus zusammen: Bretterboden, flankiert von zwei bespielbaren Containern, ein Käfig, Bilderbuch-Hai. Verantwortlich zeichnet ein Freischaffender aus München: Klaus Hellenstein, bewährte Glückskarte im Kreuzlinger Pool der Kreativen. Jetzt stattet der Meister für Bühnenbild und Kostüm, der vor mehr als zehn Jahren ein Dreigroschenszenario für Ulm entworfen hat, den Schweizer Schauplatz sinnenfreudig und choreografie- und inszenierungsfreundlich aus.

Rätselhaftes Apricot

Mit derben Beisserchen versehen, bekanntlich im Gesicht tragend, und selber schon ausgeweidet dominiert eine kolossale bildhafte Aufbaute des weltbekannten Knorpelfischs symbolhaft die Szenerie. Auch wenn die sich durchziehende apricotfarbene Leibwäsche erregt, trotzdem aber rätseln lässt, die Gewandung der Spielenden stützt durchgängig wesensgemäss die Brechtsche Fabelführung. Last, but not least wird die Band um Volker Zöbelin ihrer grossen Verantwortung für ein Gelingen dieses Meilensteins der Theatergeschichte untadelig gerecht. Sechs Musiker schlängeln sich probat durch den popularitätsverwöhnten Weillschen Kosmos. Und schütteln wendig Choräle, Schlager, Songs und Moritaten auf, laufen aber gesamthaft Gefahr, den ursprünglich flegelhaften Intonierungs-Charme aus den Augen zu verlieren.

Nicht wirklich neu interpretiert

Fast schon ein Theatergesetz, dass die Dreigroschenoper nicht totzukriegen ist. Was 1928 in Berlin uraufgeführt wurde, hat sich von der Anlage her, ob man nun will oder nicht, immensen Unterhaltungswert erhalten. Für einmal bringt der Gegenwartsbezug in Form von versprengselten Fremdtexten und -ideen keinen Mehrwert. Eine Inszenierungs-Crux mag darin bestehen, dass sich der Durchschnittszuschauer mehr vom Zuschnitt als von der anarchischen Mission des Jahrhundertwerks verspricht. Im Seeburgpark wird die gefühlvoll kaltschnäuzige Oper weder neu erfunden, noch wird sie wirklich neu interpretiert. Die gleichwohl appetitliche, schön ins Bühnenlicht gesetzte Aufarbeitung, ja, jedweder genretaugliche Inszenierungsaufwand darf dem vorgegebenen genial aufmunternden Stil- und Showmix grundsätzlich unbehelligt erliegen.

Selbstbewusstes Ensemble

Mit Abstrichen bravourös geben Giuseppe Spina (ein fragwürdig unverwegener Macheath), Erich Hufschmid (musterhaft als Peachum) und Alexander Peutz (schillernd als Tiger Brown und Theaterdirektor) die drei männlichen, durch organisierte Kriminalität reich gewordenen Hauptgestalten des Stücks. Auch bei den weiblichen Parts (Franca Basoli: hervorragend als Frau Peachum, Carin Lavey: eine umwerfende Polly, Stefanie Gygax: eine fabelhafte Lucy, Astrid Keller: eine vielleicht zu spröde Jenny) zeugen schnoddrig und scharf balancierende Gesangsstimmen und erfreuliche Schauspielleistungen vom selbstbewussten Kern-Ensemble, das um gefügige Bettler-, Huren-, Gangster- und Polizistenfiguren aufgestockt wird. In Nebenrollen mit hauptrollenartigem Anstrich bewähren sich Werner Biermeier, Bastian Stoltzenburg und Florian Steiner auf ihre schöne Weise.

Zwischen Karikatur und Belehrung

So bewegt sich die gern wiedergesehene Schauspieltruppe gut verankert zwischen heiterer Karikatur und operetten- beziehungsweise opernhafter Belehrungsgeste. Von pfiffiger Gesellschaftskritik zu bagatellisierender Entlarvung übergehend kommt der Abend alles andere als abgestanden daher, auch wenn die revolutionäre Stossrichtung und antibürgerliche Elemente durch Zuschauergunst erstickt zu werden drohen, damals wie heute. Eine gesetzmässig sich fortsetzende Güte des Geschicks, dass dem See-Burgtheater die Luft nie ausgeht! Wie in den Jahren zuvor lässt wehrfähiger Bühnengeist hochsommerliche Ozonwerte, so die Sonne denn scheint, vergessen. Die Dreigroschentruppe wird noch ein wenig an Schwung gewinnen (müssen). Grosses Kompliment an den Kulturpreisträger: Der Handschrift des Inszenators selbst ist subversive Sprengkraft eingeschrieben. Sein stilistisches Spektrum pulsiert und berührt. Ob er vielleicht oder gerade die Glückswurf-Qualitäten einer Dreigroschenoper in eigener Person vereint? Wir kennen die Antwort.

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